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REVIEW STREAMING: „Time Bandits“

Remake des Filmklassikers von Terry Gilliam als zehnteilige Serie, in der ein zehnjähriger Junge sich einer Gruppe von Zeitdieben anschließt und durch die Epochen der Weltgeschichte reist.

CREDITS:
Land / Jahr: Neuseeland 2024; Showrunner: Jemaine Clement; Regie: Taika Waitit; Besetzung: Kal-El Tuck, Lisa Kudrow, Tadhg Murphy, Roger Jean Nsengiyumva, Rune Temte, Jemaine Clement; Plattform: Apple TV+; Start: 25. Juli 2024

REVIEW:
What the actual flipping heck! Sagt Kevin Haddock gleich zu Beginn von „Time Bandits“, als er an seinem elften Geburtstag in seinem höchst normalen Kinderzimmer in seinem höchst normalen Zuhause in einer höchst normalen kleinen britischen Gemeinde feststellt, dass sein bisher höchst normaler Kleiderschrank auf einmal ein Portal in eine andere Welt und Zeit ist. Der Junge ist spitze: ein liebenswerter Außenseiter mit Seitenscheitel, großer Brille und Pipesstimme, der nichts mehr liebt als die Weltgeschichte und historische Artefakte, was seinen permanent genervten Eltern und seiner älteren Schwester schwer auf den Senkel geht. What the actual flipping heck! Sagt man auch als Zuschauer, weil der Anfang dieser von Jemaine Clementmit Hilfe seines langjährigen Kreativmitstreiters Taika Waititi (inszenierte die Pilotfolge und hat einen Gastauftritt als gepflegt gelangweiltes Oberstes Wesen) entwickelten neuen Serie, so hinreißend und unwiderstehlich ist, dass man selbst als erklärter Anhänger des zu Grunde liegenden Kultfilms von Terry Gilliam aus dem Jahr 1981, damals Auftakt der zudem noch „Brazil“ und „Die Abenteuer des Baron Münchhausen“ umfassenden Trilogie der Imagination, erst einmal die Waffen streckt. „Erst einmal“ ist indes das entscheidende Wort hier (schon klar, es sind ZWEI Worte, aber Sie wissen schon). 

„Time Bandits“ (Credit: Apple)

Weil es eine Sache ist, einen Ton zu treffen, der der grenzenlosen Fantasie und unbändigen Lust an der Subversion des amerikanischen Monty-Python-Mitglied nahekommt und doch ganz eigene Wege geht, wie sie wiederum dem Kopf der Serie „What We Do in the Shadows“ entsprechen. Eine andere Sache ist es aber, die Laufzeit des knapp zweistündigen Films mit Auftritten von Sean Connery, der gerade erst verstorbenen Shelley Duvall und den anderen Mitgliedern von Monty Python auf ganze zehn Folgen zu strecken. Oder anders gesagt: Nach dem Funkenflug zu Beginn fängt es an, sich ein bisschen zu ziehen, mal mehr, mal weniger, immer ein wenig abhängig von der Ära der Weltgeschichte, die Kevin als Mitglied eines Trupps von Zeitbanditen gerade bereist, ein bisschen wie „Cunk on Earth“ als Fantasy-Adventure. Mehr noch wiegt indes, dass die viele Zeit, die man mit den Figuren und ihren Abenteuern verbringt, einen als kritischen Zuschauer doch verstärkt merken lässt, dass der bissige, gnadenlos politisch unkorrekte Humor Gilliams einfach mehr Substanz hat als die absurden Gags, die Clement und Waititi auf Lager haben. 

Wer den Film vor Augen hat, wird sich erinnern, dass die Zeitbanditen von einst eine Gruppe von Kleinwüchsigen waren, eine augenzwinkernde Referenz Gilliams an die sieben Zwerge der Gebrüder Grimm und bestärkt von seiner Überzeugung, seine Hauptfigur auf einer Augenhöhe mit seinen wichtigsten Mitdarstellern spielen zu lassen. Die Zeitbanditen der Serie sind dagegen sind ein dem Zeitgeist geschuldeter bunt und divers zusammengewürfelter Haufen schräger Gestalten, vorneweg Lisa Kudrow als bekannteste Darsteller:in im Cast, die ihre Penelope mit perfektem komischem Timing als passiv-aggressive Anführerin spielt, die man sofort mag, ohne dass man ihr weiter trauen könnte, als der tumbe Hüne Bittelig sie werfen kann. Überhaupt ein guter Trupp, aber irgendwie auch verschenkt. Weil „Time Bandits“ zu wenig mit ihnen anzufangen weiß, ihnen keine guten eigenen Storys verpasst, sondern lieber von Episode zu Episode in neuen Zeitzonen landet, die generell immer wieder witzig sind (das Mittelalter, Troja, die Prohibition), aber im Rausch der Episoden oftmals nur pflichtbewusst abgehakt wirken. Ein bisschen mehr weiß die Serie mit anderen aus dem Film bekannten Figuren anzufangen, das personifizierte Böse und das Oberste Wesen, gespielt von den Schöpfern der Serie. 

Ein schöner Subplot entwickelt sich schließlich mit Kevins Schwester, die sich nach dem vermeintlich spurlosen Verschwinden der Eltern (die Kevin als zwei Klumpen Kohle mit sich trägt) an die Fersen ihres Bruders heftet und ihrerseits eine Reise durch die Weltgeschichte erlebt. Überhaupt eine hübsche Figur, die dem bisweilen entfesselten Treiben Bodenhaftung verleiht, aber eben durch den Wechsel der Perspektive auch klarstellt, dass es sich hier um ein reales Abenteuer in einer Wunderwelt handelt. Bei Gilliam war es noch eine Flucht aus der Realität gewesen. Hier steht das Tor zur Fortsetzung dann doch sehr weit offen. Wenn die Serie bei der jungen Zielgruppe ankommt, an die sie sich im Angebot von Apple TV+ ganz klar richtet.

Thomas Schultze