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REVIEW KINO: „Sleeping Dogs – Manche Lügen sterben nie“

Thriller über einen Cop mit Alzheimer, der einen alten Fall aufrollen soll – auch wenn er sich selbst kaum mehr daran erinnern kann. 

CREDITS:
O-Titel: Sleeping Dogs, Land / Jahr: USA 2024; Laufzeit: 110 Minuten; Regie: Adam Cooper; Drehbuch: Adam Cooper, Bill Collage; Besetzung: Russell Crowe, Karen Gillan, Márton Csôkas, Tommy Flanagan, Harry Greenwood; Verleih: Paramount; Start: 29. August 2024

REVIEW:
Vom sperrigen deutschen Titel darf man sich nicht abschrecken lassen. „Manche Lügen sterben nie“, heißt es in der Unterzeile. Stimmt schon. Aber in Wahrheit geht’s um die „Sleeping Dogs“, die „schlafenden Hunde“, die man nicht wecken soll. Genau das tut Roy Freeman, Ex-Ermittler bei der Mordkommission. Pensioniert. Er leidet an Alzheimer, an Gedächtnisschwund. Seine Wohnung klebt voller Zettel, Post-Its, die ihm helfen sollen seinen Alltag zu meistern. Seinen Namen hat er darauf notiert, seine Adresse, seinen Geburtstag…   

„Sleeping Dogs“ mit Russell Crowe (Credit: Paramount)

Wuchtig, schwerfällig schiebt sich Oscar-Preisträger Russell Crowe ins Bild. Zerfurchtes Gesicht, grauer Bart, kurzer Mantel, schwarze Mütze. Die verbirgt die Narbe auf seinem Kopf. Folge einer experimentellen Behandlung, die ihm helfen soll, verlorene Erinnerungen zurückzugewinnen. Die braucht er, als ein zum Tode Verurteilter (Pacharo Mzembe) ihn bittet, den Fall, den er als Detective einst bearbeitet hat, wieder aufzurollen. Er will den Mord an einem selbstgefälligen Universitätsprofessor (Márton Csôkas) nicht begangen haben.

Prototypisches Krimiterrain, aufbereitet als Neo-Noir. Im Genre ist der souverän aufspielende Crowe versiert. In „L.A. Confidential“ ließ er die Muskeln spielen. Hier ist sein Gehirn – analog zu seinem Part in „A Beautiful Mind“ – gefragt, das beim (Anti-)Helden langsam wieder auf Touren kommt. Bruchstückhaft. In Form kunstvoll verwobener Flashbacks. Wie ein Puzzle setzt sich die Handlung allmählich zusammen. Immer neue Wendungen überraschen. 

Einmal mehr Genie und Wahnsinn. Vielleicht wäre das Vergessen die größere Gnade. 

Auf dem Roman „Das Buch der Spiegel“ von E.O. Chirovici fußt das Skript von Regiedebütant Adam Cooper, den man als Drehbuchautor von „Assassin‘s Creed“ oder „Exodus: Götter und Könige“ kennt. Gemeinsam mit seinem bewährten Schreibpartner Bill Collage hat er das Skript verfasst. Ausgeprägter Stilwillen zeichnet ihn aus. Die verschiedenen Figuren – darunter Karen Gillan („Avengers: Endgame“), die als Femme fatale auf den Spuren von Barbara Stanwycks „Frau ohne Gewissen“ wandelt – werden sorgfältig gezeichnet. Jeder ist – nebst eingeblendetem Namen – ein eigenständiges Kapitel gewidmet. Das geschehen, werden die Ereignisse aus deren Perspektive geschildert. Persönliche Wahrnehmung und Wahrheit sind grundverschiedene Dinge. Ein Kunstgriff, der an Akira Kurosawas „Rashomon“ erinnert.  

Bestechend ist die gesamte technische Umsetzung. In gedeckten Farben hält Ben Nott („Nautilus“) seine atmosphärischen Aufnahmen – möglicherweise hat John M. Stahls Farb-Noir „Todsünde“ (1945) Pate gestanden –, die der an der klassischen Musik orientierte dramatische Score von David Hirschfelder(„Elizabeth“) pointiert untermalt. Die Ausstattung ist stimmig, in passende Kleidung hat Zed Dragojlovich („Die Newsreader“) die allesamt solide agierenden Darsteller gesteckt. Die Arbeit, die mit überraschend wenig Action auskommt – und wenn doch, explodiert die Gewalt –, trägt jedoch Sympathieträger Crowe auf seinen breiten Schultern, bestens unterstützt von seinem Cop-Partner und Co-Star Tommy Flanagan, mit dem er bereits bei Ridley Scott als „Gladiator“ in der Arena gestanden hat. 

Gebhard Hölzl