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Christoph Gröner & Julia Weigl: „More Telluride, less Toronto!“

Dreieinhalb Wochen noch, dann gilt es wieder für das FILMFEST MÜNCHEN. Die 41. Ausgabe des zweitgrößten Filmfestivals auf deutschem Boden wird die erste unter der neuen Leitung von Christoph Gröner und Julia Weigl sein, die in ihrem ersten großen gemeinsamen Interview skizzieren, wie groß ihre Pläne sind.

Christoph Gröner & Julia Weigl: Als Festivaldirektor und Ko-Künstlerische Leitung sind die beiden seit diesem Jahr für das Filmfest München verantwortlich (Credit: Filmfest München)

Das Jahr 2024 hielt für das FILMFEST MÜNCHEN bereits einige aufregende Neuerungen bereit, mit der ihr die ein oder andere hohe Welle geschlagen habt: War für Sie beide sofort klar, in welche Richtung Sie das Filmfest lenken wollen, wie Sie es in gewisser Weise auch ein stückweit zu Ihrem Filmfest machen werden?

Christoph Gröner: Bei unserer gemeinsamen Geschäftsreise nach New York im September 2023 haben wir noch einmal viel Inspiration gesammelt. Wir wussten, dass wir das Design vereinheitlichen und tolle Mitarbeitende dahinter versammeln wollen. Wir wussten auch, dass wir in den letzten Jahren unglaublich stark geworden sind, was das deutsche Filmschaffen anbelangt und insofern diesbezüglich unser Auftreten als Nummer-1-Plattform wichtig sein würden. Wir wussten indes nicht, ob wir auch mit Studiochefs, Managern und Indies sowohl in New York wie auch Los Angeles eine gemeinsame Sprache finden können. Ein Blick zurück in das große Erbe des FILMFEST MÜNCHEN hat uns gezeigt, dass die USA in den frühen Jahren des Festivals eine sehr wichtige Schlüsselfunktion hatten. 

Julia Weigl: Und diese wollen wir wiederbeleben. Unsere erste strategische USA-Reise in die USA war wie eine Feldstudie, ein Herausfinden, welche Aufgabe FILMFEST MÜNCHEN von einem internationalen Blickwinkel betrachtet, übernehmen kann und soll. Uns geht es hierbei um zwei Punkte. Zum einen sehen wir das FILMFEST MÜNCHEN als ein Festival für Entdeckungen, weshalb wir seit 2023 auch auf internationale Weltpremieren setzen. Diesen Aspekt wollen wir verstärken und genau prüfen, wie wir für einen internationalem Film die perfekte Startrampe sein können, wie wir ihn einrahmen, kontextualisieren können, damit dieser Film weiterleben kann.  

Christoph Gröner: Das hat im letzten Jahr mit „The Edge of Everything“ wunderbar funktioniert: Dieses US-amerikanische Debüt feierte bei uns seine Weltpremiere und gewann Anfang 2024, mitten in der Oscar-Season, einen der wichtigsten Independent-Preise im Rahmen des Santa Barbara Film Festivals. Das war für uns ein wunderbares Zeichen, dass diese Strategie aufgehen kann. 

Und der zweite Punkt? 

Julia Weigl: Als Festival brauchen und wollen wir große Namen, große Stars – Stars, die ein großes Publikum anziehen, aber auch für die deutsche Branche interessant sind. Diese großen Namen wollen wir aber nicht einfach einkaufen – das könnten wir uns auch gar nicht leisten. Das richtige Stichwort ist hier „Mission“: Wir wollen Stars mit einem Herzensprojekt oder ganz besonderen Kontextualisierung zu uns bringen. 

„Wir bekommen ein großes Vertrauen von der Politik gespiegelt.”

