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So war’s in Baden-Baden

Folgen sie uns zu einem augenzwinkernden Streifzug über den Filmtheaterkongress – zahlreiche Impressionen inklusive.

Schon jetzt Daumen hoch für die KINO 2025: Das HDF-Team um Christine Berg, unterstützt von Francesco Bertolini (Credit: SPOT)

Ehrlich gesagt hatte ich gar nicht vor, gleich nach der CinemaCon wieder für ein wenig Fleißarbeit in die Tasten zu greifen. Aber das Feedback auf unsere Berichterstattung aus Las Vegas (vielen, vielen lieben Dank noch einmal an dieser Stelle) motivierte mich am Ende doch, gleich eine Art verkürztes Sequel zum Reisetagebuch nachzuschieben. Ein Vorhaben, bei dem man sich gerne mal verzettelt, schließlich ist Faustregel für eine Fortsetzung „Hauptsache größer und lauter“. Was in manchen Fällen sogar voll aufgeht. Ich sage nur „Aliens“.

Wie auch immer: Weshalb war ein Baden-Baden-Tagebuch nie Teil meiner Pläne? Die ehrlichste Antwort wäre wohl: „Mindestanforderungen des Körpers nach einer Woche Schlafentzug“. Allerdings schwang auch ein anderer Gedanke mit: Lohnt es sich wirklich, derart Vertrautes zu rekapitulieren? Oder anders gesagt: Hat jemand, der sich nicht ohnehin schon x-mal im Leo’s die Nächte um die Ohren gehauen hat, überhaupt Interesse an einem solchen Streifzug?

Wobei ich gar nicht behaupten will, dass der Filmtheaterkongress über die Jahre stehen geblieben wäre. Alleine die Verbesserungen bei Kaffeeversorgung und Catering sind absolut eine Erwähnung wert. „Ums Eck vom Compeso-Stand“ lautete eine der Zauberformeln für kontinuierliche Versorgung mit vegetarischen und veganen Häppchen sowie vor allem Koffein. Gerade letzteres ist für berichterstattende Presse dann doch ein echter Bonus. Also ernsthaft.

Was über die Jahre leider nicht besser wurde, sind die Wege. Kernveranstaltung und Rahmenprogramm in fußläufiger Entfernung zu haben, wäre einem (immerhin verlässlich fahrenden) Shuttlebus allemal vorzuziehen, selbst wenn dieser so schöne Orte wie das Cineplex Baden-Baden oder die Geroldsauer Mühle ansteuert. Auch die Hotels in Baden-Baden neigen (sofern man sich nicht etwas jenseits der 250 Euro/Nacht gönnt) gerne einmal dazu, den Begriff „Retro-Charme“ neu zu definieren. Immerhin: Follower meines Facebook-Profils müssen nicht bangen: Diesmal habe ich mir zumindest nicht drei Mal pro Tag den Kopf an einem das entscheidende Mü zu niedrig angebrachten Kronleuchter angestoßen…

Aber ernsthaft: Ja, vieles am Filmtheaterkongress ist seit vielen, vielen Jahren vertraut – was ja auch zu den Stärken einer Traditionsveranstaltung zählt. Man weiß im Grunde, wann und wo man wen in Baden-Baden trifft, die Orte sind gelernt und eingespielt (tatsächlich war es – neben der damaligen Großbaustelle – aus meiner Sicht das größte Problem von Karlsruhe, dass dem dort nicht so war), für Networking mit Termin geht‘s ins Rizzi, ohne ins Leo’s. So einfach ist das. Und tatsächlich einfach wichtig. Ungezwungener Austausch ist schließlich Kern-Asset von Branchentreffen. Steckt ja schon im Namen.

