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REVIEW KINO: „Pulled Pork“

Knallige Krimikomödie mit Anleihen bei Guy Ritchie, in der zwei Brüder im Geiste nach ihrer verschwundenen Schwester fahnden und dabei in ein Wespennest stechen. 

CREDITS:
Land / Jahr: Österreich 2023; Laufzeit: 119 Minuten; Regie & Drehbuch: Andreas Schmied; Besetzung: Paul Pizzera, Otto Jaus, Valerie Huber, Elisabeth Kanettis, Gregor Seberg, Gizem Emre; Verleih: Filmwelt; Start: 11. Juli 2024

REVIEW:
Der Erfolg geht dem österreichischen Starregisseur Andreas Schmied leicht von der Hand in seinen Hochglanzproduktionen, sei es „Love Machine“ (145.000 Tickets) und Fortsetzung (45.000 Tickets), „Klammer – Chasing the Line“ (45.000 Tickets) oder eben „Pulled Pork“, der im vergangenen Jahr mit 110.000 Ticketverkäufen zur dritterfolgreichsten österreichischen Produktion in den heimischen Kinos avancierte. Gelungen ist ihm das mit einem recht wilden Mix aus Hochglanzbildern, derbem Humor und einem Talent, seine Stars ins rechte Licht zu rücken. Das ist in diesem Fall das Duo Pizzera & Jaus, die seit zehn Jahren als Popstars ebenso für volle Häuser sorgen wie als Kabarettduo. Nachdem Otto Jaus für Andreas Schmied bereits in „Hals über Kopf“ als männlicher Hauptdarsteller vor der Kamera gestanden war, ist „Pulled Pork“ jetzt sein erster Film an der Seite seines Partner in Crime, Paul Pizzera. Sie haben sich einen Krimischwank auf die durchtrainierten Leiber schneidern lassen, der so gewagt geplottet ist wie einer der Kultfilme von Guy Ritchie und sich auch dessen leichtfertigen Umgang mit krasser Gewalt angeeignet hat. 

Paul Pizzera und Otto Jaus in „Pulled Pork“

Um drei unzertrennliche Geschwister im Geiste geht es, wie man gleich in einem beschwingten Prolog aus dem Off erfährt: Nach dem frühen Tod der Eltern hatten sich die von Pizzera und Jaus gespielten Burschen Flo und Eddie (entspannter Insidergag von Autor und Regisseur Schmied: Flo & Eddie hieß in den Siebzigerjahren ein aus den Turtles hervorgegangenes Duo, das vor allem mit seiner Zusammenarbeit mit Frank Zappa in die Annalen der Rockgeschichte einging) und ihre Schwester Samira, gespielt in einem Gastauftritt von „Chantal im Märchenland“-Star Gizem Emre, immer nur auf sich selbst verlassen können. Und jetzt sieht man sie beim ausgelassenen Feiern, weil Samira kurz davorsteht, Karriere als Staatsanwältin zu machen. Es ist ein letzter Moment der Harmonie. Als die eigentliche Handlung einsetzt, ist alles zur Hölle gegangen. Flos Laufbahn bei der Polizei ist längst vorbei, seine Beziehung zu einer von Valerie Hubergespielten Kollegin auf Eis gelegt, down and out muss er sich als Privatdetektiv herumschlagen und sieht in seinem Pennerchic so lässig aus, als käme er von einem Fotoshoot von Jürgen Teller. Eddie ist auf die schiefe Bahn geraten und kommt nach 18 Monaten im Knast, in denen er sich in seine Bewährungshelferin nicht nur verliebt, sondern sie auch geschwängert hat, wieder frei. 

Gemeinsam machen sie sich auf die Suche nach ihrer verschwundenen Schwester Samira und geraten in ein verschlungenes Handlungslabyrinth, das in zehn munter betitelten Kapiteln im Zickzackkurs durch Zeit und Raum führt, zahllose Umwege geht, immer wieder neue schmierige Gestalten aus allen möglichen Ecken der Unterwelt einführt, aber letztlich doch schnurstracks auf den Schweinemogul Jagschitz zusteuert, der indes auch nur ein kleines Licht ist in einem Konvolut aus Russenmafia, Pornographie, Prostitution und was sich sonst irgendwie verboten und kinky anfühlen könnte. Schmied meidet dabei erfolgreich Subtilität. Er ist weniger hintergründig als ein David Schalko und auch nicht um Authentizität bemüht wie ein Marvin Kren. Er setzt aufs Knallige und Eindeutige, auf Anmache und Kitzel – die Handlung ist kompliziert genug erzählt. Aber er trifft damit einen Nerv, zumindest definitiv beim österreichischen Publikum. Jetzt wagt Filmwelt den Versuch, mal beim deutschen Publikum zu testen, ob ihm Pulled Pork made in Austria schmeckt. In Österreich wird indes bereits an einer Fortsetzung gefeilt.

Thomas Schultze