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„Offene Abkehr vom Kino“

Das Kabinett hat den FFG-Entwurf beschlossen, die BKM zeigt sich vom Regelwerk überzeugt – aber bei der AG Verleih könnte die Unzufriedenheit mit dem Status Quo der Reform kaum größer sein. „Meilenweit entfernt“ sei der aktuelle Diskussionsstand vom versprochenen großen Wurf.

Björn Hoffmann, Vorstand der AG Verleih (Credit: AG Verleih)

„Der deutsche Kinofilm steht auf dem Spiel.“ Mit diesen Worten ist eine Stellungnahme der AG Verleih zur heutigen Absegnung des FFG-Entwurfs durch das Kabinett überschrieben. Damit – und mit der provokanten Frage: „Wird deutscher Film unattraktiv für Verleihe?“ Klar ist: Unzufriedener könnte der Verband der unabhängigen Filmverleiher mit einem Regelwerk kaum sein, dem man attestiert, eine „offene Abkehr vom Kino“ zu sein.

So heißt es nicht zuletzt, dass die „für die Kinoauswertung relevanten Akteure“ in der FFG-Überarbeitung „ignoriert“ worden seien. Und das „trotz des branchen- und politikweiten Konsens, dass im Bereich der Kinoauswertung dringend nachgebessert werden muss, will man auch zukünftig deutsche Kinoerfolge haben“, wie der Verband weiter ausführt.

Ganz so ist es zwar nicht, so war in dem heute vom Kabinett beratenen Entwurf zumindest im Sinne der Kinos noch nachgebessert worden: Fixer Zuschussanteil von 50 Prozent, Anhebung des auf die Kinoförderung entfallenden Abgabeanteils um fünf auf 20 Prozent und Anhebung der Mindest-Umsatzschwelle von Kinos für die Heranziehung zur Filmabgabe lauten entsprechende Stichwörter. Aber wo diese Maßnahmen schon von Kinoseite nicht als annähernd ausreichend erachtet werden (umso weniger vor dem Hintergrund der offenen Fragen zur weiteren Kinoförderung auf Bundesebene und der Verankerung von Senderinteressen in einer neuen – und von der Branchenvereinbarung nicht gedeckten – Ausnahmeregelung zu den Sperrfristen im §57), war der Unmut auf Verleihseite darüber, dass dort nicht in wenigstens halbwegs vergleichbarem Maße nachgebessert wurde (Kinos und Verleiher unterstützten sich wechselseitig in den Forderungen nach nennenswerten Verbesserungen), natürlich umso größer.

Zur Zusammenfassung der vor der Kabinettsbefassung umgesetzten Änderungen im FFG

Zum Regierungsentwurf

Vom „großen Wurf“ für eine Stärkung des deutschen Kinofilms (mit Betonung auf „Kino“) sei der aktuelle Vorschlag zur Novellierung der Filmförderreform – mit den Bausteinen FFG, jurybasierte kulturelle Förderung, Steueranreizmodell und Investitionsverpflichtung – jedenfalls „meilenweit entfernt“.

Der nun vorliegende Gesetzentwurf mache den deutschen Kinofilm als Geschäftsmodell für Filmverleihe „zunehmend unattraktiv“. Es bestehe die Gefahr, „dass deutsches Arthousekino zukünftig nicht mehr stattfindet“. Um den deutschen Kinofilm und vor allem auch den künstlerisch herausragenden Kinofilm „zumindest zu erhalten und am besten auch zukunftsfähig zu machen“ fordert die AG Verleih erneut eine spürbare Nachbesserung für die Auswertung in den Entwürfen für die Filmförderung. In ihrer Erklärung hebt der Verband dabei folgende Punkte hervor:

• Die Herausbringung unabhängiger Filme muss als Geschäftsmodell erhalten bleiben. Wir fordern, unabhängigen Filmverleihen nicht ihre Geschäftsgrundlage zu nehmen! Die Einhaltung der in der Branchenvereinbarung festgelegten Sperrfristen ist unabdingbar. Es wäre ein fatales Zeichen, wenn sich der Gesetzgeber zu Gunsten von Senderinteressen hier einfach über die Branche hinwegsetzt.