Julia Weigl

Das ist Ihnen dieses Jahr mit Jessica Lange und Kate Winslet bereits gelungen… 

Julia Weigl: Absolut! Jessica Lange ehren wir zusätzlich mit einer Fotoausstellung. In Deutschland weiß sicher so gut wie niemand, dass sie auch Fotografin ist. Unser neuester Coup ist, dass wir nicht nur Filme ihrer zurückliegenden Karriere zeigen, sondern tatsächlich auch einen aktuellen Film. Sie und ihr Management haben HBO überzeugt, dass wir „The Great Lillian Hall“ erstmals in Europa präsentieren dürfen. Der Film startete zwar schon Ende Mai in den USA direkt auf der Plattform von HBO, ist international aber noch nicht verkauft. Und Kate Winslet kommt mit ihrem Herzensprojekt „Die Fotografin“ zu uns, in dem sie als Kriegsfotografin Lee Miller zu sehen ist. Winslet hat den Film auch koproduziert. Jessica Lange und Kate Winslet: dieses Duo ist die perfekte Mischung für uns. 

Christoph Gröner: Um noch einmal auf unsere Reise nach New York zurückzukommen: In unseren vielen Gesprächen haben uns viele Leute bestätigt, dass sie heraushören, dass das FILMFEST MÜNCHEN „more Telluride, less Toronto“ ist. Natürlich haben wir unsere Isar-Carpets, die künftig übrigens türkis sind. Aber uns geht es um ein Miteinander, um eine Nahbarkeit mit Kino im Mittelpunkt: Stars, Publicists, Manager sind interessiert am unmittelbar realen Miteinander als Gegenbild zu einer Instagramisierung, dem Social-Media-Wahnsinn mit rein digitalen Personae. Wir konnten uns nicht vorstellen, wie nett die Teams von Jessica Lange und Kate Winslet sind! 

Kate Winslet als Lee Miller in „Die Fotografin”; die Oscarpreisträgerin kommt mit diesem Film nach München und wird mit dem Cine Merit Award geehrt (Credit: Kimberly French/Sky UK Ltd)

More Telluride, less Toronto ist ein schönes Stichwort. Inwiefern spielte unter diesem Motto der Prozess der Umgestaltung des Festivals eine Rolle? Zum neuen Konzept gehören u.a. ein neues Gesamtdesign, Vereinheitlichung der Preise, mit CineYou eine stärkere Einbindung des jungen Publikums…. Haben Sie alles so umsetzen können, wie Sie wollten? 

Julia Weigl: Wir sind auf jeden Fall weit gekommen, weiter, als wir erwartet hatten. Hier wollen wir auch unserem Team danken. Im Januar gab es einen Schlüsselmoment, als unser Team fragte, ob wir nicht die Indie-Party zurückbringen wollen. JA, BITTE! Sie ist wie der letzte Teil eines Puzzles, der uns gefehlt hat. CineYou sagt alles: Wir wollen als Publikumsfestival das Münchner Publikum anziehen, wollen als Festival partizipativer sein, stärker ein jüngeres Publikum anziehen, ohne das ältere Publikum zu vernachlässigen. Wir wollen dem Kino Raum öffnen. Gleichermaßen möchten wir für die deutsche Branche noch wichtiger werden. Und ein Schlüssel dazu war immer die Indie-Party. Alle wollten da hin, Branche, Presse, alle. Dass wir sie kurz vor der Pandemie verloren haben, war traurig. Dass jetzt, im ersten Jahr mit Christoph und mir an der Spitze, aus dem Team die Ambition kam, die Party in neuer Form wiederherzustellen, ist fantastisch. Das legt Zeugnis ab von der Energie, die bei uns lebt. Das Filmfest ist mehr als ein Präsentationsort von Filmen, es vermittelt dieses spezielle gemütliche München-Gefühl des Zusammenkommens, an Orten, an denen man über die gesehenen Filme sprechen kann, wo man abhängen kann. Wir wollen ein Lebensgefühl vermitteln. Das spiegelt sich auch in unserem neuen Design wider. 

Christoph Gröner: Natürlich wussten wir am Anfang unseres Weges nicht, ob es uns gelingen würde, auch unsere Struktur der Preise zu vereinheitlichen. Das haben wir tatsächlich geschafft! Uns war wichtig, dass die Botschaft eines Preises nicht durch sein Gewicht strahlt, durch seine wie auch immer geartete Materialität, sondern durch seine Idee! Die Idee der Bewegung, der Neufindung, der Neuentwicklung – eben wie eine Welle. Diese Idee lebt in unserem Festival und wird von uns ernstgenommen. Das FILMFEST MÜNCHEN wird sich ständig weiterentwickeln müssen. Wir sind auf einem guten Weg, aber da gibt es noch viele Schritte, die die nächsten Jahre hoffentlich prägen werden.

