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Produzent*innenverband: „Die richtige Balance finden“

Viele gute Ansätze, viele Probleme im Detail, viele offene Versprechen. In einem ausführlichen Exklusivgespräch teilen Alexandra Krampe, Christoph Friedel, Marcel Lenz und Julia Maier-Hauff von der Spitze des Produzent*innenverbands ihre Gedanken zum Stand der Förderreform mit uns – und Ihnen.

Es kann immer noch der (ganz) große Wurf werden – doch die aktuellen Unsicherheiten bei der Förderreform treiben die Produzentinnen und Produzenten um. (Credit: IMAGO/Pond5 Images)

Das Jahr neigt sich der Halbzeit zu, die parlamentarische Sommerpause rückt näher – und in Sachen Förderreform erscheinen diverse Fragen noch ebenso offen, wie sie das bei Bekanntmachung der BKM-Pläne im Vorfeld der Berlinale waren. Der letztjährigen.

Zugegeben, ein wenig überspitzt mag das durchaus formuliert sein. Aber momentan krankt die Förderreform – oder genauer gesagt die Bewertung des Sachstandes – an gleich mehreren neuralgischen Punkten. Bevor der Regierungsentwurf für den Bundeshaushalt 2025 (der Kabinettbeschluss soll nach wie vor Anfang Juli erfolgen) nicht wenigstens etwas konkreter wird, lässt sich nur darüber spekulieren, mit welchen Summen die jurybasierte Förderung hinterlegt sein wird. Solange weitgehende Einigkeit nur bei Kulturpolitikern in Bund und Ländern herrscht, kommen zwei zentrale Fördersäule über den Status eines Versprechens (das längst eher für den Sommer 2025 als den Jahreswechsel gilt) noch nicht recht hinaus. Eine zentrale Schwierigkeit, die zuletzt unter anderem AllScreens-Geschäftsführer Peter Schauerte via SPOT beklagte: Fördersäulen, die im Verbund gedacht sind, nur scheibchenweise konkretisiert zu bekommen, macht deren Beurteilung nicht eben einfacher.

Ein Problem, mit dem sich selbstverständlich auch der Produzent*innenverband konfrontiert sieht. Zu dem sich in seinem Fall aber noch ganz spezifische Herausforderungen gesellen. Denn die Bedürfnisse kleinerer Unternehmen bzw. jene des kulturellen Films müssen bei der neuartigen automatischen Filmförderung mit besonderer Sorgfalt bedacht werden, wie uns Geschäftsführerin Julia Maier-Hauff und die Vorstandsmitglieder Alexandra Krampe (Julex Film), Christoph Friedel (Pandora Film) und Marcel Lenz (Ostlicht Filmproduktion) im Gespräch erläutern.

Zunächst einmal zum Positiven: „Die Tatsache, dass man eine derart grundsätzliche Reform anpackt, ist natürlich toll und absolut begrüßenswert“, so Lenz, „denn darin liegen enorme Chancen und Möglichkeiten!“ Chancen, derer es im aktuellen Marktumfeld aber auch dringend bedarf: „Aktuell befinden wir uns geradezu im freien Fall, die Situation ist wirklich dramatisch.“ Natürlich längst nicht nur für die Produktionsunternehmen , sondern für alle an Filmproduktionen Beteiligten – so habe Lenz zuletzt mehrere Anrufe von Filmschaffenden erhalten, die dringend nach Beschäftigung gesucht hätten. „Das war vor ein paar Jahren noch genau umgekehrt.“

Christoph Friedel von Pandora Film (Credit: Produzent*innenverband)

Für Christoph Friedel steht die aktuell miserable Auftragslage im harten Kontrast zu dem, was er in Cannes erlebt hat: „Was nach wie vor für das Kino entsteht, hat mich wirklich begeistert. Aber wenn wir uns minoritär an einer Produktion beteiligen wollen, sind wir als deutsches Unternehmen derzeit leider einfach kein attraktiver Partner.“ Daran ändere auch der FFA-Fördertopf für minoritäre Koproduktionen (zu) wenig – denn er sei mit einer Mio. Euro schlicht viel zu gering ausgestattet. „Wenn mit einem einzigen hochbudgetierten Projekt auf einen Schlag fast die Hälfte der gesamten Fördersumme ausgeschöpft ist, dann ist das natürlich unglücklich“, so Friedel. 

