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REVIEW KINO: „Marcello Mio“

Chiara Mastroianni spielt sich selbst als Schauspielerin, die anfängt, sich als ihr Vater Marcello Mastroianni auszugeben.

Christophe Honorés „Marcello Mio“ mit Chiara Mastroianni (Credit: Festival de Cannes)

CREDITS:
Land / Jahr: Frankreich 2024; Laufzeit: 120 Minuten; Regie, Drehbuch: Christophe Honoré; Besetzung: Chiara Mastroianni, Catherine Deneuve, Benjamin Biolay, Melvil Paupoud, Fabrice Luchini, Nicole Garcia

REVIEW:
Sie solle mehr Mastroianni sein und weniger Deneuve, sagt Nicole Garcia bei den Proben mit Fabrice Luchini zu einem neuen Film zu Chiara Mastroianni, der seit vielen Jahren selbst als Schauspielerin und Sängerin bekannten Tochter von, richtig, Marcello Mastroianni und Catherine Deneuve. Schon davor hat sie unversehens immer wieder von ihrem Vater geträumt, dem berühmtesten aller männlichen italienischen Stars der Sechziger- und Siebzigerjahre, Hauptdarsteller einiger wichtigsten Filme von Federico Fellini und früher ein Idol, heute einer jüngeren Generation womöglich weitestgehend kein Begriff mehr. 

Aber diese unmögliche Anmerkung ist schließlich der entscheidende Auslöser für die Schauspielerin, ihr eigenes Ich zurückzulassen und die Rolle ihres Vaters anzunehmen, sich wie er zu kleiden in einem eleganten Anzug und schwarzer Krawatte und sich „Marcello“ nennen zu lassen. Wie Catherine Deneuve in einer frühen Szene des trunkenen Vexierspiels von Christoph Honoré anmerkt, sehe man durchaus auch ihre Züge im Gesicht der Tochter. Dass man in ihr indes sofort den Vater sieht, lässt sich nicht von der Hand weisen. Und bildet die Grundlage für den Film, mit dem Honoré sechs Jahre nach seiner schwulen Liebesgeschichte „Sorry Angel“ in den Wettbewerb von Cannes zurückkehrt. 

Mehr Meta geht nicht. Und sehr viel französischer ist auch nicht möglich. „Marcello Mio“ ist ein gefilmter Traum, in dem sich Erinnerungen an Marcello Mastroianni und seine Filme nahtlos verbinden mit einem Narrativ, in dem eine Schauspielerin, die sich selbst und dann auch ihren Vater spielt, nach sich selbst sucht, ihre Identität und den Antrieb ihrer Kreativität zu finden versucht. Christophe Honoré setzt damit Marcello Mastroianni ebenso ein Denkmal wie der Tochter, ist verspielt wie seit seinem Musical „Chanson der Liebe“ nicht mehr, in dem Chiara Mastroianni bereits einer der Hauptrollen gespielt hatte. 

Immer wieder neue Ansätze findet der Film, seine Hauptdarstellerin neue Seiten von sich und ihrem Vater zu finden. Nicht nur sie ist mutig dabei: Ihre Mutter ebenso wie die bereits erwähnten Fabrice Luchini und Nicole Garcia, aber auch ihrer Ex-Ehemann Benjamin Biolay und ihr langjähriger Freunde und Weggefährte Melvil Poupaud spielen sich selbst in diesem wissenden Reigen, der das Starkino feiert, es gleichzeitig aber auch in tausend kleine Einzelteile zersplittern lässt. Es strahlt, was dabei herauskommt. Und lädt das Publikum ein, sich mit zu begeben auf diese Spurensuche einer Vergangenheit, die es vielleicht nur in der Erinnerung gibt, durch Paris einzulassen. Schöne Sache. 

Thomas Schultze