Jessica Lange bekommt ebenfalls den Cine Merit Award in München; die Schauspielerin ist nicht nur mit einer Foto-Ausstellung in München präsent, sie bringt auch ihren neuen Film „The Great Lillian Hall” mit (Credit: HBO/YouTube)

Sie kommen bislang verstärkt aus dem Programmbereich. Wie sind Ihre ersten Erfahrungen als Leiter? Wie gestaltet sich der organisatorische Bereich, wie sieht die politische Arbeit aus, erfahrungsgemäß nicht immer ganz einfach im Spannungsfeld zwischen Stadt München und dem Freistaat Bayern? 

Julia Weigl: Wir bekommen ein großes Vertrauen von der Politik gespiegelt, was sicherlich damit zusammenhängt, dass wir uns ganz konkret überlegen, was die Erwartungshaltung unserer Gesellschafter und die Erwartungshaltung der Politik an uns ist. Der Stadt ist die Tatsache wichtig, dass wir ein Publikumsfestival sind und damit zur Gestaltung unterschiedlicher Angebote für die Stadtgesellschaft beitragen. Dem Freistaat Bayern ist die Promotion des Medienstandorts Bayern mit München als Nabel wichtig, wozu wir wunderbar beitragen können, im Themenspektrum FFF-geförderte (Ko)Produktionen aus Bayern. 

Christoph Gröner: Wir erkennen, dass sich Stadt und Land wunderbar darauf einigen können, dass man Film aus diesen genannten Gründen gemeinsam feiern will. Wir sind das Festival mit der stabilsten Finanzierung in ganz Deutschland, nämlich einer paritätischen Finanzierung. Dafür können wir unseren Gesellschaftern nicht oft genug danken. Die neuen Schritte, die wir eingeleitet haben, führen zu schönen Zeichen. Eines der schönsten Zeichen ist, dass wir dieses Jahr auf einen sehr deutlichen Anstieg der Early-Bird-Akkreditierungen blicken können. Unser Bemühen, ein Festival von höchster Qualität und familiärem Gestus anzubieten, trifft offenbar auf großes Interesse bei den Menschen. 

Julia Weigl: Damit wir als Publikumsfestival relevant sein und bleiben können, brauchen wir eine starke Industry-Plattform. Dafür müssen wir interessante Aktivitäten planen und Neuerungen einführen. Ein neues Tool ist unser Industry-Newsletter, den es seit ein paar Wochen gibt und der super funktioniert, fantastische Click-Rates hat. Wir erhalten tolles Feedback und sehen eben an den Zahlen der Akkreditierungen, dass sich die Branche gut informiert fühlt. Die CineCoPro Conference während des Filmfests ist unser zweites Tool, das dahingehend wichtig ist. 

„Das Prinzip der Reihe Neues Deutsches Kino bleibt gleich: Eklektik, Eklektik, Eklektik!”

Christoph Gröner

Kathrin Habenschaden war als zweite Bürgermeisterin eine engagierte Unterstützerin des Filmfests. Spürt man, dass sie nicht mehr da ist? Gibt es bereits jemand, der ihre Rolle übernommen hat? 

Christoph Gröner: Die Struktur des Aufsichtsrats der Internationalen Münchner Filmwochen IMF hat sich verändert. Neu als Vorsitzender ist Staatsminister Dr. Florian Herrmann genauso wie unser Kulturbürgermeister Dominik Krause als stellvertretender Vorsitzender – der seit vielen Jahren Veranstaltungen des FILMFEST MÜNCHEN kennt. Er ist dem Film verschrieben und wir haben in ihm einen genauso großen Verfechter des Films wie es Kathrin Habenschaden war. Er war sogar bei unserem Networking-Event mit den europäischen Spitzenfestivals in Cannes dabei. Gleichzeitig freut es uns, dass uns die Staatskanzlei und Staatsminister Herrmann, umgesetzt durch den FFF Bayern, die Unterstützung gegeben haben, um den hochdotierten CineCoPro Award zurückbringen zu können. Unser Eindruck ist: unsere Gesellschafter ziehen wirklich an einem Strang, um das FILMFEST MÜNCHEN weiterzuentwickeln und goutieren unsere Strategie – das erleben wir als Ansporn.  

