Login

„Wir sind noch hungrig“

Vor etwas mehr als zweieinhalb Jahren eröffnete die Familie Lochmann in Leonberg einen Kinoanbau, der mittlerweile seinen Platz im Guiness-Buch der Rekorde hat. Eine Verschnaufpause gönnte man sich danach nicht. Aktuell bringt man gleich zwei große Projekte auf die Zielgerade – und plant die nächsten Schritte.

Stillstand ist nicht ihr Ding: Marius und Heinz Lochmann. (Credit: Lochmann Filmtheaterbetriebe)

Man wähnt Marius Lochmann geradezu in seinem Element, wenn man ihn an einem Freitagnachmittag auf einer Baustelle trifft. Oder besser: Im Foyer zwischen mehreren kleinen Baustellen. Denn auch wenn im Traumpalast Esslingen an etlichen Stellen gerade Hand angelegt wird, kann der Betrieb weiterlaufen. Und das bei dem regnerischen Wetter, das unsere Stippvisite begleitete, offenbar mit recht ordentlichem Zuspruch. Zumindest seitens des Familienpublikums. Klar: So richtig prickelnd waren die Zahlen in den vergangenen Wochen auch im Traumpalast-Schnitt nicht. Aufs Gemüt schlägt dem Hausherrn die Schwächephase aber nicht, vielmehr überwiegt sichtlich die Vorfreude auf die nächsten abgeschlossenen Projekte. Und auf das, was danach kommt. Stillstand ist jedenfalls nicht das Ding seiner Familie, die gerade zwei Großprojekte parallel stemmt – und die schon wieder ein, zwei Schritte weiterdenkt.

„Flitterwochen“ im neuesten Premium-Saal: Wenige Tage nach ihrer Hochzeit empfingen Marius und Lea Lochmann das Dolby-Team zur Eröffnung des Dolby Cinema im Traumpalast Esslingen. (Credit: Lochmann Filmtheaterbetriebe)

Aber zunächst zum Traumpalast Esslingen, der in jüngerer Vergangenheit vor allem mit zwei Innovationen für Schlagzeilen sorgte: Im Juli 2018 wurde dort der EU-weit erste Saal mit einem LED-Screen der Marke Onyx eröffnet. Und im Dezember vergangenen Jahres konnten Heinz und Marius Lochmann in Esslingen ihr erstes Dolby Cinema einweihen, das zweite in Deutschland. Tatsächlich sind die Lochmanns damit aktuell die einzigen deutschen Kinobetreiber, die sowohl ein Dolby Cinema wie auch ein Imax zu ihrer Kinoflotte zählen. Wie zufrieden man mit letzterem ist, hat Marius Lochmann in der Vergangenheit bereits diverse Male betont. Geändert hat sich daran in einem recht herausfordernden Jahr nichts. Fast nichts: „Tatsächlich sehen wir gerade besonders deutlich, wie sehr der Imax-Saal gegenüber anderen Angeboten überperformt. Selbst mit Filmen, die insgesamt enttäuscht haben, sind wir dort noch auf eine ordentliche Auslastung gekommen.“ Und wenn es gerade allgemein richtig gut läuft? „Filme wie ‚Dune: Part Two‘ stellen unsere Server regelmäßig auf eine echte Belastungsprobe. Wir haben gelernt, den Vorverkauf für solche Titel eher leise zu starten und nicht groß vorab anzukündigen – denn der Ansturm ist enorm.“

Ein Saal denn man wirklich selbst gesehen haben muss: Die weltgrößte Imax-Leinwand im Traumpalast Leonberg. (Credit: Marco Rago/Lochmann Filmtheaterbetriebe)

Auch im Dolby Cinema? Dass man für dieses noch recht junge und hierzulande noch kaum verbreitete Angebot die Werbetrommel im direkten Vergleich (noch) ein wenig intensiver rühren muss, wie Lochmann schildert, überrascht nicht. Die größte Leinwand der Welt spricht schließlich eine ganz eigene Sprache. Im Fall des Dolby Cinema sei es seiner Schilderung nach eher so, dass die Menschen tatsächlich im Saal gewesen sein müssten, um zu verstehen, was es tatsächlich an Qualität mit sich bringe – umso zufriedener sei man aber damit, wie sich die Nachfrage schon innerhalb der ersten Monate entwickelt habe. „Mit dem richtigen Content“, so die Einschätzung, „wird das definitiv dieselbe Erfolgsgeschichte“. Also schon ein Nachschlag geplant? Nun, ganz so tief lässt man sich noch nicht in die Karten schauen, immerhin gilt es erst einmal, die Modernisierung des Traumpalastes Esslingen abzuschließen. Erneuertes Foyer, durchgängig neue Bodenbeläge, neue Kombikassen, Monitore, neue Lounge-Reihen und Kunstledersitze, neue Laserprojektoren. Und nebenbei noch vier weitere Atmos-Installationen. Weihnachtspost von Dolby sollte im Prinzip garantiert sein.

