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REVIEW STREAMING: „The Ministry of Ungentlemanly Warfare“

Man-on-a-Mission-Actionkomödie über ein britisches Sondereinsatzkommando im Zweiten Weltkrieg, das einen deutschen Zerstörer versenken soll.

CREDITS:
Land / Jahr: Großbritannien 2024; Laufzeit: 120 Minuten; Regie: Guy Ritchie; Drehbuch: Guy Ritchie, Paul Tamasy, Eric Johnson, Arash Amel; Besetzung: Henry Cavill, Alan Ritchson, Henry Goulding, Eiza Gonzalez, Alex Pettyfer, Babs Olusanmokun, Gary Elwes; Plattform: Prime Video; Start: 25. Juli 2024

REVIEW:
Natürlich kann es nicht verwundern, dass Guy Ritchie eines Tages seinen own private „Inglourious Basterds“ würde machen wollen. Was waren seine bisherigen Filme, die so gerne lässige Männer mit ausgewählt stilsicherem Modegeschmack sich souverän durch die Demi-Monde oder die Welt der Spionage schlagen lassen, wenn nicht Bewerbungen für einen waschechten Man-on-a-Mission, Ankündigungen, sich auch einmal an einem „Das dreckige Dutzend“ oder „Die Kanonen von Navarone“ zu versuchen? Natürlich kann man „The Ministry of Ungentlemanly Warfare“, der in den USA im April von Lionsgate ins Kino gebracht wurde, in Deutschland aber, wie vor ihm schon der Afghanistan-Kriegsfilm „Guy Ritchie’s The Covenant“ mit Jake Gyllenhaal, direkt bei Prime Video an den Start geschickt wurde, auch als unmittelbare Verlängerung von „Operation Fortune“ sehen, seinen beschwingten Gaunerspaß mit Jason Statham, Aubrey Plaza und Hugh Grant, der einen bunt zusammengewürfelten Trupp von Renegaten den bösen Jungs der Welt eine lange Nase drehen ließ. 

Die britischen Inglourious Basterds: „The Ministry of Ungentlemanly Warfare“ (Credit: Lionsgate)

Seitdem Ritchie nach „Aladdin“ dem ganz großen US-Blockbusterkino vorerst den Rücken zugekehrt hat, um 2020 mit „The Gentleman“ zu beginnen, an seine Wurzeln zurückzukehren und für sich zu klären, was ihm tatsächlich Spaß macht am Filmemachen, ist der Brite, der seit nunmehr einem Vierteljahrhundert fast ausschließlich unverkennbare Jungsfilme dreht, das, was man im Englischen „on a roll“ nennt: Er hat seinen Groove gefunden, wirkt entspannter und in sich ruhender. Und macht einen Film nach dem anderen: „The Ministry of Ungentlemanly Warfare“ ist sein fünfter Film seit Beginn seiner Renaissance, seine sechste Arbeit, wenn man noch den wunderbaren diesjährigen Serien-Spinoff von „The Gentlemen“ (hier unsere SPOT-Besprechung) mitrechnet, und mit „In the Grey“ ist bereits der nächste Film abgedreht, wieder mit den „Ministry“-Stars Henry Cavill und Eiza González sowie „The Covenant“-Hauptdarsteller Jake Gyllenhaal in den Hauptrollen, großteils auch in Wien gedreht. Mit einem Budget von 60 Millionen Dollar der neue Film die größte Produktion Ritchies seit der Hollywood-Abkehr, gleichzeitig ist er aber auch mit einer Nachlässigkeit gedreht, die man als Schludrigkeit abtun könnte, wenn man nicht wüsste, dass Ritchie als Perfektionist genau diese Nachlässigkeit als bewusstes Stilmittel verwendet, nicht zuletzt um seiner Abneigung gegen Nazis – zuletzt schon in „The Gentlemen“ nachdrücklich unterstrichen – Ausdruck zu verleihen.

