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REVIEW STREAMING: „Those About to Die“

Mit maximalem Aufwand realisierte High-End-Serie, die einen Blick hinter die Kulissen von Brot und Spielen wirft.

CREDITS:
Laufzeit: 10 x 45 Minuten; Regie: Roland Emmerich, Marco Kreuzpaintner; Drehbuch: Robert Rodat; Besetzung: Iwan Rheon, Anthony Hopkins, Sara Martins, Jojo Macari, Emilio Sakraya

REVIEW:
Eine GROSSE Serie wurde versprochen. Eine GROSSE Serie ist es geworden. GROSS, wie es Roland Emmerich interpretiert, der „Those About to Die“ gemeinsam mit Marco Kreuzpaintner auf die Leinwand, STOP, auf den Bildschirm gezimmert hat. Feinzeichnung ist die Sache des über mehr als drei Jahrzehnte international erfolgreichen Emmerich nicht, der sich erstmals am seriellen Erzählen versucht, dabei aber seine Liebe für die Mechanismen des Überwältigungskinos niemals verhehlen kann. Der Mann weiß, wie man Spektakel erzeugt, Bilder satt und prall wirken lässt. Deswegen hat man ihn gewiss geholt für die 160 Millionen Dollar teure Eventserie, die erste Frucht aus dem Joint-Venture von Dr. Herbert G. Kloiber und Constantin Film, das sich seinen Namen nicht von ungefähr gegeben hat: High End Productions. Das Production-Value eines Kinoevents hat die vorerst zehnteilige Saga über Verschwörungen und Intrigen, Ränkespiele und strategische Winkelzüge rund um das Geschäft mit den Gladiatoren allemal, der epische Atem erstreckt sich über rund acht Stunden Handlung und eine ganze Reihe verschiedener Handlungsstränge, die von Robert Rodat, oscarnominierter Autor von Filmen wie „Der Soldat James Ryan“, in Drehbuchform gegossen wurde, ebenfalls kein Mann fürs Kleingedruckte. 

„Those About to Die“ mit Anthony Hopkins (Credit: Matteo Graia/PEACOCK)

Gib den Leuten, was sie wollen. Brot und Spiele. Eben. Diesem Diktum folgt „Those About to Die“ von der ersten Szene an. Musste man bei William Wylers „Ben-Hur“ auf das legendäre Wagenrennen mehr als zweieinhalb Stunden Laufzeit warten, gibt es ein solches Ereignis jetzt gleich zu Beginn, ein erstes großes Ausrufezeichen, als wollte man zeigen, wer hier Imperator im Hause ist. Um die Zeit des Baus des Kolosseums geht es, die letzten Tage der Herrschaft des klugen Kaisers Vespasian, der sich zwischen seinen beiden grundverschiedenen Söhnen für einen Nachfolger auf den Thron entscheiden, aber auch die Einflussnahme missgünstiger Parteien abwehren muss, verorten die Handlung in die späten Siebzigerjahre nach Christi Geburt. Anthony Hopkins spielt diesen Kaiser mit der Gravitas, die neben ihm bestenfalls noch Ian McKellen zu Eigen ist, als Mann, dem bewusst ist, dass er sein Reich nach der Misswirtschaft Neros zu neuer Blüte gebracht haben mag, diese ohne ihn aber wohl nicht von Dauer sein wird. Als eigentliche Hauptfiguren kristallisieren sich indes Männer aus zwei verschiedenen Welten heraus, deren Wege sich irgendwann im Verlauf der Serie kreuzen werden, einerseits der Strippenzieher Tenax, gespielt von Iwan Rheon aus „Game of Thrones“ und „The Magic Flute“, der hinter den Kulissen dafür sorgt, dass der Rubel rollt beim Spektakel für die Massen, andererseits der afrikanische Krieger Kwame, der seine Heimat verlässt, um seine von römischen Invasoren versklavten Schwestern nach Rom zu begleiten, wo er sich, man muss kein Weissager sein, als Gladiator der Extraklasse beweisen wird. 

Bei jeder Szene erwartet man sich Posaunenstöße, Paukendonner und Himmelschoräle. Bei vielen von ihnen bekommt man genau das. „Those About to Die“ hat nicht die elegante Ultragewalt der Serie „Spartacus“ und auch nicht das subtile Plotting und die feine Figurenkonstellation des Films „Spartacus“. Eher fühlt man sich bei dem mit Pop und Pomp inszenierten Szenario erinnert an gute alte Sandalenfilme italienischer Produktion, zumeist ebenfalls gedreht in Cinecitta, indes realisiert mit ganz modernen Mitteln und imposanten Totalen des alten Roms, die gewiss die volle Rechenleistung leistungsstarker Computer beansprucht haben. Das ist nicht subtil und manchmal etwas plump, entwickelt aber einen ganz eigenen Charme, der der Serie gut zu Gesicht steht, als hätte man ein altes edles Erbstück im Dachgeschoss gefunden, abgestaubt und ihm mit frischem Anstrich einen zeitgemäßen Look gegeben: Die auf Hochglanz Polierten grüßen euch. Und versüßen euch die Zeit auf der heimischen Couch. 

Thomas Schultze