Wie sehr sich das Kino als Kulturort grundsätzlich durch die Vielfalt seiner Angebote auszeichnet, macht der Traumpalast Leonberg beispielhaft deutlich – so liegen nur wenige Schritte zwischen dem gigantischen Imax und diesem gemütlichen Bibliothekssaal. (Credit: Lochmann Filmtheaterbetriebe)

Tatsächlich geht der Umbau in Esslingen (unangetastet blieb nur der ohnehin noch junge Onyx-Saal) aber noch viel weiter. Denn beheimatet ist das Kino im Einkaufscenter „Das Dick“, dessen Betreiber nicht nur viel Kinoliebe mitbringen (Kunststück, es ist die Familie Lochmann selbst), sondern die stets auch ein Gesamterlebnis im Blick haben. Das bedeutet in diesem Fall nicht nur Renovierungen, sondern auch die Errichtung eines neuen Bowlingcenters. Ein Schritt, zu dem man nicht zuletzt durch den Erfolg eines solchen Angebots im Leonberger Imax-Anbau motiviert wurde. Vier bis acht Wochen soll es noch dauern, bis alle Arbeiten im Prinzip abgeschlossen wären – würde man nicht schon jetzt überlegen, im Nachhinein noch D-Box-Sitze zu verbauen. 

Neues Aushängeschild im Traumpalast Esslingen seit Dezember 2023: Das zweite Dolby Cinema Deutschlands (Credit: Lochmann Filmtheaterbetriebe)

Parallel bringt man gerade ein weiteres Projekt auf die Zielgerade; das erste in der baden-württembergischen Landeshauptstadt: Anfang 2023 rettete Heinz Lochmann mit der Übernahme das Stuttgarter Traditionshaus Metropol – dem zeitweise das Schicksal drohte, zur Kletterhalle zu werden. Schon damals war klar, dass es wenigstens bis 2024 dauern würde, bis das Kino nach aufwändigem Umbau wieder eröffnen würde – und tatsächlich „schafft der Denkmalschutz die eine oder andere Herausforderung“, wie Marius Lochmann schildert. Das „Baby“ seines Vaters nähere sich nun aber der Fertigstellung, angepeilt ist ein Neustart nach der Fußball-EM. In einem Haus, dass der Kinomacher als „Passage trifft Traumpalast“ beschreibt: Ein seiner Tradition verpflichtetes Premium-Kino mit edlem Look und Lounges, dessen drei Säle technisch auf dem neuesten Stand sein sollen. Dass dabei nicht zuletzt auch Atmos eine Rolle spielt, überrascht nicht – schließlich war der Traumpalast Leonberg einst das erste Multiplex, das komplett entsprechend ausstaffiert war. Man werde „keine Kosten und Mühen“ scheuen, um dem eigenen Kinopark ein weiteres „i-Tüpfelchen“ aufzusetzen, erklärt Marius Lochmann. Für die Eröffnung konzentriere man sich dennoch zunächst auf das Wesentliche, zusätzliche Services wie Bedienung am Platz sollen nach und nach implementiert werden. Nicht tangiert sieht man sich übrigens von den (endlich) konkretisierten Plänen für ein Stuttgarter „Haus für Film und Medien“, einem (so zumindest der Plan) topmodernen kommunalen Kino, dessen Einweihung für 2029 vorgesehen ist und für dessen Leitung unlängst die Ausschreibung der Stadt gestartet wurde. Überschneidungen mit dessen (potenziellem) Angebot sehe man nicht.

Das Foyer des 2018 übernommenen und Ende 2019 als Traumpalast nach umfangreicher Modernisierung wiedereröffneten Hauses in Schwäbisch-Gmünd. (Credit: Lochmann Filmtheaterbetriebe)

Eher überraschend für eine Betreiberfamilie, die man primär mit Expansion in Verbindung bringt (wie im Frühjahr 2018, als Heinz Lochmann das ehemalige Turmtheater in Schwäbisch-Gmünd von Walter Deininger und Hariolf Staudenmaier übernahm und im Dezember 2019 als Traumpalast Schwäbisch-Gmünd wiedereröffnete; später folgte auch dort ein Onyx-Saal), war ein Schritt im vergangenen Jahr: Der Traumpalast Biberach wurde an die Cineplex-Unternehmerfamilie Sailer übergeben, die ihn seither als Cineplex Biberach betreibt. Die Gründe? Vor allem die Lage. „Der Traumpalast Biberach war ein Haus, das uns immer viel Freude bereitet hat – aber es war schon immer ein wenig der Außenposten, nachdem wir uns auf den Rems-Murr-Kreis und die Umgebung konzentrieren“, so Marius Lochmann. Bei den damals anstehenden Investitionsentscheidungen habe man anderen Projekten Priorität eingeräumt, umso glücklicher sei man, das Kino in guten Händen zu wissen und mit Roman und Roland Sailer zwei ausgesprochen engagierte Kinomacher als Nachfolger gefunden zu haben.

