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REVIEW KINO: „Planet der Affen – New Kingdom“

Fortführung der jüngsten „Planet der Affen“-Trilogie, in der der Sohn von Caesar sich auf die Seite der unterjochten Menschen schlägt.

CREDITS:
O-Titel: Kingdom of the Planet of the Apes; Land/Jahr: USA 2024; Laufzeit: 145 Minuten; Regie: Wes Ball; Drehbuch: Josh Friedman, Rick Jaffa, Amanda Silver; Besetzung: Owen Teague, Freya Allen, Kevin Durand, Peter Macon, William H. Macy; Verleih: Disney; Start: 8. Mai 2024

REVIEW:
Die Genealogie des „Planet der Affen“-Franchise ist nicht ganz einfach. Es ist aber auch nicht weiter wichtig für das Verständnis von „Planet der Affen: New Kingdom“ zu wissen, dass auf das Original von 1968 mit Charlton Heston in der Hauptrolle bis Mitte der Siebzigerjahre vier Fortsetzungen folgten und Tim Burton 2001 ein erfolgreiches, aber nicht besonders gut beleumundetes Reboot mit Mark Wahlberg in der Hauptrolle drehte. Weil der neue Film sich inhaltlich und gestalterisch einzig der jüngsten Trilogie verpflichtet fühlt, aufbaut auf „Planet der Affen: Prevolution“ (2011), „Planet der Affen: Revolution“ (2014) und „Planet der Affen: Survival“ (2017), in denen unter der Regie von Rupert Wyatt (1x) und Matt Reeves (2x) schlüssig aufgezeigt wurde, wie die Affen die Herrschaft über den Planeten Erde übernehmen konnten. Und wenn man als Zuschauer einfach akzeptiert, dass die Affen die Menschheit unterjocht und das Sagen haben, dann muss man auch die letzten drei Filme nicht unbedingt gesehen haben oder überhaupt nur von ihrer Existenz wissen.

Nicht ganz unbedeutend ist indes, dass hinter dem ersten „Planet der Affen“-Film, der nach der Übernahme der 20th Century Fox von Disney realisiert und ausgewertet wird, Rick Jaffa und Amanda Silver als Architekten und Autoren stehen, die eben auch schon die vergangene Trilogie gesteuert hatten und nun, diesmal gemeinsam mit Josh Friedman, mit dem sie zuvor am Drehbuch von „Avatar: The Way of Water“ gearbeitet hatten, für die nötige tonale Konstanz und Konsistenz verantwortlich zeichnen. Mit Wes Ball ist ein neuer Regisseur am Steuer, bekannt durch die „Maze Runner“-Reihe, der den mit 145 Minuten Laufzeit bislang längsten „Planet der Affen“-Film gedreht hat: Er fügt sich nahtlos in das Gefüge, inszeniert mit einem Gewicht, einer Schwere, einer Ernsthaftigkeit, wie er sie bislang bestenfalls angedeutet hatte, die aber natürlich eine Notwendigkeit ist in der Fortführung einer Saga, in der es um das Schicksal des Planeten geht. 

Drei beste Freunde müssen sich bewehren in „Planet der Affen: New Kingdom“ (Credit: © 2024 20th Century Studios)

Die allererste Szene verweist direkt noch einmal auf Caesar, die zeremonielle Verebrennung seiner Leiche, der Beginn einer kultischen Verehrung, die in „New Kingdom“ eine zentrale Rolle einnehmen wird: die Vereinnahmung eines Symbols vs. das lebendig Halten einer Idee. Gleich macht der Film einen gewaltigen Sprung nach vorn, um „mehrere Generationen“, rund 300 Jahre in eine von Menschen verwaiste Welt, in der sich die Natur die Erde zurückerobert hat, Amerika wieder eine einzige Frontier ist, die Affen den Adler gezähmt haben, das Symbolbild der Vereinigten Staaten: Es gehört es nicht mehr den Menschen, sondern den Primaten, die nicht mehr geeint leben, sondern sich unter ihresgleichen in stammesartigen Ansiedlungen organisiert haben: In einer solchen Gemeinschaft wachsen die drei Schimpansen Noa, Anaya und Soona auf, jung und neugierig, unterwegs zu gemeinsamen Abenteuern, die sie in ihrem Revier in schwindelerregende Höhen klettern lassen, um an die seltenen Adlereier zu kommen, Teil eines Initiationsrituals, die die Jungen zu Erwachsenen heranreifen lässt. Mit ihnen will sich auch der Film beweisen in diesen dynamischen, temporeichen Szenen, die unterstreichen, wie weit die Technologie der Performance-Capture vorangeschritten ist, seitdem dem Publikum vor fast 15 Jahren erstmals vor Augen geführt worden war, dass Schauspieler überzeugend Primaten spielen können.

