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REVIEW KINO: „Was will der Lama mit dem Gewehr?“

Verschmitzt erzähltes Drama über einen Lama im Königreich Bhutan, der einen jungen Mönch beauftragt, ihm ein Gewehr zu beschaffen.

CREDITS:
O-Titel: The Monk and the Gun; Land / Jahr: Bhutan / Taiwan 2023; Laufzeit: 107 Minuten; Regie & Drehbuch: Pawo Choyning Dorji; Besetzung: Tandin Wangchuk, Kelsang Choejey, Deki Lhamo, Pema Zangmo Sherpa, Tandim Sonam, Harry Einhorn; Verleih: MFA+; Start: 1. August 2024

REVIEW:
Einmal hat Pawo Chyoning Dorji bereits Filmgeschichte geschrieben, vor fünf Jahren, als er mit seinem Debüt, „Lunana – Das Glück iegt im Himalaya“, damals mit einem sehr kleinen Kinostart in Deutschland im Verleih von Kairos, erstmals eine Produktion aus Bhutan in die Nominiertenliste der Oscars eintrug. Sein neuer Film ist noch viel besser, ein Quantensprung einerseits und ein Spagat andererseits, dem es gelingt, seine Geschichte mit dem Königreich Bhutan im Herzen und der Weltsicht des Westen im Blick zu erzählen und dabei in eine Welt einzutauchen, die den meisten Kinogängern vor der Sichtung von „Was will der Lama mit dem Gewehr?“ kein Begriff gewesen sein wird und die man danach in sein Herz geschlossen hat. 

„Was will der Lama mit dem Gewehr?“ (Credit: MFA+)

Natürlich ist es erst einmal faszinierend, sich in die Welt vorzutasten, die Dorji mit großem Selbstbewusstsein und ebenso so großer Liebe vor dem Zuschauer ausbreitet. Ein Königreich, in dem die Menschen glücklich sind und Errungenschaften wie das Internet und das Fernsehen nicht deshalb erhalten, weil sie es sich wünschen oder einfordern würden, sondern weil ihr Monarch findet, dass die Menschen es verdient haben. Das gilt ebenfalls für demokratische Wahlen, weniger ein revolutionäres als ein unverständliches Konzept für die Menschen in Bhutan: Warum sollte man etwas wählen, wenn man zufrieden ist, wie es ist? Dass der gelbe Kandidat mit haushohem Abstand gewinnt, hat dann auch nichts mit dessen politischen Konzepten zu tun, sondern weil Gelb die Farbe des Königs ist. Und die findet man gut in Bhutan. 

Man schreibt irgendein ein Jahr, nachdem Daniel Craig der neue James Bond geworden ist. Zumindest sieht man im Fernsehen Bilder aus „Ein Quantum Trost“ flimmern, also wird es wohl um 2010 sein. Warum dieser Mann so viel rennt und mit einer Pistole herumfuchtelt, ist indes ein Konzept, das den Menschen in Bhutan Rätsel aufgibt: Mit ihrem Leben hat das nichts zu tun, und doch ist offensichtlich, dass auch hier, einem der letzten Orte auf der Welt, der ans World Wide Web angeschlossen wird, die Zeit nicht stehenbliebt, dass ein erster Schritt getan ist in die Richtung der Welt des Amerikaners, der hier auftaucht und verbissen nach einem alten Gewehr aus der Zeit des Bürgerkriegs fahndet. Dieses Gewehr ist indes im Besitz eines jungen Mönchs, der von einem Lama den Auftrag erhalten hat, für ihn eine Schusswaffe zu finden. 

Bei den Menschen steigt die Aufregung: Wenn der Lama eine Waffe haben will, dann wird es einen guten Grund geben und zu ihrem Guten sein. Jedenfalls ist er nicht James Bond. Wie sich die verschiedenen Stränge dann jedoch zusammenfügen, das ist sehr geschickt gemacht von Pawo Chyoning Dorji und so wundersam, wie die Welt, die er uns erleben lässt. Der Film lebt von seinen Farben und Texturen. Er lebt von seinen Menschen, die viel klüger sind, als man es glauben will, ein bisschen wie die ländliche Gemeinde in Ryūsuke Hamaguchis „Evil Does Not Exist“, der auf seine Weise ebenfalls das Hohelied auf das einfache Leben sang, dabei aber längst nicht so humorvoll und großzügig war. 

Thomas Schultze