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REVIEW KINO: „A Killer Romance“

Köstliche ebenso romantische wie schwarze Komödie über einen unscheinbaren Philosophieprofessor, der sich für die Polizei als cooler Auftragskiller ausgibt.

CREDITS:
O-Titel: Hit Man; Land / Jahr: USA 2023; Laufzeit: 110 Minuten; Regie: Richard Linklater; Drehbuch: Richard Linklater, Glen Powell; Besetzung: Glen Powell, Adria Arjona, Retta, Austin Amelio, Molly Bernard; Verleih: Leonine Studios; Start: 4. Juli 2024

REVIEW:
Warum eine Komödie, die bei ihrer Premiere außer Konkurrenz in Venedig von so viel Beifall, Euphorie und Gelächter begleitet wurde, dass man bisweilen mit dem Einsturz des Kinosaales rechnen musste, nicht umgehend aus diesem Momentum Kapital schlägt, sondern erst einmal zehn Monate auf Eis gelegt wird, bevor sie endlich doch noch ins Kino geschickt wird, muss man nicht verstehen. In den USA ist längst jeglicher Buzz verflogen: Was ein veritabler Indiehit spätestens im Sog von „Wo die Lüge hinfällt“ hätte werden können, mit dem sich Glen Powell nach seinem Durchbruch in „Top Gun Maverick“ (Star of Tomorrow bei den CinemaCon Awards) endgültig als Star empfohlen hat, landet direkt bei Netflix und muss auf einen gnädigen Algorithmus hoffen, um die verdiente Wahrnehmung zu erfahren. In Deutschland macht ein unglücklicher, nichtssagender, obendrein englischer Titel dem jüngsten und charmantesten Film von Richard Linklater das Leben schwer, ein Starttermin während der Fußball-EM tut sein Übriges, dass man als erklärter Fan von „Hit Man“ jetzt schon Kerzen am Altar aufstellt in der Hoffnung, es möge am Startwochenende wenigstens regnen. Vielleicht aber hilft auch Mundpropaganda, was ich hiermit tun will, auch wenn sich das für einen Kritiker nicht geziemen mag.

Richard Linklaters „A Killer Romance“ (Credit: Leonine Studios)

Weil. Der. Film. Ein. HIT. Ist. 

Das Kino wird nicht neu erfunden. Ein bisschen rumpelt und pumpelt es im Plot. Ändert aber nichts daran, dass der Film ein Hit ist, genau die Art von Komödie, die sich früher einmal herumgesprochen hat, weil charmant, unwiderstehlich, mit Pfiff und Herz und Hirn obendrein auch noch. Und vor allem ein Showcase für Glen Powell, der vermutlich noch besser funktionieren würde, wenn er vor „Wo die Lüge hinfällt“ gestartet worden wäre, weil sich der 35-jährige Texaner aus Austin im Verlauf von 115 Minuten vor den Augen des Publikums vom unscheinbaren Jedermann, ein schusseliger Philosophieprofessor in der Tradition von Cary Grants David Huxley in „Leoparden küsst man nicht“ oder Ryan O’Neals Howard Bannister in „Is’ was, Doc?“, zum Mister Universum wandelt, zum selbstsicheren Hunk und Traummann, sexy, schlagfertig, umwerfend attraktiv. Immer eine schöne Sache, wenn man das miterleben darf. Nicht, dass Powell dazu gemacht wäre, als mausgrauer Nobody zu überzeugen, aber er gibt sich alle Mühe in diesem schönen Film nach wahren Begebenheiten, für den er obendrein auch noch das Drehbuch zusammen mit Richard Linklater geschrieben hat: Mit seiner Rolle in dessen sträflich übersehenen „Everybody Wants Some“ hatte sich Glen Powell 2016 erstmals für höhere Weihen empfohlen (ähnlich, wie es Matthew McConaughey seinerseits in dem Vorläufer „Dazed and Confused“ getan hatte). 

Gary Johnson ist jedenfalls so wie sein Name: ziemlich durchschnittlich, ziemlich austauschbar, ein schüchterner Typ, dessen Unterricht bei den Schülern als Aufforderung zu einem kleinen Klassenzimmernickerchen gilt. Langweilig. Wenn er gerade nichts zu tun hat, hilft der Single der Polizei beim Überführen potenzieller Auftraggeber für Profikiller. Als der eigentliche Lockvogel ausfällt, muss ausgerechnet Gary einspringen, der für diesen Job denkbar ungeeignet ist. Wer soll ihm denn einen Hitman abnehmen? Es gelingt überraschend gut. Und vor allem immer besser. So viel besser, dass er Gefallen an seinem Job findet, immer wieder in neue Rollen schlüpft. Ein Mann wächst an seinen Aufgaben, und bald schon passt ihm das Alter ego als lässiger Macho mit coolen Posen und immer einem Spruch auf den Lippen eine zweite Haut. Das ist gut für die Erfolgsrate und schlecht für ihn, als die überaus attraktive Madison bei ihm anklopft, er möge ihren gewalttätigen Ehemann aus dem Weg räumen. Weil er sie nicht verhaftet sehen will, redet er ihr die Gewalttat aus und beginnt alsbald eine Affäre mit der der Frau, die er eigentlich ins Kittchen hätte bringen sollen.

Jedes gelöste Problem ergibt zwei neue Probleme, und alsbald ist Gary damit beschäftigt, nur noch Löcher zu stopfen und nach einem Ausweg aus der vertrackten Situation zu finden, während er im Treibsand schlechter Entscheidungen zu versinken droht. Linklater und Powell lassen ihr irrwitzig kompliziertes Szenario in einer bravourösen komischen Szene nach der anderen münden, in Venedig bisweilen mit Szenenapplaus begleitet, schaffen es, gleichzeitig romantisch und sexy wie auch subversiv und amoralisch zu sein. Ob man will oder nicht, man drückt Gary und Madison die Daumen, nicht zuletzt, weil die Chemie zwischen Glen Powell und der hinreißenden Madison-Darstellerin Adria Arjona so verdammt gut ist. Wenn sie zusammen sind, steht die Leinwand Flammen, während nicht immer ganz eindeutig ist, wie ihre Agenda tatsächlich aussieht: Als Zuschauer ist man auf Garys Seite, und man rätselt mit ihm, ob und wie weit er der Frau trauen darf, für die er entflammt ist. Man kann versichert sein, dass bis ganz zum Schluss Haken geschlagen werden.

Weil. Der. Film. Ein. HIT. Ist. 

Thomas Schultze