Mussten Sie nicht viel Überzeugungsarbeit leisten beim CineCoPro Award? Und ist er für die nächsten Jahre gesichert?  

Christoph Gröner: Es ist das Glück des Moments. Die Frage der Koproduktionen steht ganz im Zentrum der Diskussionen in Bayern und Deutschland und wir spüren, dass der Freistaat eine große Chance darin sieht, Koproduktionen zu fördern.  

Julia Weigl: Wenn ich hier die Brücke nach Cannes schlagen dürfte, wo es immer heißt, es sind keine deutschen Filme in Cannes. Man kann das Narrativ auch mal umdrehen und sagen, es sind viele tolle Filme mit einer deutschen Beteiligung in Cannes. Ein großes aktuelles Beispiel aus Bayern ist „Rumours“, der zu fast 50 Prozent von Philipp Kreuzers Maze Pictures produziert wurde. Mo Harawes Un-Certain-Regard-Beitrag „The Village Next to Paradise“ ist auch so ein Beispiel. Es gibt also sehr wohl deutsche Filme in Cannes, nur sind sie auf dem ersten Blick erst einmal keine deutschen Produktionen. 

Sie haben sich auch als Programm-Team neu sortiert bzw. um Scouts erweitert… Waren Sie denn bei der Kuratierung der 41. Runde erfolgreich? Konnten Sie durch die Scouts bereits eine gute Ernte einfahren? 

Christoph Gröner: Wir fühlen uns als ein Festival, das mit Katalogtiteln und ungewöhnlichen Werken ungefähr 150 Filme spielt, sehr wohl. Durch die Scouts und die Kreativität unseres Teams hatten wir die Qual der Wahl, wie wir vorangehen, was wir nach vorne stellen. Es entstanden wahnsinnig schöne Ideen! 

Julia Weigl: Wir sind angetreten mit der Idee, die Arbeit mit den Scouts auszuprobieren, waren gespannt, wie sich das mit dem Team einspielt, sich neue Gefüge, neue Strukturen bilden. Daniel Asadi Faezi und Mila Zhluktenko haben nun eine Hommage auf den iranischen Filmemacher Sohrab Shahid Saless und einen Länderschwerpunkt zur Ukraine kuratiert. Durch die Scouts, zu denen auch noch Sandra Engler und Karen Arikian gehören, können wir eine Perspektiverweiterung bei uns innerhalb des Festivals abbilden, einen anderen Blick auf Deutschland, die deutsche Filmgeschichte. Das ist ein Geschenk. 

Aus der Reihe Neues Deutsches Kino: „Petra Kelly - Act Now” (Credit: Bildersturm Filmproduktion)

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Werfen wir einen Blick auf den zentralen Motor, die Reihe Neues Deutsches Kino: Welche Impulse sind hier zu erkennen? Was zeichnet das aktuelle deutsche Filmschaffen aus? 

Christoph Gröner: Die Reihe zeichnet sich dadurch aus, dass sie jetzt von drei Menschen kuratiert wird, neben mir nun auch von Julia Weigl und Urs Spörri. Das innere Gespräch der letzten Jahre, das ich mit mir hatte, hat sich komplett verändert und macht die Reihe schlicht viel besser. Das Prinzip bleibt weiterhin: Eklektik, Eklektik, Eklektik. Möglichst gegenläufige, aufeinanderprallende Stimmen. In diesem Sinne sind wir extrem glücklich mit der Reihe. Es fällt schwer, Dinge herauszuheben. Würdest du, Julia, bestimmte thematische Linien sehen? 

