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REVIEW KINO: „Alles steht Kopf 2“

Fortsetzung des Pixar-Klassikers von 2015, in dem die Pubertät der nunmehr 13-jährigen Riley für verrückte Abenteuer in ihrem Kopf sorgt.

CREDITS:
O-Titel: Inside Out 2; Laufzeit: 100 Minuten; Regie: Kelsey Mann; Drehbuch: Dave Holstein, Meg LeFauve; Verleih: Disney; Start: 13. Juni 2024

REVIEW:
Was „Alles steht Kopf“ 2015 zu einem der letzten echten Klassiker der Goldenen Phase von Pixar machte, in einer Linie mit visionären Meisterwerken wie „Oben“ – ebenfalls von Pete Docter -, „Toy Story 3“, „Wall•E“ oder „Ratatouille“, war seine unbedingte Neuheit, seine Originalität, sein Eindringen in eine Welt, wie man es noch nie zuvor gesehen hatte in einem Film – und wie man es sich nur in einem Animationsfilm vorstellen konnte: ein Film aus der Schaltzentrale des Menschen, in diesem Fall eines elfjährigen Mädchens, in dem fünf Gefühle um den jeweiligen Gemütszustand ringen: Freude, Kummer, Angst, Wut und Ekel. Daraus entsteht ein sehr spezieller Abenteuerfilm, eine Hatz durch verschiedene Bereiche des menschlichen Verstands, aber bei aller Abstraktheit auch ein verblüffend geradliniger und allgemeingültiger Coming-of-Age-Film, an dessen Ende sich alles wieder einrenkt und Freude konstatiert: „Immerhin ist Riley jetzt zwölf Jahre alt – was kann schon passieren?“

Die Pubertät meldet sich: „Alles steht Kopf 2“ (Credit: © 2023 Disney/Pixar. All Rights Reserved)

Riley ist 13 Jahre alt, wenn „Alles steht Kopf 2“ einsetzt, wieder mit einem Hockeyspiel, wo der erste Film geendet hatte. Man findet sich gleich zurecht. In Rileys Welt und in Rileys Kommandozentrale. Dort werkeln immer noch die fünf selben Gefühle und sorgen sich um das Wohlergehen ihrer Heldin. Das ist gut so. Und, wie bei Pixar gewohnt, toll umgesetzt. Wenig später kündet ein nächtlicher Alarm von: PUBERTÄT. Danach ist dann vieles anders. Aber es ist nicht mehr neu. Es ist nicht mehr so originell, weniger bahnbrechend. Wenn neue Wege gegangen werden von Regisseur Kelsey Mann, dann innerhalb der bekannten Parameter. Gleichzeitig ist der Fokus enger, wird die Universalität des ersten Films ersetzt von einem deutlich spezielleren und spezifischeren Blick: auf die erwachende Pubertät eines Teenagers und die damit einhergehenden Gefühlsschwankungen. 

Eine Abrissbirne, die in die Kommandozentrale knallt, kündet von grundlegenden Veränderungen. Ein neues Schaltbrett wird installiert, größer, umfangreicher und komplizierter. Und vor allem kommen neue Gefühle dazu und kämpfen um Dominanz in der sich verändernden Riley: Zweifel, Neid, Ennui (französisch für ‚Langeweile‘) und Peinlich. Auf gut Deutsch: Es brechen schwierige Zeiten an. Für Riley, die in einem Sommersportcamp entscheiden muss, ob sie ihren besten Freundinnen treu bleibt oder in die Clique der coolen Sportasse wechseln soll. Und für ihre Gefühle, die buchstäblich ein Wechselbad erleben und ausgeschaltet werden sollen, während Zweifel von Freude das Kommando übernimmt. Wieder gibt es eine neue Reise durch zuvor noch unbetretene Teile von Rileys Bewusstsein und ein Wettrennen mit der Zeit, damit sie beim entscheidenden Hockeyspiel nicht die falschen Entscheidungen trifft. 

Man kann dem wieder von Meg LeFauve („Captain Marvel“) diesmal zusammen mit Dave Holstein, ein Spezialist für die schrägeren Formen von Comedy (siehe „Kidding“), geschriebenen Drehbuch keinen Mangel an Einfällen vorwerfen, aber es dauert ein bisschen, bis sich aus dem Durcheinander mit doch sehr vielen Figuren die nötige Emotionalität herausschält. Man muss aber auch festhalten: Wenn sich die verschiedenen Elemente des Films dann zusammenfügen, dann ist er sehr bewegend. Bewegender tatsächlich, als es „Alles steht Kopf“ gewesen war, der doch immer sehr auch mit seinen Freiflügen der Fantasie punkten konnte. Hier steht mehr auf dem Spiel für Riley, die eine größere Rolle spielt und „Alles steht Kopf 2“ eben auch sehr einen Film über die Nöte und Bedürfnisse eines 13-jährigen Mädchens sein lässt und damit auch in einer Ahnenreihe steht mit den eher persönlicheren Pixar-Filmen der letzten Jahre, insbesondere „Rot“, „Onward“ und „Luca“: fein im Strich, genau in der Beobachtung, auf einer klar definierten Leinwand aufgetragen. 

Thomas Schultze