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REVIEW KINO: „Nightwatch: Demons Are Forever“ 

Stimmungsvolle, wenngleich formelhafte Fortsetzung von Ole Bornedals Horrorklassiker aus dem Jahr 1994.

CREDITS:
O-Titel: Nattevagten – Dæmoner går i arv; Land/Jahr: Dänemark 2023; Laufzeit: 114 Minuten; Regie: Ole Bornedal; Drehbuch: Ole Bornedal; Besetzung: Fanny Leander Bornedal, Nikolaj Coster-Waldau, Kim Bodnia, Ulf Pilgaard, Sonja Richter, Paprika Steen; Verleih: capelight pictures; Start: 16. Mai 2024

REVIEW:
Erfolgreichster dänischer Film des Jahres, Festivalliebling, Kultklassiker des Horrorgenres: Mit seinem Kinodebüt „Nightwatch“ wurde Ole Bornedal 1994 auf Anhieb so berühmt, dass er drei Jahre später sogar das US-Remake „Freeze – Alptraum Nachtwache“ mit Ewan McGregor inszenieren durfte. Als Regisseur des von Sam Raimi produzierten Exorzismus-Thrillers „Posession – Das Dunkle in dir“ machte er 2012 noch einmal in Hollywood von sich Reden, ansonsten drehte er eine Reihe von Filmen und Serien für das dänische Fernsehen. Nun also, keine dreißig Jahre später, meldet sich Bornedal zurück mit dem Sequel seines Erstlings, für das sich spektakulärerweise auch noch einmal ein großer Teil des „überlebenden“ Casts vor der Kamera versammelt hat. 

30 Jahre später ist „Nightwatch“ immer noch ein klingender Horrorname (Credit: Capelight / Christian Geisnæs)

„Nightwatch: Demons Are Forever“ führt zurück ins forensische Institut von Kopenhagen, in dem der nekrophile Serienkiller und Kommissar Wörmer (Ulf Pilgaard) sein Unwesen trieb, bevor er ihm bei seinem letzten Mordversuch an Nachtwächter Martin (Nicolaj Coster-Waldau) und dessen Freundin Kalinka das Handwerk gelegt wurde. Traumatisiert von den Ereignissen hat sich Kalinka einige Zeit später das Leben genommen und Martin, tablettenabhängig und arbeitsunfähig, als alleinerziehenden Vater von Tochter Emma (Fanny Leander Bornedal, die Tochter des Regisseurs) zurückgelassen. Nicht zufällig tritt diese nun in die Fußstapfen ihres Vaters und übernimmt dessen Job als „Leichen-Babysitter“ in der Gerichtsmedizin. Dabei stellt sich heraus, dass Wörmer die letzten drei Jahrzehnte in einer Art komatösem Zustand in einer geschlossenen Anstalt verbracht hat. Emma sucht den Psychopathen in der Isolierzelle auf und stellt ihn zur Rede – überzeugt davon, dass die Konfrontation ihre Familie von ihrem Trauma befreien kann. Viele Anzeichen und die Psychiaterin Gunver (Sonja Richter) sprechen gegen diese Theorie: Emmas Auftauchen könnte das Böse auf allen Seiten triggern – und das Böse könnte nach Vergeltung für Wörmer suchen. Was prompt geschieht: Die Morde, die im Folgenden Emmas Bekanntenkreis dezimieren, tragen die Handschrift des damaligen Serienkillers, der seine Opfer mit dem Brotmesser skalpierte. Da dieser jedoch weiterhin einsitzt, werden alle anderen verdächtigt – insbesondere, wie schon in Teil eins, Martin. 

So kommt das Sequel zunächst wie ein modernisiertes Remake für ein wokeres Publikum daher, Witze gehen eher auf Kosten männlicher Figuren, und starke Frauen geben den Ton an, wie Emmas Kommilitonin Maria (toll: Nina Terese Rask!). Es gibt eine Menge nostalgischer Verweise auf den ersten Teil, die „Nightwatch“-Fans erfreuen werden, es gibt gruselige gekachelte Leichensäle, flackernde Deckenleuchten, düstere, menschenleere Krankenhausgänge, und es kommt weiterhin nichts Gutes dabei heraus, wenn jemand das Radio zu laut aufdreht. Die Story bietet zahlreiche Twists, ein überraschendes Finale, und eine interessante Lektion in Traumatherapie. Fanny Bornedal ist eine Entdeckung, Nikolaj Coster-Waldau berührend als gepeinigter Witwer, manch andere Figur oder Wendung lässt einen dagegen ein wenig kalt wie, nun ja, eine Leichenhalle. Während Bornedals Kultklassiker mit subtilem Grusel, Low-Budget-Charme, überzeugenden Charakteren und schwarzem Humor das Genre neu belebte, setzt die Fortsetzung stark auf bewährte Muster und Referenzen an Psychothriller wie „Das Schweigen der Lämmer“ und Slasher-Franchises wie „Scream“. Wobei man sich durchaus vorstellen kann, dass auch dieser Killer nicht zum letzten Mal das Skalpell angesetzt hat.

Corinna Götz