Julia Weigl: Es haben uns wahnsinnig viele Filme erreicht, uns ist die Auswahl sehr schwergefallen, und wir hätten natürlich locker mehr Filme aufnehmen können. Allerdings sind 16 Titel die perfekte Größe für die Reihe, damit wir den Filmen auch den nötigen Fokus geben können, den wir ihnen geben wollen. Um das breite Spektrum aufzumachen, fange ich bei unserem Eröffnungsfilm an, der zur Reihe Neues Deutsches Kino gehört, „Zwei zu eins“ von Natja Brunckhorst, eine sehr kluge Komödie für ein breites Publikum. Auf der anderen Seite haben wir das dokumentarische Äquivalent dazu, den Eröffnungsfilm der Reihe Neues Deutsches Kino, „Petra Kelly – Act now!“ von Doris Metz, der ein politisches Bewusstsein hat und zurückblickt in die Geschichte der Grünen und des Feminismus. Und um noch einen Titel herauszupicken: „Frisch“ von Damian John Harper ist ein Genrefilm durch und durch, der eine andere Facette reinbringt und wirklich austariert, was man heute noch machen kann, was nicht… Mit diesem und einigen anderen Werken bilden wir gegen Ende des Festivals einen kleinen Genre-Schwerpunkt. Um sich damit auseinanderzusetzen: Was kann Genre heute noch sein, was möchte Genre noch sein. 

Christoph Gröner: Wir werden nach dem ersten Sonntag mit „Petra Kelly – Act now!“ „Sonnenplätze“ zeigen, der, wie wir glauben, ein sehr maßgeblicher Film aus München ist und der von der Stadt München jetzt schon einen der Starter-Filmpreis zugesprochen bekommen hat. Auch freuen wir uns auf die Rückkehr des Muxismus mit „Muxmäuschenstill x“ und auf „Sad Jokes“, den Film von Fabian Stumm sowie auf Angelina Maccarones Film „Klandestin“, ein international aufgestelltes Projekt mit Lambert Wilson und Barbara Sukowa… Die Reihe Neues Deutsches Kino hat mittlerweile den Ruf, dass hier die Namen entdeckt oder wiederentdeckt werden. Eine Mischung zwischen Jung und Etabliert. Das ist auch dieses Jahr wieder aufgegangen. 

Julia Weigl: Unsere Identität als Startfestival für die deutschen Filme, die bei uns ihre Reise beginnen und auch zu internationalen Festivals führt, geht auch dieses Jahr wieder auf. „Xoftex“ von Noaz Deshe feiert parallel in Karlovy Vary Weltpremiere, was wunderbar passt, weil der Film im besten Sinn eine deutsche Produktion mit internationalem Anspruch ist. 

Christoph Gröner: „Another German Tank Story“ von Jannis Alexander Kiefer teilen wir uns mit Schanghai. Wir begrüßen diese Teilungen mit anderen Festivals und sehen jetzt schon 70 bis 80 Prozent der Beiträge unserer Reihe Neues Deutsches Kino nach unserem Festival in einem internationalen Run. 

Guy Maddins zusammen mit Evan und Galen Johnson gedrehte verrückte Komödie „Rumours“ wurde von Maze Pictures koproduziert (Credit: 2024 Rumours)

Sie kommen gerade aus Cannes: Welche Schätze haben Sie mitgebracht?  

Christoph Gröner: Den ersten Titel haben wir bereits verraten: „Rumours“ von Guy Madden. Er ist zeitgeistig, witzig und ein zentraler Titel bei uns im Programm. Wir erwarten fünf bis sechs Filme aus dem Hauptwettbewerb, unter anderem den neuen Jia Zhang-ke, ein alter Bekannter unseres Festivals… Wir haben das Cannes-Volumen nun mit unseren sehr erfahrenen Programmern Bernhard Karl und Florian Borchmeyer auf 14 Produktionen kondensiert. Warum? Weil wir für unsere sechs Weltpremieren Raum schaffen wollten.  

Julia Weigl: Die Verschiebung von Tribeca näher zu uns lässt auch noch mal einen anderen Spielraum, was uns wichtig ist. Somit können wir ein paar Titel direkt aus Tribeca nachspielen, unter anderem eine deutsche Koproduktion, die dort zehn Tage vorher Weltpremiere feiert und dann bei uns im CineCoPro läuft, sowie einen US-Independentfilm. So zeigen wir frische Titel aus Cannes und Tribeca. Eine schöne Entwicklung. 