Manches könnte allerdings durchaus auf den Prüfstand. Das gilt vor allem für Panels in einer Besetzung, die jedem der Beteiligten maximal zwei Wortmeldungen belässt, bevor die Zeit überzogen ist. Weniger ist gerade an dieser Stelle in aller Regel mehr. Sage ich mit noch größerer Überzeugung, seit ich in Las Vegas einer ausgesprochen überschaubar (aber hochkarätig) besetzten Diskussionsrunde beiwohnen durfte, bei der der Moderator keine Gefangenen machte. Etwas, dass ich zuvor noch niemals bei irgendeinem Branchenevent erlebt hatte, das ich mir aber von jetzt an wünsche. Umso mehr, als zwar der Austausch außerhalb des Kongresszentrums sehr lebhaft war (dem Vernehmen nach insbesondere im Fall eines Fensters, das 14 Tage kürzer als gedacht ausfallen soll), das Publikum bei den Vorträgen im Auditorium (zumindest bei den Top-Themen) aber praktisch nicht involviert wurde. Diskussionen, wie man sie in früheren Jahren regelmäßig erlebt hat, gab es diesmal nicht.

Impressionen von der KINO 2024 (Credit: HDF KINO / Denis Kotscherow)

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Impressionen von der KINO 2024 (Credit: HDF KINO / Denis Kotscherow)

Sollte dies schlicht Ausdruck eines engeren Zusammenrückens der Branche sein, wäre es ausdrücklich zu begrüßen – zumindest in einem Fall hätte mein Sitznachbar aber offenbar sehr gerne noch das eine oder andere Widerwort gegeben, wenn Gelegenheit dazu bestanden hätte. Dass das Murmeltier wiederum bei manchen Themen jedes Jahr von Neuem grüßt, liegt in der Natur der Sache. Und auch wenn es ernsthaft erfreulich wäre, an der einen oder anderen Stelle nach Jahrzehnten endlich mal echten Fortschritt zu erleben, wäre es schwierig, Diskussionen keinen Raum zu geben, die auf Veteraninnen und Veteranen bisweilen fast ermüdend wirken mögen, die sich aber dennoch um wichtige Kernthemen drehen. Ohnehin gibt es ja immer wieder auch neue Gesichter in Baden-Baden zu sehen. Mit denen sich der Austausch in der Regel besonders interessant gestaltet.

Nicht mehr ganz so interessant ist hingegen der Gag, Reden oder ähnliches an ChatGPT zu delegieren. Das hat sich über die letzten zwölf Monate hinweg dann doch erst einmal ein wenig abgenutzt. Übrigens würde ich eine ganze Menge darauf verwetten, dass wenigstens ein Großsponsor sein Imagevideo von einer KI hat einsprechen lassen. Das Ergebnis überzeugte mich persönlich nicht. Ausdrückliches Lob geht jedenfalls in Richtung der ICTA, die mit einer ausgesprochen simplen Idee bei mir gepunktet hat: Einen jugendlichen Heavy-User zum Austausch auf die Bühne zu holen, ist im Grunde mehr als naheliegend, stach aber doch hervor. Ebenso wie das Panel zum Gastland Belgien, von dem ich mir ehrlich gesagt nicht übermäßig viel versprochen hatte, das dank außergewöhnlich offener Standort-Vergleiche dann aber doch ein inhaltliches Highlight zu bieten hatte.

Ähnliches gilt für die Präsentation der FFA-Zahlen. Die zwar schon seit Jahren ein wenig darunter leidet, zu viele Themen in zu kurzer Zeit anreißen zu müssen. Die aber nicht nur trotzdem enorm informativ war, sondern die auch von einem präsentierenden Team profitierte, das sich in dieser Konstellation wunderbar ergänzt.

Dass in Baden-Baden (wie schon in Las Vegas) diesmal insgesamt weniger los war, war unübersehbar. Das galt nicht zuletzt mit Blick auf die (nicht) anwesenden Verleihvertreter, auch wenn Gastgeberin Christine Berg entsprechende Klagen beim Schlussakt mit einem Schuss Humor hinwegwischte. Man kann es dem Kongress aber auch wirklich nicht anlasten, wenn sich unter anderem Sparvorgaben in einem Jahr, das nicht gerade berauschend zu werden verspricht, auf die Teilnahmezahlen auswirken. Zumal man sagen muss: Wer im Cineplex zur Tradeshow lud, hatte auch richtig etwas zu zeigen. Das galt insbesondere für Clips, die so taufrisch aus Las Vegas kamen, dass sie eigentlich noch unter Jetlag gelitten haben mussten.

