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REVIEW VENEDIG: „Wolfs“

Locker-alberne Actionkomödie mit Brad Pitt und George Clooney als Aufräumer, die es gewohnt sind, als einsame Wölfe zu arbeiten, und sich zusammenraufen müssen.

CREDITS: 
Land / Jahr: USA 2024; Laufzeit: 108 Minuten; Regie & Drehbuch: Jon Watts; Besetzung: Brad Pitt, George Clooney, Amy Ryan, Austin Abrams, Poorna Jagannathan, Zlatko Burić, Richard Kind; Plattform: Apple TV+; Start: 26. September 2024

REVIEW:
Es war einmal eine Großproduktion mit zwei Superstars in der Hauptrolle, inszeniert von einem der aktuell angesagtesten Regisseure Hollywoods, mit einem großen Kinostarts im September. Jetzt ist „Wolfs“ die erste Direct-to-Streaming-Produktion mit Brad Pitt und George Clooney in den Hauptrollen, der erste Direct-to-Streaming-Film in der Karriere von Jon Watts, der gerade mit „Spider-Man: No Way Home“ einen der erfolgreichsten Filme aller Zeiten gedreht hat. Auf den Filmfestspielen von Venedig ist die Krimikomödie jetzt das einzige Mal, dass sie in Europa auf der großen Leinwand zu sehen wird, wo der Film, wie Regisseur Watts noch vor kurzem betont hatte, hingehört. Warum Apple diese Kurzschlusshandlung getroffen hat, mag auf immer das Geheimnis des Konzerns bleiben. Klug war sie nicht. Nicht für Apple, schon gar nicht für die Kinobetreiber. Die hätten mit dem Film ab 19. September einen schönen Hit an der Hand gehabt. Das steht nach der Sichtung in Venedig fest.

Jon Watts’ „Wolfs“ mit Brad Pitt und George Clooney (Credit: Apple)

Nun ist „Wolfs“ kein Meisterwerk, beileibe nicht. Dafür ist er zu albern und selbstreferentiell. Aber genau das macht Spaß, ein unbeschwerter 108-minütiger Jux, der zwei perfekt aufeinandergespielten Superstars dabei zusieht, wie sie sich gegenseitig die Bälle zuspielen und sich gut aussehen lassen. Nichts steht auf dem Spiel. Allen Beteiligten ist bewusst, dass sie einen federleichten, lässigen Film machen, in dem es um absolut Nichts geht, außer die Zeit, die man mit ihm verbringt, unterhaltsam zu gestalten. Nun ist bekannt, dass wenige Dinge schwerer sind als das Leichte. Ebenso ist bekannt, dass genau dieses Leichte, Selbstverständliche, Entspannte, Coole das Markenzeichen von Brad Pitt und George Clooney ist, wenn sie gemeinsam vor der Kamera stehen, sei es in den „Ocean’s“-Filmen oder in der unterschätzten Coen-Brüder-Komödie „Burn After Reading“. Darauf setzt auch „Wolfs“, der tonal ziemlich mitten zwischen den beiden Marken angesiedelt ist. Das Déjà Vu ist die halbe Miete. Oder in diesem Fall wenigstens Dreiviertel der Miete.

Man mag die namenlosen Figuren, die Clooney und Pitt spielen, sofort. Man sieht Clooney und Pitt zusammen gerne, die wenig mehr machen, als ihre Starpower auf volle Leistung zu drehen und den Film erstrahlen zu lassen. Beide spielen sie „einsame Wölfe“, Aufräumer wie der von Harvey Keitel gespielte The Wolf (AHA!!!!), die man ruft, wenn aussichtslose Situationen geklärt werden müssen. Der ganze Witz von Jon Watts’ Drehbuch beruht darauf, dass die beiden nichts von der Existenz des anderen wissen und scheinbar zufällig zu ein und demselben Tatort gerufen werden: Die Bezirksanwältin von New York ist spontan mit einem deutlich jüngeren Kerl in ein Zimmer in einem Luxushotel gegangen. Jetzt liegt die Leiche des Jungen neben dem Bett, von dem er gestürzt ist, mitten in einen gläsernen Beistelltisch, Blut überall. Ein Fall für den Wolf. Und den anderen Wolf. Dass sich die beiden sofort nicht ausstehen können und nur höchst ungern überredet werden, diesmal gemeinsame Sache zu machen, ist nicht die einzige Komplikation an diesem Abend: Im Rucksack des Jungen finden sie vier Blöcke hochwertiges Kokain, und der Junge ist nicht ganz so tot, wie zunächst angenommen. Ausgangspunkt für ein paar beschwingte Kabinettstückchen wie eine irre Verfolgungsjagd durch die verschneiten Straßen des nächtlichen New York oder eine noch irrere Tanzeinlage in einer Disco, in der die Tochter eines kroatischen Gangsterbosses Hochzeit feiert. 

Jon Watts’ „Wolfs“ mit Brad Pitt und George Clooney (Credit: Apple)

Absolut nichts ist glaubwürdig, absolut alles ist erschütternd lustig. Das New York, in dem sich diese Reise ans Ende der Nacht abspielt, sieht zwar aus wie New York, fühlt sich aber an, als hätte man es aus der Welt von „John Wick“ entlehnt. Entscheidend ist, dass es eine gute Kulisse ist, in deren Vordergrund Pitt und Clooney sichtlich Freude haben an der Anwesenheit des anderen und den geschliffenen Dialogen, für die Jon Watts viel Tarantino und Coens geguckt haben muss. Amy Ryan und Zlatko Burić schauen vorbei auf launige Gastauftritte und tun, was man sich von ihnen erwartet, sind aber doch nur Stichwortgeber. Einen bleibenden Eindruck hinterlässt bestenfalls Austin Abrams als quicklebendiger Junge, der sich als ganz anders entpuppt, als man sich ihn eingangs vorgestellt hat. Was man von „Wolfs“ selbst nicht erwarten darf: Der Film ist vielmehr genauso, wie man es sich vorstellt. Und das ist ein Kompliment. 

Thomas Schultze