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REVIEW KINO: „It’s Raining Men“

Französische Komödie mit Laure Calamy, die sich als verheiratete, sexuell vernachlässigte Frau in das Abenteuer Dating-App schmeißt. 

CREDITS:
O-Titel: Iris et les hommes; Land/Jahr: Frankreich 2023; Laufzeit: 98 Minuten; Regie: Caroline Vignal; Drehbuch: Caroline Vignal, Noémie de Lapparent; Besetzung: Laure Calamy, Vincent Elbaz, Suzanne De Baecque, Sylvain Katan; Verleih: X Verleih; Start: 9. Mai 2024

REVIEW: 
Dass es Iris in ihrem Leben an etwas mangelt, erlebt man gleich in der ersten, köstlich komischen Szene von „It’s Raining Men“, der neuen Komödie von Caroline Vignal, die mit „Mein Liebhaber, der Esel und ich“ bereits auf sich aufmerksam gemacht hat. Der Besuch bei ihrem Osteopathen sollte eigentlich Standard sein, aber Iris kostet die menschliche Nähe und die Berührungen aus, als handele es sich um eine sexuelle Erleuchtung. Was kein Wunder ist, wie wir erfahren: Die Zahnärztin liebt ihren Mann zwar unverändert, aber im Bett herrscht Flaute, seit mehr als vier Jahren. Weshalb sich Iris auf die Empfehlung einlässt, sich bei einem der gängigen Datingdienste für ein Abenteuer anzumelden, und sich auf einmal vor Angeboten männlicher Galane nicht mehr retten kann.

Laure Calamy begibt sich per App auf sexuelle Entdeckungsreise (Foto: X Verleih)

Sehr französisch ist „It’s Raining Men“ geraten, ein sehr schöner, beschwingter Film primär für eine weibliche Zielgruppe über eine Frau, die über ihren Körper und ihre Lust bestimmen will, ohne sich dabei ein schlechtes Gewissen einzureden. Lustig sind die Begegnungen mit den Männern, aber immer auch profund, weil es Caroline Vignal gelingt, ganz den einzelnen Moment auszureizen, aber immer auch zu zeigen, wie Iris dabei mehr über sich lernt und die Erfahrung auskostet. Nach ihrer ersten Eskapade sitzt Iris im Auto, eine veränderte, erfülltere Frau, die den Fahrer bittet, das Radio aufzudrehen. Eine tolle Szene, wie die wunderbare Laure Calamy, einem deutschen Publikum vor allem durch die Serie „Call My Agent“ bekannt und auch schon die Hauptdarstellerin von „Mein Liebhaber, der Esel und ich“, da auf der Hinterbank sitzt und förmlich strahlt. 

Nun könnten sich aus dieser Situation viele Geschichten entfalten. Caroline Vignal macht die Geschichte einer weiblichen Wiedererweckung daraus, einer Frau, die die Kontrolle über ihr Leben zurückgewinnt. In einer weiteren tollen Szene, sozusagen das Centerpiece des Films, das ein bisschen erinnert an einen vergleichbaren Moment in „Der schlimmste Mensch der Welt“, verlässt Iris die Wohnung ihres Liebhabers, wirft auf dem Vorplatz des Miethauses Mantel und Tasche ab und beginnt in ihrem roten Kleid auf offener Straße zu tanzen und eine französische Version des Weather-Girls-Klassikers „It’s Raining Men“ zu singen, begleitet von einem Flash Mob mit einer einstudierten mitreißenden Choreographie, Ausdruck purer Lebensfreude. Aber ganz so einfach macht es „It’s Raining Men“ seiner Hauptfigur dann doch nicht. Weil immer auch klar ist, dass Iris ihren Mann liebt und einen Weg zu finden versucht, ihre wiedererwachte Lust an der Lust in ihr reguläres Alltagsleben einzuführen, was zu unerwarteten Problemen im Familienverbund führt. 

Während Iris also ihre Sexualität auslotet und sich immer wohler damit fühlt, steht alsbald fest, dass die Entdeckungsreise auf diese Weise nicht ewig weitergehen kann. Ein bisschen Drama steckt also schon auch drin in diesem, nunja, Wohlfühlfilm der etwas anderen Art, der vor allem deshalb so viel Freude macht, weil er nie den Stab bricht über seine Figuren, kein Geschlechterkampf ausgerufen wird, das Leben nimmt, wie es kommt, eine positive Komödie mit Penis-Pix und Auberginen-Emojis. Oh la la. Und die das Frausein feiert als komplexe und bisweilen auch widersprüchliche Erfahrung. Und dann läuft der Titelsong aus „Un homme et une femme“. Alles ist gut. 

Thomas Schultze