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REVIEW KINO: „Eternal You – Vom Ende der Endlichkeit“

Neue Doku der Macher von „The Cleaners / Im Schatten der Netzwelt“, die untersucht, was passieren wird, wenn KI den Tod nicht mehr die letzte Grenze in der menschlichen Existenz sein lässt. 

CREDITS:
Land/Jahr: Deutschland 2024; Laufzeit: 87 Minuten; Regie & Drehbuch: Hans Block, Moritz Riesewieck; Verleih: Farbfilm; Start: 20. Juni 2024

REVIEW:
Millionen, die heute leben, würden niemals sterben, proklamierten die Post-Rock-Pioniere Tortoise auf eben jenem Album aus dem Jahr 1996. Knapp 30 Jahre später macht die Menschheit mit den Möglichkeiten von KI entscheidende Schritte in diese Richtung. Das ist das Thema des neuen Dokumentarfilms von Hans Block und Moritz Riesewieck, den sie fünf Jahre nach „The Cleaners / Im Schatten der Netzwelt“ erneut auf dem Sundance Film Festival vorstellten. „Eternal You“, abermals produziert von den Beetz-Brüdern und Georg Tschurtschenthaler, ist ein logischer Schritt nach „The Cleaners“ und ihrer Folgearbeit „Made to Measure“, ein erneuter Deep Dive in die Möglichkeiten und Anwendungen neuer Technologie und welche Auswirkungen sie auf das menschliche Leben haben, wie sie wohl beeinflussen könnten, wie wir uns als Menschen definieren.

Ausgangspunkt ist die Website „Project December“ des Programmierers Jason Rohrer, die es mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz möglich macht, virtuell Kontakt mir Verstorbenen aufzunehmen und mit Textnachrichten mit ihnen zu kommunizieren. Es ist ein kluger, anekdotischer Einstieg in eine zunehmend philosophische Betrachtung, was es bedeutet, Mensch zu sein in einer Welt, die mehr und mehr von Technologie bestimmt und gesteuert wird. Was ist die Seele – wenn es längst Firmen gibt, die mit eigenen Algorithmen dem auf die Spur kommen wollen, was uns ausmacht? Im Kern steckt ebenso aber auch ein Film über die Auswüchse des Turbokapitalismus, mit dem die letzten Grenzen eingerissen werden, womit man Geld verdienen kann, auch wenn man es vielleicht nicht sollte. 

Block und Reisewieck verpacken das in stimmungsvolle Bilder, die die Leinwand ausfüllen, und unterlegen sie mit stimmiger Musik, verstehen es geschickt, leichtere und bisweilen humorvolle Aspekte abzustimmen mit Überlegungen und Aussagen, in denen es durchaus ans Eingemachte geht. So entsteht das nachdenkliche, manchmal erschreckende und doch auch unterhaltsame Bild einer noch gar nicht abzusehbaren Welt mit unendlichen Möglichkeiten, in der Avatare dafür sorgen könnten, dass Millionen, die heute leben, tatsächlich niemals sterben werden. Und was es bedeuten wird, in ihr zu leben. Oder eben nicht.

Thomas Schultze