Auf Senderseite wiederum sei bei der ARD für den Kinofilm fast nichts mehr zu holen. Jenseits des „Sommerkinos“ gebe es dort aktuell kaum Engagement. Dabei falle auf – und das schließe das ZDF ein – dass Sendertöchter verstärkt bei TV- und Mediathek-Auftragsproduktionen zum Zuge kämen und in der letzten Zeit auch das Kleine Fernsehspiel als Kino-Ko-Kofinanziers für sich entdeckt hätten. In dieser Situation könne man klar erkennen, wo die Chancen lägen, wie Marcel Lenz betont. „Zahlreiche Projekte liegen derzeit einfach in Wartestellung, weil die Finanzierung nicht geschlossen werden kann – und ein Anreizmodell wie das geplante hätte absolut das Potenzial, diese Lücken zu schließen.“

Weswegen es laut Julia Maier-Hauff auch gelte, trotz der allgemeinen Verunsicherung einen positiven Spirit zu bewahren und die Diskussion entsprechend weiter zu begleiten, gerade auch im Verhältnis zu den Ländern und dem Bundesfinanzministerium, deren Mitwirken für die Gesamtreform unerlässlich ist. „Die BKM hat sich der Herausforderung gestellt, eine Reform anzustoßen, die nicht allein in ihrer Macht liegt. Dementsprechend ist die Branche gefragt, der BKM konstruktiv und kritisch folgend Unterstützung zukommen zu lassen – wie wir das als Produzent*innenverband im Rahmen der Vierergruppe an der Seite von Produktionsallianz, Deutscher Filmakademie und AG DOK tun.“ Entscheidend sei, so Maier-Hauff, „dass wirklich alle der geplanten Säulen kommen und das gesamte Filmökosystem darin ausgewogen berücksichtigt wird“. 

Dass wenigstens das Anreizmodell praktisch keine Chance hat, noch zum Jahreswechsel umgesetzt zu werden, ist längst offenes Geheimnis, mittlerweile haben BKM-Vertreter nun schon bei mehreren Gelegenheiten den Sommer 2025 als Zielkorridor in den Raum gestellt – und nicht umsonst meldet die BKM (wie SPOT schon vor geraumer Zeit exklusiv berichtet hatte) für den Haushalt 2025 Mittel für DFFF und GMPF an. „Natürlich wäre es für alle Beteiligten besser, wenn die Reform mit allen drei Säulen zum 1. Januar 2025 aus einem Guss startet. Aber wenn man eine Übergangslösung schafft, dann ist das zumindest ein positives Zeichen“, so Maier-Hauff.

Alexandra Krampe von Julex Film (Credit: Maximilian Probst/Produzent*innenverband)

Aus Sicht von Christoph Friedel sei es jedenfalls ein taktischer Fehler der Bundespolitik gewesen, nicht früher auf die Länder zuzugehen. Denn das halte derzeit nicht nur das geplante Anreizmodell in der Schwebe, sondern auch die Investitionsverpflichtung, ein aus seiner Sicht besonders wichtiges Instrument – u.a. mit Subquoten für den Kinofilm und einer verpflichtende Vergabe an unabhängige Produktionsunternehmen sowie einem entsprechenden Rechterückbehalt. „Die Sender und Streamer wehren sich dagegen bekanntermaßen sehr stark – und das nicht zuletzt mit Verweis auf ihre Programmhoheit.“ Generell glaubt er aber daran, dass die versprochene Verpflichtung auch kommen wird. „Schließlich hat man das in etlichen anderen Ländern auch geschafft.“

Dass man im Rahmen der Anreizförderung nun auch plant, den Verleih mitzudenken, stößt bei der Geschäftsführerin des Produzent*innenverbands unterdessen ebenso auf Zustimmung wie bei den Vorstandsmitgliedern. Alleine schon deshalb, weil der Verleih aktuell einen weiteren Flaschenhals darstellt. „Derzeit einen deutschen Arthouse-Film bei einem Verleih zu platzieren, ist ein extrem schwieriges Unterfangen“, weiß Lenz. Friedel sieht dafür auch einen (ungewollten) Effekt europäischer Förderung verantwortlich: „Mit der MEDIA-Verleihförderung für nicht-nationale Filme gibt es ein hochinteressantes Instrument, das in der aktuellen Gemengelage die Blicke leider umso mehr außerhalb des eigenen Landes schweifen lässt. Umso wichtiger ist es, im Rahmen der Förderreform auch die Verwertung konsequent mitzudenken.“  Mit Blick auf die Verhandlungsmacht der Sender und Streamer müsse wiederum sichergestellt sein, dass  Ausnahmen von den Mindestsperrfristen nur nach Start der Auswertung im Kino individuell verhandelt werden könnten. Ansonsten seien diese schlicht eines: kontraproduktiv.