• Wir fordern eine andere Gewichtung der FFA-Förderungen mit mindestens 35 Prozent Anteil für Verleihförderung (§137), um zumindest den aktuellen Status quo an Verleihförderung zu erhalten und die Sichtbarkeit deutscher Kinofilme weiterhin möglich zu machen. Die Breite und Vielfalt des deutschen Kinofilms verschwindet sonst in der Bedeutungslosigkeit. (Aktuell sind es 25 Prozent, Anm.d.Red.)

• Wir fordern den Verbleib der Verleihreferenzmittel im Erfolgsfall beim Verleih. Nur so kann sichergestellt werden, dass Verleihe in dringend benötigte Innovationen investieren können, strukturell unterstützt und zukunftsfähig gemacht werden.

• Wir fordern eine Berücksichtigung von Verleih im Steueranreizmodell, da es nur logisch wäre, dass mit Steuermitteln finanzierte Kinofilme auch in der Auswertung entsprechend unterstützt werden.

• Wir fordern eine spürbar besser ausgestattete kulturelle Förderung für deutsches Arthouse-Kino, das gesellschaftliche Debatten antreibt und Identität stiftet. Für Verleihförderung müssen mindestens 2,5 Millionen Euro zur Verfügung stehen – unabhängig von der Haushaltslage.

Zumindest über die Berücksichtigung von Verleihkosten im Rahmen des geplanten Filmförderzulagengesetzes wird aktuell diskutiert, wobei ein Sprecher der BKM dazu unlängst nicht mehr erklären konnte, als ohnehin schon bekannt war: „Wir prüfen aktuell, ob das von uns als Diskussionsentwurf veröffentlichte Modell eines Filmförderzulagengesetzes ergänzt werden kann, um zumindest teilweise auch die Herausbringung von Kinofilmen, also den Verleihbereich hierüber zu unterstützen. Konkret überlegen wir, auch Herausbringungskosten des Verleihs im Inland und Vertriebs im Ausland als förderfähige Aufwendungen des Herstellers anzuerkennen, soweit sie von diesem veranlasst und beauftragt wurden. Weitere Details hierzu stehen noch nicht fest.“ – so der aktuelle Sachstand auf Anfrage.

Als Vorstand der AG Verleih zieht Björn Hoffmann jedenfalls ein ausgeprochen negatives Zwischenfazit: „Die jetzigen Reformentwürfe bedeuten in dieser Form eine Schlechterstellung der Verleiharbeit, gerade für unabhängige Verleihe. Damit verfehlen sie das ursprünglich formulierte Ziel der BKM, endlich mehr Gewicht auf die Auswertung zu legen. Es stünde faktisch weniger Geld für Verleihförderung aus FFA-Mitteln zur Verfügung als bisher. Zudem werden zu Gunsten der Sender und trotz erfolgreich erzielter Branchenvereinbarung Refinanzierungsmöglichkeiten von Kinofilmen beschnitten. Erschwerend kommt hinzu, dass die finanzielle Ausstattung der kulturellen Juryförderung noch vage ist.“ 

Und weiter: „Wir brauchen für den künstlerisch herausragenden deutschen Kinofilm zum einen ein ernstzunehmendes Geschäftsmodell, zum anderen aber auch die politische Unterstützung, um die Rahmenbedingungen dafür zu definieren. Der Förderung von Produktion, Auswertung und Kino muss ein stringentes Konzept zugrunde liegen, dass die Interessen alle Branchenteilnehmer im Fokus hat. Sonst wird es perspektivisch keine deutschen Arthouse-Filme mehr im Kino geben“, so Hoffmann.