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REVIEW KINO: „Robot Dreams“

Köstlicher Animationsfilm über einen einsamen Hund, der einen Roboter als Kompagnon kauft und das Leben in New York City in den Achtzigerjahren von einer neuen Seite sehen lernt. 

CREDITS:
O-Titel: Robot Dreams; Land/Jahr: Spanien 2023; Laufzeit: 102 Minuten; Regie: Pablo Berger; Verleih: Plaion; Start: 9. Mai 2024

REVIEW:
„Robot Dreams“ ist ein trügerisch einfacher Film. Ein entwaffnender Film. Über Freundschaft und Gemeinschaft, gestaltet in simpler 2D-Animation und nahezu ohne Dialog, mit ganz klaren Strichen, fast naiv und kindlich in seiner Ausarbeitung. Entsprechend ist die Erzählung. Warm, liebenswert, sympathisch. Mit einem Humor, der sich nahtlos fügt in das herzliche Narrativ. Und eins zu eins übernommen wurde von dem spanischen Regisseur Pablo Berger, vor einem Jahrzehnt schon einmal Tagesgespräch mit seinem exquisiten und ebenso ausdrucksstarken „Blancanieves“ sowie Macher des lokalen Publikumserfolgs „Torremolinos 73“, aus der Vorlage der amerikanischen Illustratorin Sara Varon. Sie erzählt bevorzugt von Freundschaften ungleicher Paare, aber nirgends hat sie es bislang beeindruckender und nachhaltiger gemacht als hier.

Liebesbrief an New York City – im Hintergrund das Dakota Building (Credit: Plaion Pictures)

Seit ihrem Debüt beim letztjährigen Festival de Cannes in einer Sondervorführung für Kinder hat die erste Animationsarbeit Bergers eine beeindruckende Karriere hingelegt, die in einer – verdienten! – Nominierung für einen Animations-Oscar gipfelte. Die Geschichte spielt im New York City der Achtzigerjahre – gleich in der ersten Panorama-Ansicht erhascht man einen Blick auf das World Trade Center. Pablo Berger erweckt die Stadt auf gerade bestechend liebevolle Weise zu Leben, wie es nur jemand kann, der es damals selbst erlebt hat, wie viele kleine Details nahelegen, der Blick auf das legendäre Kim’s Video am St. Mark’s Place oder dem Strand Book Store am Broadway oder der hundertprozentig Zeit und Ort zuzuordnende Punksong „I Hate Hate“ von Reagan Youth und natürlich die vielen Straßenmusikanten, die Eisverkäufer im Central Park oder die Menschenmassen am Strand von Coney Island, von der herrlichen Halloween-Sequenz gar nicht zu sprechen mit ihren Verweisen auf „Shining“ und „Nightmare on Elm Street“. Mehr New York geht nicht. Schon gar nicht in einem Animationsfilm. 

Das ist die Kulisse für die Geschichte eines allein in der Lower East Side lebenden Hundes, der nicht mehr länger einsam sein will und sich aufgrund einer Fernsehwerbung bei der Berger Corp. (In-Joke!) einen Roboter als künftigen Kompagnon bestellt. Leitmotivisch begleitet von dem Song „September“ von Earth, Wind and Fire, den man in der Originalversion, aber auch in Variationen zu hören bekommt, entdeckt der Hund die Stadt noch einmal neu mit dem Roboter an seiner Seite, für den jeder Block eine neue Entdeckung und Lebenserfahrung bereithält. Life is what you make it. Es ist aber auch in „Robot Dreams“ nicht ohne Gefahren, wie der Hund feststellen muss, als der Roboter sich im Überschwang der Gefühle in die Wassermassen stürzt und nach einem Kurzschluss rostend im Sand liegenbleibt. Die Rettung gestaltet sich schwieriger als gedacht und ist das eigentliche Abenteuer des Films, der einen auch dazu einlädt der „yellow brick road“ aus „Wizard of Oz“ zu folgen.

Die pfiffig und temporeich erzählte Freundschaftsgeschichte wird das Kinderpublikum ansprechen, während Erwachsene sich angesprochen fühlen können von dem sich durch den Film ziehenden Thema von Einsamkeit und Umgang mit Verlust. Und doch bleibt „Robot Dreams“ immer leicht, immer ein Vergnügen, immer ein Genuss, immer ein Erlebnis, immer eine Ode an die guten Dinge im Leben und den Big Apple, umgesetzt mit einer schieren Freude am Erzählen und Lust am Fabulieren, dass man schier nicht glauben will, dass es sich, wie bereits erwähnt, um einen Animationserstling handelt, den man künftig in einem Atemzug mit dem anderen Roboter-Zeichentrickklassiker, „The Iron Giant“ von Brad Bird, nennen sollte. 

Thomas Schultze