Aber klar, das wirkt am Anfang schon auch arg aus der Hüfte geschossen, wenn der Regisseur zu Beginn seines Films seine Rogue’s Gallery rund um Henry Cavill als historisch verbürgten Major Gus March-Phillips vorstellt, wie sie an Bord eines Segelschiffs von einem deutschen Kreuzschiff auf offenem Gewässer kontrolliert werden. Es sind die bestaussehenden Männer, die jemals Nazis gehasst haben, als hätte man GQ-Models fünf Tage lang einen Bart wachsen lassen und dann in den Krieg geschickt: der fesche Henry Goldingals Freddy Alvarez, der hübsche Hero Fiennes Tiffin als Henry Hayes und Alan Ritchson als Anders Lassen. Sie geben eine hervorragende Figur ab, nur bei „Racher“-Star Ritchson in seinen Karottenjeans scheint das Memo nicht angekommen zu sein, dass sich die Operation Postmaster im Jahr 1942 abspielt. Egal. Er geht vorzüglich mit Pfeil und Bogen um. Das zählt. Später werden sie unterstützt werden von der bildschönen Eiza González und Babs Olusanmokun an ihrer Seite, wie dann auch vom kernigen Alex Pettyfer als Geoffrey Appleyard, den man erst einmal aus dem Gefängnis befreien muss, wo man ihn foltert mit Elektroden an seinen Brustnippeln, was ihn aber nicht weiter stört. Was einen nicht tötet in Filmen von Guy Ritchie, härtet ab und bildet den Charakter eines Gentlemans, der nur in der Schlacht seine Manieren vergisst.

Die titelgebende Sondereinheit gab es wirklich, berühmterweise gehörte ihr von administrativer Seite Ian Fleming an, dem nachgesagt wird, seinen James Bond nach dem Vorbild von Gus March-Phillips geformt zu haben. Wobei es unwahrscheinlich scheint, dass 007 jemals mit wallendem Haar, rauschendem Bart und cool über die Schultern geworfenen SS-Ledermantel zur Tat zu schreiten. Aus diesem Auftritt spricht doch eher Henry Cavills Wunsch, ein mindestens ebenso guter inglourioser Basterd zu sein wie Brad Pitt und Eli Roth. Er macht das gut. Müsste aber gar nicht in Richtung Fiktion Tarantinos schielen, wo man doch aus der realen Geschichte dieses sehr besonderen Einsatztrupps, der unter Churchills persönlicher Schirmherrschaft für schmutzige Jobs zur Verwendung kam, üppig schöpfen kann. 

Die Geschichte hier ist jedenfalls verbürgt, auch wenn sie sich wohl nicht haargenau so abgespielt haben dürfte, wie es Ritchie hier seinem Publikum als pure wish fulfilment um die Ohren haut, oftmals wenig interessiert oder zumindest spürbar gelangweilt, wenn es um so lästige Dinge wie Exposition oder Spannungsaufbau geht. Hat der Mann schon hundertmal originell gemacht, beim 101. Mal darf man’s dann auch einmal abhaken und direkt in medias res gehen. Das passt bei einer so beschwingten Schnurre, in der das noch nicht gegründete „Ministry“ in seiner origin story den Auftrag erhält, ein berüchtigtes deutsches Schlachtschiff zu versenken, das entscheidenden Anteil daran hat, dass deutsche U-Boote eine ernstzunehmende Gefahr für die sich konstituierenden Alliierten darstellen. Das hat dann natürlich einen wunderbaren Haken, als die Mission bereits in vollem Gange ist, nämlich die Erkenntnis, dass besagtes Schiff so massiv verstärkt wurde, dass man es nicht versenken kann. Die Lösung des Problems ist so gut, dass Ritchie innerlich gewiss vor Freude geweint hat. Wenn man die Besetzungsliste nicht kennt, wird man gewiss erstaunt sein, wenn Til Schweiger nach einer gewissen Laufzeit als Bösewicht Heinrich Luhr auftaucht, der so herrenrassisch und Nazi ist, wie es der Name insinuiert. Es ist eine tolle Rolle für Schweiger, der hier richtig Spaß macht speziell im Zusammenspiel mit Eiza González. Ihr frivoles game of oneupmanship ist eines der Highlights des Films, der ansonsten seine sichtliche Freude hat, dem Nazipack zu zeigen, wo der Hammer (oder die Axt oder das Messer oder der Bogen oder die Ladung TNT) hängt. Macht Spaß. Weswegen die Besprechung jetzt auch bei uns kommt, mit uncharakteristischer Verspätung. Der Film ist es wert.

Thomas Schultze