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REVIEW KINO: „Bad Boys: Ride Or Die”

Vierter Teil des Franchise von Über-Produzent Jerry Bruckheimer, in dem Mike und Marcus den Namen ihres im dritten Teil gestorbenen Vorgesetzten Captain Howard reinwaschen müssen.

CREDITS:
Land / Jahr: USA 2024; Laufzeit: 115 Minuten; Regie: Adil & Billal; Drehbuch: Chris Bremner, Will Beall, George Gallo; Besetzung: Will Smith, Martin Lawrence, Vanessa Hudgens, Jacob Scipio, Alexander Ludwig, Paolo Núñez, Eric Dane, Ioan Gruffudd; Verleih: Sony; Start: 5. Juni 2024

REVIEW:
Schön, wieder den Blitz ganz zu Beginn zu sehen, das ikonische Signet von Simpson/Bruckheimer, ehedem Inbegriff für auf Hochglanz polierte Hollywood-Action mit eingebauter Blockbustergarantie. Man weiß, was einen erwartet. Und wird hier doch überrascht bei dem vierten „Bad Boys“-Film, dem zweiten unter inszenatorischer Schirmherrschaft der beiden belgischen Jugendfreunde Adil & Billal, die zuletzt mit „Rebel“ unter Beweis gestellt hatten, dass sie keine austauschbaren Michael-Bay-Klone sind, sondern Genrekino mit einer ganz eigenen Handschrift machen, charakterisiert von ihrem Signature-Move, der schwerelos durch den Raum wirbelnden Kamera, die einen mit Schleudertrauma zurücklässt. Das mögen sie so gern, dass man als Zuschauer auch in „Ride Or Die“ wiederholt von dieser akrobatischen Nummer herumgeschleudert wird. 

Mit zwei Nahtod-Erfahrungen eröffnet der Film: Mike Lowry, der ewige Miami-Stenz, heiratet; sein Partner Marcus Burnett, immer schon das beständige Yin zu Mikes Yang, erleidet auf der Tanzfläche einen Herzinfarkt – zu viele Hot Dogs, zu viele Skittles. Hier lassen Adil und Billal erstmals ihren Bildwitz aufblitzen: Wenn Martin Lawrence auf den Boden aufschlägt, sieht man ihn nach einem unsichtbaren Schnitt in einem Meer eintauchen und untergehen. Im Jenseits trifft er kurz den im dritten Teil verstorbenen Vorgesetzten Captain Howard, der ihn in die Arme nimmt und ihm erklärt: Seine Zeit sei noch nicht gekommen. Als Marcus im Krankenhaus die Augen aufschlägt, ist er wie ausgetauscht, ähnlich wie Jeff Bridges, der sich in „Fearless“ nach einem überlebten Flugzeugabsturz ebenfalls unsterblich gefühlt hatte. 

Das sind gute Nachrichten für „Bad Boys“-Fans: Nachdem Martin Lawrence alt und müde gewirkt hatte, der Film förmlich um ihn herum inszeniert war, ist er nun das vitale Zentrum der Handlung, voller Tatendrang, nicht mehr zögerlich und ängstlich. Überhaupt wirkt Lawrence lebendiger und dynamischer, was seinem Talent als Comedian entgegenkommt: Diesmal ist er tatsächlich richtig witzig. Und Will Smith spielt die zweite Geige (ein bisschen zumindest), als müsste er in Gestalt seiner Paraderolle des Mike Lowry filmische Abbitte leisten. Also zeigt er als „Bad Boy“ erstmals Nerven, ist verletzlich und hat buchstäblich Ladehemmung in einer erstaunlich intensiven Darstellung, wie man sie zumindest in einem solchen Film nicht unbedingt erwarten würde, hat immer noch nicht das Trauma aus dem letzten Film verarbeitet, dass er einen Sohn aus einer Affäre mit einer Drogenbaronin hatte, der zum Killer eines Kartells wurde,

Auch dieser junge Mann wird eine Rolle spielen in „Ride Or Die“. Nachdem es einem mysteriösen Söldnertrupp unter Anführung von Eric Dane gelingt, Captain Howard posthum als korrupten Cop aussehen zu lassen, nehmen die Bad Boys Kontakt zu Lowrys im Gefängnis sitzenden Sohn auf, um herauszufinden, ob es etwas auf sich hat mit den Anschuldigungen, Howard habe gemeinsame Sache mit den Kartellen gemacht. Nicht jeder Haken, den das Drehbuch von Chris Bremner und Will Beall, die schon den Vorgänger geschrieben hatten, ist zwingend glaubwürdig, aber die kinetische Inszenierung lässt einem nicht genug Zeit, Einwand zu erheben. Irgendwie muss es halt gelingen, die beiden Titelfiguren und den Sohn zu gemeinsamen Flüchtlingen werden zu lassen, hinter die im Stil eines „John Wick“-Films Gott und die Welt her sind. Wenn es nach einem überzeugenden Setpiece an Bord eines Transporthelikopters erst einmal zu Dritt durch die Sümpfe geht, findet der Film schließlich auch einen überzeugenden Actionkomödien-Groove mit pfiffigen One-Linern und dem richtigen Maß an Buddy-Kameraderie, die zuletzt etwas zu kurz kam, bis es schließlich zum Showdown kommen kann. 

Am schönsten ist ein Moment, in dem Will Smith und Martin Lawrence in einem Vigilantenlager in den Sümpfen neue Klamotten klauen, Smith ein T-Shirt mit dem Konterfei von Countrystar Reba McEntire, Lawrence einen Pulli mit „Whitebred“-Aufschrift, dabei aber von den rassistischen Rednecks gestellt und gezwungen werden, einen Song von McEntire zu singen. Als ihnen die Flucht gelingt, ertönt erstmals die „Bad Boys“-Melodie in einer neu eingespielten Countryversion von… richtig, Reba McEntire. Der Film hat einige solcher begnadeten Momente und ist gemeinhin eine Klasse besser als der Vorgänger. Und dass Michael Bay höchstpersönlich, Regisseur der beiden ersten Teile, auf ein Cameo vorbeischaut, ist ja auch eine Art Gütesiegel. 

Thomas Schultze