Humor zeigte die HDF-Vorsitzende auch angesichts mancher Gerüchte über die Zukunft des Kinokongresses, wobei angebliche Spekulationen über eine Abwanderung ins Ausland dann wohl eher einer Verwechslung mit anderen Themen geschuldet waren – selbst wenn für den einen oder anderen Süddeutschen das „Ausland“ mitunter schon an den nördlichen Gestaden der Donau beginnen mag. Sowohl Termin wie auch Ort für 2025 wurden jedenfalls schon (aber auch nur) schriftlich kommuniziert: Zumindest demzufolge soll es vom 12. bis 15. Mai wieder nach Baden-Baden gehen (UPDATE: Wie nun aus dem Umfeld der Betriebsgesellschaft zu erfahren war, wurde der entsprechende Vertrag für die Nutzung des Kongresshauses unterzeichnet). Was bedeuten könnte, dass erneut Glück hat, wer Veranstaltungen am liebsten back-to-back besucht: Denn noch ist der Termin des nächstjährigen Festivals in Cannes nicht offiziell kommuniziert, aber es spricht doch einiges dafür, dass der Startschuss an der Croisette quasi unmittelbar mit Abschluss des Panels zum Kinofest 2025 fällt. Sofern dieses erneut das Highlight zum Kongressfinale sein sollte.

Unterdessen konnten sich die Aussteller offenbar nicht über zu niedrige Besuchsfrequenz beklagen. Zumindest hörte man von etlichen, dass die Taktung an Kundenterminen kaum eine Pause zum Holen oder Wegtragen von Kaffee zuließ. Das galt beileibe nicht nur für Stände wie jenen von Ecco, wo man sich von kräftezehrenden Paneldebatten beim Wettkampf um Bestzeiten via D-Box Sim Racing entspannen konnte. An diejenigen, die mich beim ersten Versuch drei Mal von der Strecke fliegen und zwei Mal versehentlich in die Boxengasse abbiegen (sorry, Altersweitsicht!) sahen: Ich hab’s beim zweiten Versuch doch noch auf eine Rundenzeit von unter einer Minute gebracht.

Was, wie man am Rande hörte, allerdings immer noch eine Zeitspanne ist, in der man das Zukunftsprogramm Kino in diesem Jahr dreifach überzeichnen hätte können. Richtig gelesen: Die Mittel waren 20 Sekunden nach Antragsbeginn ausgeschöpft. 226 Anträge gingen ein, bevor das Portal geschlossen wurde, rund 60 Prozent davon erwartet man offenbar, berücksichtigen zu können.

Gerade vor diesem Hintergrund gab es für mich ein absolutes Lowlight bei diesem Kongress. Es handelt sich – Sie werden kaum raten müssen – um die aufgezeichnete Ansprache von Kulturstaatsministerin Claudia Roth. Zugegeben: Es war allemal besser, als großspurige Versprechen abzugeben, die sich als Luftnummern erweisen. Wie man das gerade an anderen Stellen der Förderreform befürchten muss. Aber dass ernsthaft schon wieder der (bereits massiv geschwächte) Kulturpass als Leuchtturmprojekt der Kinoförderung herhalten musste, macht mich angesichts dessen, was alleine über die Kürzung (bzw. im schlimmsten Fall Streichung) des Zukunftsprogramms verloren geht, fast ein wenig sprachlos.

Wie dem auch sei: Wir sehen uns spätestens zu den Filmtagen Köln im August. Und halten Sie gerne auch an dieser Stelle die Augen noch offen – ganz abgeschlossen ist unsere umfangreiche Berichterstattung aus Baden-Baden noch nicht…

Marc Mensch