Nicht dass die Berücksichtigung des Verleihs im Rahmen der Anreizförderung völlig unproblematisch wäre. Das Konzept, dass Verleihkosten vom Hersteller geltend gemacht werden – eine Idee, die vor vielen Jahren schon für den DFFF diskutiert, letztlich aber verworfen wurde – könne aber jedenfalls eine zusätzliche Chance für die professionelle Herausbringung deutscher Kinofilme sein, „wenn es ohne bürokratischen Mehraufwand umgesetzt werden kann“, wie Alexandra Krampe betont.

Marcel Lenz von der Ostlicht Filmproduktion (Credit: Lucia Hunziker/Produzent*innenverband)

Vom Kabinett abgesegnet ist bislang nur der Gesetzesentwurf für das Filmförderungsgesetz – doch schon in diesem Rahmen stellen sich für den Produzent*innenverband ganz zentrale Fragen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass man nach wie vor nicht weiß, mit wie viel Geld die jurybasierte Förderung ausgestattet sein wird. Im Rahmen der FFA-Förderung jedenfalls sei laut Friedel für den anspruchsvollen Arthouse-Film absolut entscheidend, welcher Teil der Referenzmittel über Festivalpunkte verteilt werde. „Im Sinne einer Gesamtreform sind wir den Weg mitgegangen, eine Automatisierung der Produktionsförderung zu tragen. Aber damit geht auch ein diesbezüglicher Vertrauensvorschuss einher. Denn obwohl es über viele Jahre geradezu illusorisch war, Projektförderung der FFA für eine Arthouse-Produktion zu erhalten, hat sich das zuletzt geändert“, so Friedel. Jenseits von seltenen Ausreißern wie „Gundermann“ könne der deutsche Arthouse-Film über seine Besuchszahlen alleine jedenfalls nicht genügend Punkte sammeln: „Hier gilt es, über den Tellerrand hinauszuschauen und die internationalen Festivals als Teil der regulären Auswertung von Kinofilmen wertzuschätzen.“ „Roter Himmel“ von Christian Petzold etwa sei auf 70 Festivals gelaufen und habe dabei mehr als 40.000 Zuschauern erreicht. Das sei „Vermarktung und Werbung für den deutschen Film par Excellence“ und müsse bei der Vergabe von Referenzmitteln entsprechend honoriert werden.

Friedels bevorzugte Lösung – die derzeit zumindest diskutiert werde: 25 Prozent der Referenzmittel für Festivalpunkte und 75 Prozent für Besuchspunkte, „Das würde uns wirklich Chancen eröffnen.“ Ein entscheidender Punkt sei in diesem Zusammenhang die Liste der für die Referenzförderung relevanten Festivals, für die man auch innerhalb der Vierergruppe (und in Abstimmung mit den Weltvertrieben) bereits eine „gute Kompromisslinie“ gefunden habe, für die man nun innerhalb der FFA eine Mehrheit gewinnen wolle. Wichtig sei dabei nicht nur, Festivals aufzunehmen, die zwar keine Premierenfestivals seien, aber dennoch starken internationalen Rang besäßen. Sondern auch, wie Alexandra Krampe feststellt, nationale Festivals, die für den Talentfilm von herausragender Bedeutung seien – dass man dabei unter anderem an das Festival Max Ophüls Preis, das Festival in Hof oder das Filmfest München denkt, liegt auf der Hand. Eine weitere Forderung laut Lenz: Den relevanten Zeitraum für die „Punktesammlung“ von einem auf zwei Jahre zu erhöhen. „Gerade im Fall des Talent-, des Dokumentar- und des Kinderfilms haben wir es schließlich häufig mit ‘Langläufern‘ zu tun, denen man die nötige Zeit einräumen sollte.“ Laut Juli Maier-Hauff rechne die FFA derzeit diverse Szenarien durch – wobei man bewusst konservativ vorgehe, um keine falschen Hoffnungen zu wecken. Sie jedenfalls betrachtet eine Trennung der Referenzförderung in zwei Töpfe als eine pragmatische Lösung, um an dieser Stelle mögliche Reibungspunkte zu vermeiden – wenn am Ende ein ausreichend hoher Prozentsatz für die Festivals stehe. Wo man letztlich lande, werde sich voraussichtlich im September klarer zeigen – denn dann ist die nächste Sitzung der Richtlinienkommission der FFA anberaumt.

