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REVIEW KINO: „Immer wieder Dienstag“

Beschwingt-nachdenkliche Komödie über eine Frau, die nach 40 Jahren Ehe endlich einmal ein bisschen etwas von ihrem eigenen Leben haben will.

CREDITS:
O-Titel: Tisdagsklubben; Land / Jahr: Schweden 2022; Laufzeit: 102 Minuten; Regie: Annika Appelin; Drehbuch: Anna Fredriksson; Besetzung: Marie Richardson, Peter Stormare, Carina M. Johansson, Sussie Ericsson, Björn Kjellman, Ida Engvoll; Verleih: 24 Bilder; Start: 12. September 2024

REVIEW:
Kino als Streicheleinheit, als Futter für die Seele. „Immer wieder Dienstag“ beherrscht sein Handwerk perfekt, das bereits 2022 entstandene Kinoregiedebüt von Annika Appelin, die mit einem Drehbuch von Anna Fredriksson arbeitet und ganz souverän eigentlich jedes Knöpfchen richtig drückt, das man bei dieser Form von positivem Ermächtigungskino drücken muss. Naja, das eine oder andere Mal wird auch etwas dick aufgetragen, eine Geburtstagsparty mit Cowboy-Thema in einem Stall ist vielleicht einen Tick too much. Aber die Macherinnen wollen, dass sich das angestrebte Zielpublikum von Frauen eines gewissen Alters in ihren Film hüllen kann wie in eine kuschelige Decke. Der Film bietet Wiedererkennungswerte, Identifikationsfiguren und eine optimistische Haltung, dass es nie zu spät ist, den eigenen Lebensweg zu gehen. 

„Immer wieder Dienstag“ mit Peter Stormare und Marie Richardson (Credit: 24 Bilder)

Am Anfang ist da eine Familie: Mutter, Vater, Tochter. Am Ende ist die eine Mutter mit neuem Mann, ein Vater mit neuer Frau und eine Tochter, die mit 40 endlich auch einen Lebensgefährten gefunden hat. Dazwischen wird mit sympathischem Humor und warmen Bildern die Geschichte von Pia erzählt, die ausgerechnet am Tag ihrer Rubinhochzeit herausfindet, dass ihr Mann Sten, mit dem sie eigentlich ihr komplettes erwachsenes Leben verbracht hat, eine Affäre hat. „Wir haben junge geheiratet und dann gleich Fredrika bekommen, und das war das“, wird Pia, gespielt von der patenten und feinfühligen Marie Richardson, mehrmals erzählen, um zu erklären, warum sie nie ihrer Passion und dem unverkennbaren Talent für die Küche nachgegangen ist. 

Diese Chance bietet sich jetzt. Mit zwei guten Freundinnen schreibt sie sich in Göteborg ein in einen Kochkurs für fortgeschrittene asiatische Küche, wo sie immer wieder am Dienstag mit einer kleinen Gruppe zusammenkommen, um sich zunächst einmal von dem ruppigen Chefkoch Henrik anschnauzen lassen müssen. Dass Peter Stormare das perfekt beherrscht, hat er in seiner vier Jahrzehnte umfassenden Karriere (drei stellvertretende Highlights aus seiner Schurkengalerie: „Fargo“, „8MM“, „Constantine“) wiederholt unter Beweis gestellt. Dass sich sein düsteres Gesicht auch aufhellen und er mit seinem Lächeln die Sonne aufgehen lassen kann, zeigt er hier. Es ist nicht so, dass in „Immer wieder Dienstag“ irgendetwas passieren würde, was man nicht erwartet, perfekt verinnerlicht von zahllosen britischen Filmen in dieser Art mit wahlweise Emma Thompson, Julie Walters, Miranda Richardson und jüngst immer öfter Lesley Manville in den Hauptrollen. 

„Immer wieder Dienstag“ (Credit: 24 Bilder)

Aber genau die Berechenbarkeit macht hier auch den Charme aus, weil es doch viel mehr um das Wie als das Was geht, auf den liebevollen Blick auf die Figuren und eine generell heitere Disposition, eine Offenheit und Lust an der Entdeckung. Immer wieder tauschen sich die Frauen aus über ihr Leben, über das, was gut gelaufen ist, und das, was man in den Sand gesetzt hat. Stets können sie darüber lachen, bei einem abendlichen Gläschen Wein und zunehmend immer besserem Essen, das sie selbst zubereitet. Und um neue Wege geht es, die man gemeinsam beschreiten kann oder auch allein, Hauptsache, man beschreitet sie. Das mag man als profan oder leichtgewichtig zeihen, vielleicht auch als realitätsfremd. Aber gut tut es allemal. Und im Sountrack läuft, wenig subtil, aber effektiv, „Ain’t No Mountain High Enough“ (muss auch einmal bei einer gemeinsamen Autofahrt lauthals gesungen werden)

Thomas Schultze