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REVIEW KINO: „Die Unbeugsamen 2 – Guten Morgen, ihr Schönen!“

Fortsetzung des Dokumentarfilmerfolgs von 2021, in dessen Mittelpunkt diesmal politisch engagierte Frauen aus der DDR stehen.

CREDITS:
Land / Jahr: Deutschland 2024; Laufzeit: 104 Minuten; Regie & Drehbuch: Torsten Körner; Besetzung: Katrin Sass, Amrei Bauer, Kerstin Bienert, Marina Grasse, Katja Lange-Müller, Solveig Leo, Barbara Mädler, Tina Powileit, Gabriele Stötzer; Verleih: Majestic; Start: 29. August 2024

REVIEW:
Guten Morgen, du schöner Film. Es ist nicht so, dass „Die Unbeugsamen 2 – Guten Morgen, ihr Schönen“ nicht auf eigenen Beinen stehen könne. Torsten Körners Porträt von 15 Frauen, die mit dem Rückblick aus der Gegenwart über ihre Erfahrungen als Frau im Arbeiter- und Bauernstaat erzählen, geht unweigerlich zu Herzen und manchmal auch an die Nieren. Aber vielleicht darf man doch noch erst einmal einen Blick werfen auf „Die Unbeugsamen“ aus dem Jahr 2021, produziert ebenfalls von Leopold Hoesch mit seiner Broadview Pictures, der in eben diesem Jahr mit 200.000 Tickets der meistgesehene Dokumentarfilm war und ebenso auch der erfolgreichste deutsche Independentfilm. Darin nahm Körner, ein Spezialist für politische Dokus, beginnend 2016 mit „Angela Merkel: Die Unerwartete“, Frauen aus dem Parteienspektrum der BRD nach dem Zweiten Weltkrieg ins Visier, die über ihre verschiedenen politischen Überzeugungen hinweg davon erzählen, wie sie sich in einem überaus verknöcherten, patriarchalischen Land auf der Suche nach einer Identität durchsetzen und nachhaltige Akzente setzen konnten. 

Torsten Körners „Die Unbeugsamen 2“ mit Katja Lange-Müller (Anne Misselwitz / Broadview Pictures)

Auch ohne den kommerziellen Erfolg im Rücken erscheint es naheliegend, dem unterhaltsamen und lehrreichen Streifzug durch die Gründerjahre der BRD einen Film über die DDR folgen zu lassen, wenngleich ebenso naheliegend ist, dass eine solche Fortsetzung anders gestaltet sein müsste: Das Ein-Parteien-System macht die Prämisse unmöglich, einen Blick über die verschiedenen Parteien hinweg zu werfen. Körner erweitert also konsequent den Fokus, macht aus „Die Unbeugsamen 2“ ein Gesellschaftsporträt über Frauen und ihre politische Haltung, holt für die Kamera ebenso in Politik und Staat involvierte Akteurinnen wie auch Künstlerinnen, allesamt vereint durch dasselbe System, aber doch mit grundlegend divergierenden Haltungen. Was diese Fortsetzung so interessant macht, ist der Umstand, dass es sich um eine ergebnisoffene Anordnung handelt. Torsten Körner hat die 15 Frauen nicht versammelt, um einen Punkt zu machen, sondern um neugierig zu sein, genuin interessiert, was sie zu erzählen haben.

Und mehr noch: Wie sie es zu erzählen haben mögen. Die inhaltliche Anordnung ist nur ein Rahmen, um die Protagonistinnen vorzustellen, jede von ihnen faszinierend und auf ihre Weise eine wunderbare Erzählerin. Ob nun Tina Powileit davon berichtet, wie es war als Schlagzeugerin von zunächst Mona Lise, später dann in der Begleitband von Gerhard Gundermann, als Frau Rockmusik zu machen in der DDR. Oder Solveig Leo ihre Geschichte als Vorzeige-Arbeiterin aufdeckt, die mit Haut und Haar an den Sozialismus glaubte, ohne dass ihre Hingabe ihr gedankt wurde. Oder die resolute Katja Lange-Müller, die Tochter einer führenden SED-Politikerin, die als Publizistin Widerstand leistete und das Land 1984 verlassen musste. Oder die radikale Künstlerin Gabriele Stötzer, die für ihre Überzeugungen wegen „Staatsverleumdung“ ins Gefängnis kam. Oder natürlich Renate Krößner, die vermutlich bekannteste der 15, die mit dem Film „Solo Sunny“ Geschichte schrieb. So fügt sich persönliches Schicksal an persönliches Schicksal, und es entsteht auf diese Weise ein transparentes, vielschichtiges Bild eines Landes, das es nun seit 35 Jahren nicht mehr gibt und das in gewisser Weise immer noch nicht mit den zusammengewachsen ist, mit dem es zusammengewachsen gehört. 

Torsten Körner unterfüttert die sehr persönlichen Interviews mit einer Fülle von Archivmaterial, das teilweise die Frauen, die in „Die Unbeugsamen 2“ zu Wort kommen, selbst zeigt, teilweise prägnante Impressionen der DDR liefert, wie sie selbst verstanden werden wollte. Vieles ist widersprüchlich, disparat, auseinandertreibend. Aber gerade das trägt zu dem liebevollen Blick bei, den der Film auf seine 15 Protagonistinnen wirft: Ohne das Publikum zu manipulieren oder zu führen, lässt er diese Frauen vor der Kamera einfach sein, lässt sie erzählen. Am Ende weiß man alles, was man wissen muss, ohne belehrt worden zu sein. Und man hat alle diese Frauen in sein Herz geschlossen, ihre wunderbaren Eigenheiten und ihre bewundernswerte Stärke. 

Thomas Schultze