Julia Maier-Hauff ist Geschäftsführerin des Produzent*innenverbandes (Credit: Dominik Butzmann)

In Sachen Talentförderung wiederum hofft man, spätestens Ende dieses Monats klarer zu sehen – denn dann könnte die aktuell in der Abstimmung zwischen BKM und Kuratorium junger deutscher Film befindliche Richtlinie vorgelegt werden. Bereits vor etlichen Wochen ist das für jene zur jurybasierten Filmförderung geschehen – und in dieser Richtlinie findet sich ein Punkt, der unseren Gesprächspartnern enorm schwer im Magen liegt. Oder besser gesagt: Er findet sich darin nicht. Denn aktuell soll es keine eigene Jury für den Kinderfilm mehr geben. Ein Schritt der laut Marcel Lenz „für niemanden im Kinderfilmsegment nachvollziehbar“ sei. Denn wie auch Julia Maier-Hauff und Alexandra Krampe betonen: „Ebenso wie beim Dokumentarfilm bedarf es beim Kinderfilm einer ganz besonderen Expertise.“ Die selbst mit einem entsprechend ausgewählten Jurymitglied schlicht nicht genug Gewicht im Gremium bekommen würde. Die Idee, dass man es auf diesem Wege dem Kinderfilm ermöglichen könnte, höhere Fördersummen zu erhalten, als dies bei einem eigenen Topf der Fall wäre, sei laut Lenz zwar „schön gedacht“, habe aber mit der Realität schon aufgrund der Antragsmengen leider wenig zu tun. Letztlich bestehe auch die Gefahr der Entscheidung für den „kleinsten gemeinsamen Nenner“, für kommerzielle, auf bekannten Marken aufbauende Stoffe, denen andere Fördertöpfe (also insbesondere Referenzförderung) offen stünden – zum Nachteil anspruchsvollerer, originärer Projekte. 

Eine weitere Lücke droht laut Alexandra Krampe im Bereich des Talentfilms. Denn obwohl eine eigene Talent-Verleihförderung in Aussicht gestellt worden sei, sehe es aktuell noch so aus, als könne diese unter den Tisch fallen – der Talentfilm müsste sich im Wettbewerb um Verleihförderung somit der Konkurrenz von Projekten arrivierter Filmschaffender stellen. „An dieser Stelle sollte nachjustiert werden, um die Talentförderung endlich nachhaltig zu konzipieren, von der ersten Idee bis zur Auswertung.“

Damit erneut zum FFG – und einem weiteren Punkt, bei dem der Produzent*innenverband noch auf Nachbesserung drängt: „Wenn man den Verwaltungsrat der FFA als das Film-Parlament betrachtet, dann muss dieses auch die Vielfalt der Branche widerspiegeln“, erklärt Alexandra Krampe. Für den Verband stelle sich aktuell die Frage, ob die kulturelle Seite ausreichend Gewicht in einem Gremium habe, das über grundlegende Rahmenbedingungen entscheide. Skeptisch blickt man aktuell auch auf die im FFG formulierten Regelungen zu Tarifbindung und Altersvorsorge. Nicht dass man derartigen Themen eine grundsätzliche Absage erteilen wollte. „Aber man darf nicht aus den Augen verlieren, dass die daraus resultierenden Belastungen für alle stemmbar sein müssen – nicht nur für die großen Player“, so Krampe. 

Letztlich gehe es in diesem Stadium nun darum, „die richtige Balance zu finden“, wie die Runde betont. Darum, „die künstlerischen und kommerziellen Welten zu vereinen“, das „große Bild im Auge zu behalten“. Denn schließlich solle es eine Reform für alle sein, eine Reform, die Aussicht darauf schaffe, zu tun, was man bislang getan habe – allerdings unter „wesentlich besseren Voraussetzungen.“ Damit man 2025 an der Croisette nicht mehr hören muss: „Deutschland wird immer weiter abgehängt.“

Marc Mensch