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Durchbruch bei Tarifverhandlungen 

Noch sind Themen offen – darunter vor allem jenes der Anwendung von KI. Aber in der achten Runde zäher Verhandlungen zum Mantel- und Schauspieltarifvertrag für die Herstellung von Film- und Fernsehproduktionen konnten sich BFFS, ver.di und die Produktionsallianz in wesentlichen Punkten einigen. Letztere spricht von einer „schmerzlichen, aber vertretbaren Einigung“.

Heinrich Schafmeister ist Bevollmächtigter des BFFS-Vorstands für Tarifverhandlungen (Credit: Jan Düfelsieck)

Der Bundesverband Schauspiel spricht von einem „bedeutenden Durchbruch“. Denn obwohl unter anderem die Verhandlungen zu einem der umstrittensten Kernthemen – dem Umgang mit KI in der Filmproduktion – noch weitergeführt werden müssen, konnten der BFFS und ver.di in der achten Runde der mit der Produktionsallianz geführten Tarifverhandlungen zum Mantel- und zum Schauspieltarifvertrag des TV FFS zu einem Großteil der Themen eine (vorläufige) Einigung erzielen.

Der neue Manteltarifvertrag hat eine Laufzeit bis 31.08.2027 und der Gagen-Tarifvertrag bis 31.12.2026.

Erhöhung der Einstiegsgage und der Tarifgagen

Für Schauspielerinnen und Schauspieler wird die Gagenuntergrenze für die ersten fünf Drehtage künftig auf 1.050 Euro je Drehtag angehoben. Ab dem sechsten Drehtag sinkt diese Gagenuntergrenze dann auf 900 Euro. Mit dieser Vergütung, die sich nur nach Anzahl der zu leistenden Arbeitstage vor der Kamera berechnet, werden nach Darstellung des BFFS alle zusätzlich zu leistenden Arbeitstage, die vor allem für Vor- und Nachbereitungsarbeiten wie bspw. Kostüm- und Maskenproben, Regiebesprechungen und das Lernen von Texten, Nachsynchron anfallen, abgegolten. „Führt man sich vor Augen, dass jeder von der Schauspieler:in zu leistende Drehtag in zahlreichen Arbeitstagen intensiv vor und nachzubereiten ist, so wird deutlich, dass die Erhöhung der Gagenuntergrenze, die seit vielen Jahren auf sich warten ließ, dringend geboten war“, kommentiert Bernhard F. Störkmann, geschäftsführender Justiziar des BFFS das Verhandlungsergebnis. Für das Team hinter der Kamera soll es wiederum zwei Gagenerhöhungen um je 2,5 Prozent ab März 2025 und Januar 2026 geben. Wie die Produktionsallianz betont, wurde für das „Krisenjahr“ 2024 eine Gagen-Nullrunde vereinbart.

Betriebliche Altersvorsorge

Gewerkschaften und Produktionsallianz haben sich tariflich darauf verständigt, die betriebliche Altersvorsorge über die Pensionskasse Rundfunk auf eine nachhaltige solide Grundlage zu stellen. Künftig werde durch diese Tarifeinigung die betriebliche Altersvorsorge nicht nur bei Produktionen für öffentlich-rechtliche Sender greifen, sondern auch bei solchen für private Sender, Streamingdienste und für Kinoproduktionen. Ziel der Tarifpartner sei es, diesen Tarifvertrag zur betrieblichen Altersvorsorge durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales für allgemeinverbindlich erklären zu lassen. „Die Pensionskasse Rundfunk ist das eigentliche ‘Standbein‘ für die Altersvorsorge von Filmschaffenden und Schauspieler:innen, die wegen ihrer ausnahmslos befristeten Dreh-Engagements nur sehr ungenügend in der Altersvorsorge gesetzlich abgesichert sind, deshalb ist diese nun erzielte Tarifeinigung so herausragend wichtig für unsere Kolleg:innen“, hebt Heinrich Schafmeister als Bevollmächtigter des Vorstands für Tarifverhandlungen.

eCasting-Standardregeln

Ein nun tariflich vereinbarte Einführung von Standardregeln zum eCasting im Schauspieltarifvertrag soll Schauspieler:innen in Zukunft vor ausufernden eCasting-Anforderungen bewahren. „E-Casting, also der Besetzungsprozess, bei dem Schauspieler:innen aufgefordert werden, zuhause bestimmte Vorsprechszenen aufzunehmen und diese den Besetzungsverantwortlichen zuzuschicken, verlangt von den Schauspieler:innen oft einen hohen Aufwand und enorme Kosten. Deshalb war es wichtig, hier nun Tarifstandards einzuziehen“, so Katharina Abt, Mitglied des BFFS-Vorstands.