Die Verspieltheit hält nicht lange an. „New Kingdom“ erzählt eine klassische Heldenreise. Als ihr Zuhause von einer Gruppe maskierter Menschenaffen angegriffen, Noas Vater getötet und die Überlebenden der Sippe verschleppt werden, in Bildern, die erschütternd jetzt und aktuell wirken, macht sich Noa auf den Weg ins Ungewisse, durch einen von Menschen angelegten Tunnel, dessen betreten ihm immer verboten war und hinter dem sich ihm eine neue Welt eröffnet, ein Moment der Neugeburt. An klassische Western fühlt man sich erinnert in diesen Szenen in der amerikanischen Weite, insbesondere „Der schwarze Falke“, wenn Noa aufbricht zu seiner Odyssee auf die Suche nach seiner Familie, die auch eine Coming-of-Age erzählt, eine Reise der Bewährungen und des Bewährens, die den Lebensweg des jungen Schimpansen verändert, der aus dem Schatten des Vaters treten und seine Wurzeln erkennen muss. 

„Ride away, ride away“: Vor zehn Jahren war das Bild in „Planet der Affen: Revolution“ noch schockierend, einen Affen auf dem Rücken eines Pferdes sitzen zu sehen. Es fühlte sich… falsch an. Jetzt zucken wir nicht einmal mehr mit den Achseln, wenn Noa auf seinem Pferd durch die Landschaft pflügt, wenn er Bekanntschaft macht mit einem weisen Orang-Utan und schließlich auch die von den maskierten Affen verfolgte Menschenfrau Mae, gespielt von Freya Allen aus „Der Witcher“, in seinen kleinen Verbund aufnimmt – in einer Umkehrung der Tarzan-und-Jane-Dynamik: Die Menschen sind jetzt die Wilden, zumeist einer Sprache nicht mächtig. Immer wieder wird Noa darauf verwiesen, Mae auf keinen Fall zu trauen, die Menschen folgten immer einer eigennützigen Agenda. Mit dieser Ambivalenz kommen wir zur beeindruckendsten Kulisse von „New Kingdom“, findet der Film schließlich ganz zu sich, tritt die Marke ein in die Welt des Monumentalfilms, das Kino eines Richard Fleischer oder Jack Cardiff, ein bisschen „Tal der Pharaonen“ hier, ein bisschen „Apocalypse Now“ da, mit William H. Macy in der Dennis-Hopper-Rolle.

In einem Bollwerk am von tosenden Wellen umfluteten und von gestrandeten Schiffswracks, ein bisschen wie in Tim Fehlbaums „Tides“, umgebenen Königreich des größenwahnsinnigen Proximus werden die verschleppten Affen versklavt, nur dass sie keine Pyramiden bauen müssen, sondern mit vereinten Kräften ein hermetisch verschlossenes Tor öffnen sollen, hinter dem sich die Geheimnisse der Menschheit verbergen könnten. Hier kommt es zum Showdown, hier findet Noa seine Apotheose, hier zeigt Regisseur Ball, dass er es versteht, auf der filmischen Klaviatur eines Ridley Scott oder George Miller zu spielen. Hier wird sich das Schicksal der Figuren entscheiden. Als Zuschauer folgt man gebannt und beeindruckt. Sollte „New Kingdom“ der Anfang eines neuen Geschichtenzyklus werden, so ist ein Fundament entstanden, auf das die Macher stolz sein können: Hinter den Filmen der vergangenen Trilogie muss sich dieser Kraftakt nicht verstecken, der muskulös und körperlich ist und nur vielleicht ein kleines bisschen arg humorlos. 

Thomas Schultze