Julia Weigl & Christoph Gröner: „Der offene Dialog über Themen, die unsere Welt, unsere Gesellschaft gerade einnehmen, ist wichtig, dass wir in die Zukunft gehen können. Und zwar gemeinsam” (Bojan Ritan/FFMUC)

Das FILMFEST MÜNCHEN steht auf sicheren finanziellen Beinen. Doch insgesamt herrscht bei den Filmfestivals in Deutschland eher eine angespannte Situation, viele sind unterfinanziert, müssen um Förderung bangen… Das FILMFEST MÜNCHEN gehört mit 129 andern Festivals zur AG Filmfestival. Ist dies dort ein Thema? Wie wird man dem begegnen? 

Julia Weigl: Vorab: Es ist wichtig, dass sich die AG damals überhaupt gegründet hat, weil Lobbyarbeit für Festival und Festivalmachen essenziell wichtig ist. Themen sind eine faire Bezahlung der Mitarbeitenden, die Grundfinanzierung der Festivals, ein Verständnis dafür zu erreichen, dass Festivalarbeit auf Freiwilligenarbeit basiert, es aber anderenorts, wie bei uns eine reale bezahlte Arbeit ist, und das Spektrum der unzähligen Filmfestivals, die es in Deutschland gibt, aufzuzeigen, zu vereinen und abzubilden und aufmerksam zu machen, dass die Festivals in der Auswertungskette von Filmen, eine zentrale Position haben für sehr viele Filme. Es kommen immer weniger kleine Filme ins Kino. Wir können die Blicke auf bestimmte Produktionen lenken, damit sie weiterleben können. Das ist Lobbyarbeit. Die findet in der AG Filmfestival statt. Dass Finanzierung gerade für kleinere Festivals immer schwieriger wird, sehen wir überall. Da können wir als großes Festival unsere Aufgabe wahrnehmen, Film sichtbar zu machen, Festival sichtbar zu machen, in der Presse, in der Gesellschaft und in der Politik. In der Hoffnung, dass sich das auch auf andere Festivals transportiert und vermittelt, dass auch die im Idealfall wieder zu mehr Sichtbarkeit kommen. 

Christoph Gröner: Eine kleine Geste unsererseits ist, dass wir die Festivalleiter:innen, die in der AG Filmfestival organisiert sind, mit einer kostenlosen Akkreditierung ausstatten können, damit sie hier sehr früh Filme sehen können und dann lokal bei ihren eigenen Festivals spielen können. Es gibt wenige Premierenplattformen, aber eben sehr viele Festivals in Deutschland. Wir sehen, dass an vielen Ecken und Enden dieses Landes mit der zunehmend schwierigen Finanzierungssituation von Kommunen zuerst die Kultur hinterfragt wird. Wir können nicht oft genug sagen: Kultur ist die Basis einer resilienten Gesellschaft. Insofern sollten die Kommunen alles tun, um diese Basis nicht weiter zu erodieren, sondern weiter zu unterstützen. Unsere Situation, in München, in Bayern zu gestalten, empfinden wir als Privileg aber genauso als Verantwortung, mit diesen uns zur Verfügung gestellten Mitteln die maßgebliche Sommerpremieren-Plattform zu gestalten und weiterzuentwickeln. 

Julia Weigl: Was nicht bedeutet, dass nicht auch in München gespart wird, was Kultur angeht. Auch Theaterhäuser bekommen weniger Geld, städtische Kultureinrichtungen… Der Sparkurs ist auch hier zu spüren. Aber wir wollen Begeisterung entgegensetzen und sagen: Film ist wichtig! Kultur ist wichtig! Der offene Dialog über Themen, die unsere Welt, unsere Gesellschaft gerade einnehmen, ist wichtig, dass wir in die Zukunft gehen können. Und zwar gemeinsam. 

Das Gespräch führte Barbara Schuster

41. Filmfest München

Festivalzentrum Amerikahaus (Credit: Bernhard Schmidt)