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REVIEW CANNES: „The Surfer“

Psychedelisch angehauchter Kultfilm mit Nicolas Cage, der eigentlich nur Surfen will, bald aber schon seine Existenz bedroht sieht.

Nicolas Cage in „The Surfer“ (Credit: Festival de Cannes)

CREDITS: 
Land / Jahr: Australien, Irland 2024; Laufzeit: 99 Minuten; Regisseur: Lorcan Finnegan; Drehbuch: Thomas Martin; Besetzung: Nicolas Cage, Julian McMahon, Nic Cassim, Miranda Tapsell

REVIEW:
Faszinierend, wie es und dass es Nicolas Cage gelungen ist, nach seiner langen Zeit an der Spitze in Hollywood und einer noch längeren Zeit als willfähriger, wild mit den Augen rollender Star zunehmend beliebigerer Genreware direkt fürs Videogeschäft an einen Punkt zu kommen, all das in der Vergangenheit liegende zu transzendieren und so etwas wie ein eigenes postmodernes Filmgenre zu werden: Der Nicolas-Cage-Film ist eine feste Größe seit Beginn der Cagenaissance, die mit „Mandy“ begonnen hat und ihn in Filmen wie „Pig“ oder jüngst „Dream Scenario“ zum Liebling einer neuen Generation von Filmliebhabern hat werden lassen. 

The Surfer“, ausgewählt für ein Midnight-Screening, ist ein quintessenzieller Nicolas-Cage-Film. Bei der heutigen Pressevorführung in Cannes brandete Applaus auf, als sein Name im Vorspann erschien. Es wurde erneut geklatscht, als er anfing, ganz intensiv das Gesicht zusammenzukneifen und die Augen zu rollen, als wäre das so etwas wie sein Signature Move: Guckt mal, er macht’s wieder! Es ist nicht so, als hätte er eine solche Rolle nicht im Schlafe drauf, ein Otto Normalverbraucher, der an den Punkt getrieben wird, an… dem… er.. nicht… mehr… länger… kann. 

Dabei ist Regisseur Lorcan Finnegan, der Jesse Eisenberg in „Vivarium“ vor ein paar Jahren einen ähnlich kafkaesken (aber deutlich weniger unterhaltsamen) Albtraum hatte erleben lassen, nur vordergründig an einer Variante von „Falling Down“ interessiert. Und ein „John Wick“ ist „The Surfer“ schon zweimal nicht, sondern eher eine postmoderne Version von „Don Quixote“, in dem einem namenlosen Helden konsequent der Boden unter den Füßen weggezogen wird, eine Fingerübung in fortwährender Erniedrigung und Demütigung, die allerdings einen Kniff am Schluss aufzuweisen hat.

Surf Nazis Must Die. Das wusste man bei Troma schon 1987. Damit wird auch Nicolas Cage konfrontiert, der seinen jugendlichen Sohn extra zum Schuleschwänzen überredet hat, um mit ihm an einem besonders coolen Strand zu surfen – just an dem Hang, an dem er einst aufgewachsen war, bis zum Tode des eigenen Vaters. Doch der Strand wird versperrt von einer Gruppe aggressiver Surfer rund um den Guru, gespielt von Julian McMahon aus „Nip/Tuck“. Danach geht alles schief. Ein Deal, das Haus seines Vaters zurückzukaufen platzt, er verliert seinen Job, sein Auto wird gestohlen, sein Geld verschwindet, das Handy hat keinen Saft mehr. Auf schlimm folgt schlimmer, in immer schnellerer Abfolge. Demütigung, Niederlage, Beleidigung. Was nicht folgt, ist eine Katharsis. Es gibt keinen Ausbruch, keine Explosion. Nur die Erkenntnis, dass die Realität, wie sie anfangs gegeben scheint, längst nicht sicher ist, dass die Hauptfigur die Dinge vielleicht gar nicht so erlebt, wie es erscheint. Sich durch diese Fallstricke zu kämpfen, um am Ende zu einer Erkenntnis zu erlangen, die absurd erscheint und schlüssig zugleich, ist ein lohnenswertes Unterfangen, auch wenn der Film nicht immer einlösen kann, was er zu versprechen scheint. Aber er hat Nicolas Cage. Und seinen Signature Move. Es gibt Schlechteres. 

Thomas Schultze