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Erstes deutsches Urteil zum KI-Training

Im Rahmen einer eigenen Kolumne beleuchten Rechtsexperten von Fieldfisher für SPOT media & film wichtige Branchenthemen aus juristischer Sicht. Dr. Bahne Sievers ordnet für unsere Leser die gerade erst heute ergangene Entscheidung des Landgerichts Hamburg zum KI-Training ein.

Dr. Bahne Sievers (Credit: Bastian Gruhne)

Landgericht Hamburg erlaubt KI-Training und weist Klage gegen LAION e.V. ab

Das Landgericht Hamburg hat heute die Klage eines Fotografen gegen die Nutzung eines seiner Bilder als Trainingsdaten für KI-Modelle abgewiesen (LG Hamburg, Entscheidung v. 27.09.2024 – Az.: 10 O 227/23). Damit liegt die von der Branche mit großer Spannung erwartete erste Entscheidung eines deutschen Gerichts zur hoch umstrittenen Frage vor, ob urheberrechtlich geschützte Werke auch ohne Zustimmung des Rechtsinhabers zum Zwecke des KI-Trainings genutzt werden können. 

Hintergründe des Falls

Die Klage richtete sich gegen LAION e.V., einen gemeinnützigen Verein, der öffentlich und kostenlos Datensätze für das Training von KI-Systemen anbietet, u.a. auch den streitgegenständlichen Datensatz „LAION-5B“, den z.B. Stability AI nutzt. Dieser Datensatz enthält Bild-Word-Paare, wobei das Bild jedoch nur verlinkt und nicht direkt im Datensatz enthalten ist. Bei der Erstellung des Datensatzes hat LAION aber eine Vervielfältigung der Bilder angefertigt, um die Text-Wort-Paare auf inhaltliche Stimmigkeit zu überprüfen. Das streitgegenständliche Bild war ursprünglich vom Kläger selbst auf der frei zugänglichen Website Bigstock veröffentlicht worden. Laut der AGB von Bigstock durften die Bilder dabei aber nicht für „automated programms“ genutzt werden.

Rechtlicher Rahmen

Das Vervielfältigungsrecht steht gemäß § 16 Urheberrechtsgesetz (UrhG) dem Urheber zu. Da LAION zwar eine Vervielfältigung vom Bild angefertigt, aber dafür vom Kläger keine Lizenz erworben hatte, war die zentrale Frage im Gerichtsverfahren, ob die Text und Data Mining-Schranke des § 44b UrhG bzw. § 60d UrhG („TDM-Schranke“) auf KI-Training Anwendung findet. 

Nach § 44b UrhG sind Vervielfältigungen von rechtmäßig zugänglichen Werken für das Text und Data Mining grundsätzlich auch ohne Zustimmung des Rechtsinhabers zulässig, solange der Rechtsinhaber keinen Nutzungsvorbehalt erklärt hat (Opt-out). Bei online zugänglichen Werken – wie im hiesigen Streit – ist der Nutzungsvorbehalt aber nur beachtlich, wenn er in „maschinenlesbarer Form“ erfolgt. Im vorliegenden Verfahren war strittig, ob der Hinweis in den AGB von Bigstock einen solchen Nutzungsvorbehalt darstellt. 

Dagegen würde § 60d UrhG selbst bei einem Nutzungsvorbehalt des Rechtsinhabers ein Text und Data Mining erlauben. Allerdings können sich auf § 60d UrhG nur Forschungsorganisationen berufen, d.h. Hochschulen, Forschungsinstitute und sonstige Einrichtungen, die wissenschaftliche Forschung betreiben. Insoweit stritten die Parteien auch darüber, ob LAION eine Forschungsorganisation darstellt.

Die TDM-Schranke wird ihrerseits durch den sog. Dreistufentest beschränkt. Danach ist vom Gericht zu prüfen, ob die Schranke (1) auf bestimmte Sonderfälle beschränkt ist, (2) die normale Verwertung des Werkes nicht beeinträchtigt und (3) keine ungebührliche Verletzung der Interessen des Rechtsinhabersdarstellt.

Die Entscheidung

Zwar liegen die ausformulierten Urteilsgründe noch nicht vor, aber das Landgericht fügte seiner Urteilsverkündigung eine kurze mündliche Begründung bei. Für das Gericht ist LAION eine Forschungsorganisation im Sinne von § 60d UrhG und kann daher die Nutzung des Bildes im Rahmen des KI-Trainings auf die TDM-Schranke stützen. Ob der Hinweis in den Bigstock-AGB einen wirksamen Nutzungsvorbehalt im Sinne von § 44b III UrhG darstellt, war daher für das Gericht nicht entscheidungserheblich.

Die Entscheidung dürfte dennoch nicht nur für Forschungsorganisationen relevant sein. Denn die Wertung, dass KI-Training grundsätzlich ein Text und Data Mining im Sinne der TDM-Schranke ist, lässt sich auch auf kommerzielle KI-Anbieter übertragen. Für sie kommt es lediglich zusätzlich darauf an, dass der Rechtsinhaber keinen wirksamen Nutzungsvorbehalt erklärt hat. Insoweit ist es schade, dass das Landgericht nicht über den Hinweis in den Bigstock-AGB entscheiden musste. Es bleibt aber abzuwarten, inwieweit das Landgericht nicht dennoch in seinen Urteilsgründen auf den Nutzungsvorbehalt eingehen wird.

Gegen die Entscheidung kann der Kläger Berufung einlegen. Das Landgericht Hamburg wird daher nicht das letzte Gericht sein, das sich mit der Zulässigkeit des KI-Trainings auseinandersetzen wird. Das letzte Wort dürfte am Ende der Europäische Gerichtshof haben, da die TMD-Schranke auf europäischen Vorgaben des Art. 4 DSM-Richtlinie beruht. Dennoch ist die Entscheidung von erheblicher Bedeutung für die Branche und sie ist im Ergebnis aus rechtlicher Sicht auch zutreffend. Denn der europäische Gesetzgeber hatte unlängst nochmals deutlich gemacht, dass die TDM-Schranke auch auf KI-Training Anwendung finden soll, indem Art. 53 I (c) der neuen KI-Verordnung ausdrücklich auf Art. 4 DSM-Richtlinie verweist. 

Ob man dieser gesetzgeberischen Intention nun zustimmt oder sie ablehnt, ist keine rechtliche, sondern eine politische Frage. Gerichte jedoch werden nur schwer umhinkommen, diese klare gesetzgeberische Intention bei der Auslegung der TDM-Schranke anzuerkennen. Weiterhin offen sind jedoch noch viele Detailfragen, z.B. wer bei komplexen Werken den Nutzungsvorbehalt (sog. „Opt-out“) überhaupt erklären darf. Insoweit bleibt es auch nach der Entscheidung der Landgerichts Hamburg spannend.

Zu Teil I der KI-Kolumne (Development-Phase)
Zu Teil II der KI-Kolumne (Schauspielbereich)
Zu Teil III der KI-Kolumne (Synchrobereich)
Zu Teil IV der KI-Kolumne (Dokumentarbereich)
Zu Teil V der KI-Kolumne (KI-Training und Opt-out)
Zu Teil VI der KI-Kolumne (KI-generierte Musik)