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Sylke Gottlebe & Sven Pötting vom Filmfest Dresden: Mehr Sichtbarkeit für den Kurzfilm

Morgen, am 16. April, startet das Filmfest Dresden – International Short Film Festival. Sven Pötting, Kurator und Programmkoordinator, und Sylke Gottlebe, Co-Festivalleiterin, geben einen Einblick ins Programm und das Selbstverständnis des Festivals.

Um was wird es in Ihrer Ausgabe 2024 gehen?

Sven Pötting: Im Rahmen seiner Sonderprogramme wird das Filmfest Dresden unter dem Titel „Dreaming Utopia: Alles wird gut“ verschiedene Formen und Manifestationen von Utopien erkunden. Utopien sind Visionen des „Nicht-Unmöglichen“, kollektive Projektionsfläche für Hoffnungen und laden zum Träumen ein. In Zeiten mit einer derart komplexen politischen Gemengelage wie diesen ist dies besonders wichtig. Unsere Sonderprogramme beschäftigen sich beispielsweise mit Themen wie Künstlicher Intelligenz, greifen kapitalismuskritische Utopien auf, tauchen in den Kosmos des Afrofuturismus ein oder fragen sich, wie wir in Zukunft leben wollen. 

Was sind die Höhepunkte, was darf man nicht verpassen?

Sven Pötting: Neben den Wettbewerben, die das Herzstück des Festivals sind, sollte man sich keinesfalls die Performance von „Total Refusal“ entgehen lassen. Das „pseudo-marxistische Medienkollektiv“ – so die augenzwinkernde Selbstbezeichnung – arbeitet mit künstlerischen Interventionen in Mainstream-Videospielen. Wir freuen uns, dass „Total Refusal“, die unter anderem mit dem Europäischen Filmpreis ausgezeichnet wurden und von Filmfestivals weltweit angefragt sind, auch eines unserer Schwerpunktprogramme kuratiert haben. Spannend wird auch die Trickfilmshow von und mit Thomas Stellmach. Der Oscargewinner präsentiert uns einige seiner preisgekrönten Werke und plaudert aus dem Animationsfilmer-Nähkästchen.

Wer ist das Publikum für Ihr Festival?

Sylke Gottlebe: Das Filmfest Dresden ist von Beginn an ein starkes Publikumsfestival. Wir freuen uns jedes Jahr über den großen Zuspruch des Dresdner Publikums. Im vergangenen Jahr konnten wir insgesamt 17.000 Festivalgäste verzeichnen. Unser Publikum umfasst mehrere Generationen. Angefangen von den jüngsten Kurzfilmfans in den Programmen der Kinder- und Jugendsektion strömen junge, Kunst- und Filminteressierte in die Festivalkinos. Auch viele Dresdnerinnen und Dresdner, die mit dem Kurzfilm und dem Festival groß geworden sind, können wir zu den zahlreichen Veranstaltungen begrüßen. Zudem hat sich das Festival in den vergangenen zwölf Jahren mit seinen vielschichtigen Fachprogrammen in der Sektion „etc. – events. trainings. connections.“ zu einem beliebten Branchentreff der nationalen und internationalen Filmszene entwickelt. In diesem Jahr erwarten wir über 600 Fachbesucherinnen und Branchenvertreter.

„Bitte.Danke.Genau“ von Polina Kundirenko läuft im Nationalen Wettbewerb (Credit: Filmfest Dresden)

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Welche Hürden gab es bei der Organisation zu überwinden?

Sylke Gottlebe: Jeder Festivaljahrgang ist von Herausforderungen in unterschiedlichen Bereichen geprägt – von der Administration über Filmauswahl bis hin zur Kopienbeschaffung. Wir setzen uns sehr dafür ein, das Festival mit einer soliden Grundfinanzierung abzusichern. Neben der institutionellen Förderung von Stadt und Land benötigt das Filmfest Dresden die finanzielle Förderung von vielen Förderinstitutionen, Unterstützenden und Partnern, um das erreichte Qualitätsniveau und den Anspruch an die Festivalstrahlkraft zu halten. Gerade im Bereich der Entlohnung sind wir noch weit von den tariflichen Standards der städtischen Kultureinrichtungen entfernt. Wir bemühen uns um eine faire Festivalarbeit und faire Vergütung aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Es verlangt eine große Anstrengung, die Ausschreibung von 16 Festivalpreisen in den drei Wettbewerbssektionen zu halten. Auch in diesem Jahr haben wir es geschafft, Auszeichnungen in einer Gesamthöhe von 72.000 Euro vergeben zu können. 

Was beschäftigt Sie außerdem?

Sylke Gottlebe: Neben der Festivalorganisation beschäftigten uns die aktuellen filmpolitischen Ereignisse, insbesondere die Novelle des Filmförderungsgesetzes FFG. Die im Entwurf vorgesehene Streichung der Abspielförderung von Kurzfilm im Kino ist ein wichtiges Thema für uns. Wir sehen darin einen dramatischen Einschnitt in die Sichtbarkeit und Auswertungsformen von Kurzfilmen außerhalb der Festivallandschaft. Wir werden in den kommenden Festivaltagen jede Möglichkeit nutzen, um mit Branchenvertretern, Multiplikatoren und Entscheidern über die Stärkung des Kurzfilms zu diskutieren. 

Welchen Stellenwert genießt Ihr Festival in Ihrer Stadt?

Sylke Gottlebe: Seit über 30 Jahren erhält das Filmfest Dresden eine institutionelle Förderung durch die Landeshauptstadt Dresden und gehört zu den wichtigsten Ereignissen der Kunst- und Kulturstadt. Über den Festivalzeitraum hinaus sind wir im ganzen Jahr mit zahlreichen Veranstaltungen präsent. Wir haben die wunderbare Möglichkeit, eine Kurzfilmnacht und ausgewählte Kurzfilme als Vorfilme im Rahmen der Filmnächte am Elbufer zu präsentieren. Mit verschiedenen Kooperationspartnern zeigen wir thematische Kurzfilmprogramme an unterschiedlichen Spielorten zu verschiedenen Anlässen – Stadtteilfeste, Comicfest in der Städtischen Bibliothek und die beliebte Museumsnacht – um nur einige Beispiele zu nennen. Damit geben wir dem Kurzfilm mehr Sichtbarkeit und suchen neue Publikumsgruppen.

Worauf freuen Sie sich am meisten?

Sven Pötting: Wir hoffen natürlich auf zahlreiche Zuschauerinnen und Zuschauer. Es ist immer ein besonderes Highlight, unsere Programme in vollen Kinosälen oder beim Open Air auf dem gut besuchten Schlossplatz zu präsentieren und diese dann mit unseren zahlreichen Festivalgästen, darunter viele Filmschaffende, zu diskutieren.

Sylke Gottlebe: Wir sind sehr gespannt auf die Präsentationen unseres Jungen Kuratoriums, einer Gruppe von filmbegeisterten Kindern und Jugendlichen, die ihre selbst ausgewählten und altersgerecht kuratierten Programme dem Publikum vorstellen werden – mit eigener Moderation und Gesprächen mit den Filmschaffenden. Das Junge Kuratorium zählt auch zu den Alleinstellungsmerkmalen in der überregionalen Festivallandschaft.  

Barbara Schuster