Alleinstellungsmerkmal im Traumpalast Esslingen: 2018 eröffnete dort der EU-weit erste Kinosaal mit einem LED-Screen der Marke Onyx; einen weiteren dieser Säle betreibt die Familie Lochmann seither auch im Traumpalast Schwäbisch-Gmünd. (Credit: Lochmann Filmtheaterbetriebe)

Unterdessen bereitet man sich auf die nächsten Projekte vor. Nachdem der Traumpalast Leonberg (und die Rekord-Erweiterung) das erste Haus gewesen sei, das man ganz nach eigenen Vorstellungen auf der grünen Wiese errichtet habe, ist der Traumpalast Esslingen nun das erste Kino, für das man nach 20 Jahren eine komplette Modernisierung umsetze – was nun wiederum die Blaupause dafür vorgebe, sukzessive auch die anderen Standorte anzugehen. „Wir sind noch hungrig – denn wir glauben an das Kino!“, so die klare Ansage.

Blind Date vor der Leinwand: Eine der Ideen, mit denen man das Bettenkino im Traumpalast Leonberg erfolgreich positioniert (und dabei ganz nebenbei noch Beziehungen geschaffen) hat. (Credit: Lochmann Filmtheaterbetriebe)

Was Marius Lochmann sonst noch wichtig ist? Der Austausch mit Kolleginnen und Kollegen: „Es reicht nicht, sich ständig einzureden, dass man nur selbst immer die besten Ideen hat. Man muss sich gegenseitig inspirieren!“ Er selbst freue sich immens, wenn weitere tolle Kinos entstünden – denn von attraktiven Häusern profitiere der Markt insgesamt. Das bezieht Marius Lochmann nicht zuletzt auf die manchmal ermüdende (öffentliche) Preisdiskussion. „Es ist nicht so, als würde das Geld nicht eine Rolle spielen – aber Preisdumping ist der völlig falsche Weg. Es muss vielmehr darum gehen, ein wertiges Angebot zu schaffen, ein Erlebnis – und das fängt bei den Mitarbeitern an!“ Natürlich müsse man in der Preisstruktur fair agieren. Aber für Angebote wie das Imax Leonberg seien Tickets von 20 Euro und mehr „absolut angemessen“. Fänden auch die Gäste – zumindest habe es seit der Eröffnung keine einzige Beschwerde gegeben. Was allerdings keinesfalls funktioniere, sei Etikettenschwindel: „Was sich Premium nennt, muss das auch liefern!“ Ein Haus, das ihn inspiriere? „Der Filmpalast Kassel ist ein wirklich tolles Kino, das muss man absolut neidlos anerkennen!“

„Wir glauben an das Kino!“. Mehr als ein Credo. Sondern eine Einstellung, die mit immensen Investitionen untermauert wird. (Credit: Lochmann Filmtheaterbetriebe)

Gibt es denn Konzepte, die er selbst noch nicht umgesetzt hat, aber interessiert beobachtet? Beeindruckt habe ihn zuletzt die Demonstration der Lightsteering-Technologie von Barco. Das sei eine Entwicklung, die man jedenfalls im Auge behalte. Auch 4DX beobachtet man interessiert, wenngleich mit Respekt vor der Wartungsintensivität der Installation. Letztlich sei die große Aufgabe, zu erkennen, was das Publikum wolle – und es dabei immer wieder zu überraschen. Das bedeute, Innovationen wie das Leonberger Bettenkino im Imax-Anbau auch mit entsprechenden Ideen zu begleiten. Als absoluter Hit habe sich etwa die Idee erwiesen, dort zum Valentinstag Blind Dates zu arrangieren und Besucherinnen und Besucher zu matchen. „Zuletzt hatten wir rund 400 Bewerbungen für die 40 Plätze“, so Marius Lochmann, der als größten Erfolg der Aktionen allerdings nicht einmal diesen Zuspruch sieht. Sondern die Tatsache, dass sich auf diesem Wege tatsächlich Pärchen gefunden hätten, die heute noch zusammen seien. Ob sie dem Kino einen besonderen Platz in ihrem Herzen einräumen? Davon darf man wohl getrost ausgehen…

Marc Mensch