Nachwuchsfilm-Tarifvertrag

Nachwuchsfilme, also Produktionen, bei denen Regisseur:innen als Debütant:innen zum ersten oder zweiten Mal die Regie übernehmen, werden künftig zu besonderen tariflichen Standards ermöglicht. Damit sol bei derartigen „Debüt-Produktionen“ ein Mindestmaß an fairen Arbeits- und Vergütungsbedingungen sichergestellt werden. Ein Arbeiten unterhalb aller tariflicher Mindeststandards für solche Filmproduktionen werde damit ein Riegel vorgeschoben. Schauspieler:innen, die in solchen Produktionen, die unter dem Nachwuchstarifvertrag hergestellt werden, engagiert werden, dürfen nicht unter der für diese Produktionen einzuhaltenden Gagenuntergrenze von 850 Euro je Drehtage vergütet werden.

Familienfreundlichere Arbeitszeiten

Laut BFFS wird die tägliche Arbeitszeit künftig uneingeschränkt nicht länger als zwölf Stunden dauern. Eine tägliche Arbeitszeit von über zehn Stunden solle demnach beim Team mit 25 Prozent und eine Wochenarbeitszeit von über 50 Stunden mit 50 Prozent zusätzlich vergütet werden. Nach je 21 Drehtagen erhalten Teammitglieder demnach einen bezahlten freien Tag. „Damit ist ein wichtiger Schritt zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Mitwirkende bei Filmproduktionen erreicht“, erklärt Katharina Abt.

Offene Fragen

„Die Verhandlungen zur Anwendung von KI gehen weiter und sollen in einem neuen KI-Tarifvertrag mit kurzer Laufzeit münden. Das bleibt ein Dauerthema, weil KI auch auf die Filmbranche in den nächsten Jahren große, aber noch nicht überschaubare Auswirkungen haben wird“, sagt Heinrich Schafmeister und ergänzt: „Auch unsere Forderungen zum Hinzuziehen von Intimacy Coordinators bei intimen und körpernahen Einsätzen und zur Themis Vertrauensstelle für sexuelle Belästigung und Gewalt sind nicht unter den Tisch gefallen.“

Die Stellungnahme der Produktionsallianz

„Die Tarifrunde war geprägt von der wirtschaftlichen Krise der Film- und Fernsehwirtschaft und stand deshalb unter schwierigen Vorzeichen. In insgesamt acht Tarifrunden haben wir seit Spätherbst 2023 hart miteinander gerungen und jetzt einen Durchbruch erreicht. Für die Arbeitgeber waren der Erhalt der flexiblen Arbeitszeiten ebenso wie Zurückhaltung bei den Gagenerhöhungen besonders wichtig. Nun ist klar: Weiterhin ist es möglich, dass die Produktionen dem Projektcharakter angemessene Arbeitszeiten nutzen können und zudem konnte für das Krisenjahr 2024 eine Nullrunde vereinbart werden. Das sichert Arbeitsplätze in Deutschlands Filmbranche“, so Björn Böhning, CEO und Sprecher des Gesamtvorstandes der Produktionsallianz.

Zur Einigung auf neue Arbeitszeitmodelle außerhalb einer Vier-Tage-Woche, die höhere Zuschläge für Mehrarbeit, reduzierte Verrechnungsmöglichkeiten sowie einen freien, bezahlten Tag je 21 Drehtage beinhalten, heißt es seitens der Produktionsallianz: „Dieser Kompromiss schafft mehr Gestaltungsräume für die Beschäftigten, ermöglicht den Produktionen aber weiterhin eine verlässliche und individuell gestaltbare Drehplanung.“

Björn Böhning weiter: „Wir haben eine in Krisenzeiten schmerzliche, aber vertretbare Einigung erzielt. Gerade mit der 48-monatigen Laufzeit des Tarifvertrages haben die Produzenten nun Planungssicherheit. Zusammen mit der Unterstützung durch die neue Filmförderungsreform können die Produzenten zuversichtlich in das kommende Jahr schauen. Die Sozialpartnerschaft in der Film- und Fernsehwirtschaft hat sich als Verantwortungsgemeinschaft in harten Zeiten bewährt.“

Die Tarifparteien werden die qualifizierten Eckpunkte nun ausformulieren und den Gremien zur Beschlussfassung vorlegen.