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Showrunner Bill Lawrence über „Bad Monkey“: „Es war einfach. Und es war schwer.“

Bill Lawrence ist spätestens seit „Scrubs“ eine Legende im amerikanischen Fernsehen. Nach „Ted Lasso“ und „Shrinking“ ist gerade seine dritte Serie für Apple TV+ gestartet: Der Showrunner erzählt, was „Bad Monkey“ ungewöhnlich und unwiderstehlich macht. Und persönlich obendrein.

Bill Lawrenceauf der Premiere von „Carl Hiaasen’s Bad Monkey“ (Credit: Imago / ZUMA Press Wire)

Wie viel erzählt „Bad Monkey“ über Florida?

Bill Lawrence: Die Familie meiner Mutter ist fest verwurzelt in Florida, eine Familie von Fischern, meine Eltern sind mittlerweile auch nach Florida gezogen. Ich kenne diese Figuren aus „Bad Monkey“ mehr oder weniger in- und auswendig. Ich bin mit ihnen großgeworden. Sie sind echt. An der literarischen Welt von Carl Hiaasen gefällt mir, dass einem diese Gestalten ungeheuerlich vorkommen, herrlich übertrieben, wie aus einem Comic. Aber ich habe sie allesamt schon live erlebt. Mein Zugang zu dem Stoff ist also sehr persönlich. Ich kenne die Welt. 

Klingt nach einer tollen Familie.

Bill Lawrence: Das können Sie laut sagen! Meine Eltern wollten am liebsten ihre Ruhe haben und Wein trinken. Deshalb wollten sie meine Cousins und mich loswerden und schickten uns immer zum Fischen. Ich hasse Fischen! Ich hasse es! Und meine Cousins fuhren voll darauf ab. Wir tuckerten also auf einem Boot auf dem St. Jones River dahin, und ich nahm meistens ein Buch mit, oft war das ein Krimi von Carl Hiaasen. Meine Cousins hänselten mich als „College“, weil ich Bücher las. Ich meine: Klar, tolle Bücher, aber immer Krimis. Das ist eine bleibende Erinnerung. Man kann also sagen, dass „Bad Monkey“ jetzt eine sehr persönliche Sache ist. Oder zumindest eine Sache, zu der ich einen sehr persönlichen Zugang habe. Was ich übers Geschichtenerzählen weiß, habe ich von Carl Hiaasen gelernt, auf diesem ollen Boot. 

„Carl Hiassen’s Bad Monkey“ mit Vince Vaughn (Credit: Apple)

Was genau haben Sie gelernt?

Bill Lawrence: Ich habe schnell gelernt, dass mir Carls Erzählhaltung zusagte. Ich mag Komödie, die sich auf dem Geplauder der Figuren entwickelt und tatsächlich etwas erzählt über die Charaktere, in der es um etwas geht. An Carl Hiaasen und seinen Geschichten mag ich am meisten, und ich denke, ich mache das in meinen Fernsehserien, dass man sich, wenn man eines seiner Bücher kauft – oder eben „Scrubs“ oder „Shrinking“ ansieht -, Komödien erwartet und dann feststellt, dass es figurenbezogene Geschichten sind, die tatsächlich etwas über Menschen zu erzählen haben. Ich jedenfalls liebe es, ernste und ernstzunehmende Dramen zu erleben, die sich aus verrückten Situationen und Unterhaltungen, die aus ihnen ergeben, entwickeln. 

Da kommt es auf die richtige Dosierung an, richtig?

Bill Lawrence: Es ist, wie auf einem Drahtseil zu balancieren. Wenn es zu albern ist oder zu dramatisch, dann hat man’s verkackt. Das ist mir ganz oft passiert. Aber wenn es funktioniert, dann kann ich mir nichts Besseres vorstellen.

Also muss man nicht nur Hiaasen direkt neben Elmore Leonard einordnen, sondern auch Sie. 

Bill Lawrence: Bis zu Elmores Tod waren er und Carl richtig gute Kumpel. Carl verehrt Elmore Leonard. Er bekommt leuchtende Augen, wenn er von seinen Krimis spricht, die er als wunderbar lakonisch und aus dem Leben gegriffen empfindet. Ein echtes Vorbild. Ich will ihn dann immer schütteln und zu ihm sagen: Mann, das trifft auf deine Bücher doch genauso zu. Deine Figuren sind herrlich verrückt, ganz wunderbar. 

„,Bad Monkey‘ hat die Art von Held, die mich persönlich am meisten anspricht. Jemand, der von seinem übertriebenen Sinn für Gerechtigkeit angetrieben wird und dem es nicht gelingt, sich dabei nicht im Weg zu stehen.“

Warum haben Sie „Bad Monkey“ aus dem großen Fundus von Romanen von Carl Hiaasen gewählt?

Bill Lawrence: „Bad Monkey“ hat die Art von Held, die mich persönlich am meisten anspricht. Jemand, der von seinem übertriebenen Sinn für Gerechtigkeit angetrieben wird und dem es nicht gelingt, sich dabei nicht im Weg zu stehen. Solche Filme liebe ich, solche Bücher liebe ich. Carl hat viele tolle Bücher geschrieben, aber ich glaube, er würde zustimmen, dass Andrew Yancy die Quintessenz dessen ist, was er als Schriftsteller aussagen will. Carl schreibt eigentlich nie Fortsetzungen, aber Andrew Yancy hat er ein zweites Buch geschrieben. Das sagt viel aus. Ich liebe „Bad Monkey“, ich liebe Andrew Yancy. Ich liebe es, ihm dabei zuzusehen, wie er einfach nicht anders kann, als sich unentwegt in unnötige Schwierigkeiten zu bringen. Er müsste sich nur einmal zusammenreißen und sich anpassen und auf eine gewisse Weise verhalten, dann würde alles für ihn laufen. Aber er kann das einfach nicht. So ist er nicht programmiert. Vielleicht ist das eine etwas zu persönliche Anmerkung, aber ich fühle mich in meiner Ehe oft ganz genauso. 😊

War das Buch einfach zu adaptieren? Wie gehen Sie da vor? 

Bill Lawrence: Es war einfach. Und es war schwer. Einfach war es, weil die Geschichte im Kern so gut und interessant ist mit ihren Wendungen und verschiedenen Beziehungen. Aber wenn Carl mir nicht zur Seite gestanden wäre, hätte ich es nicht geschafft. Seine Bücher sind zu reichhaltig und üppig, um sie in einem 90-minütigen Film unterzubringen. Aber wenn man eines seiner Bücher als zehnteilige Serie aufbereitet, hat man doch so viel Platz, dass man seine eigene Fantasie einbringen kann. Carl hat mich dazu ermutigt, er hat mir die Freiheit gegeben, einzelne Handlungsfäden zu erweitern, mehr zu erzählen, als in seinem Buch steht. Mehr noch: Ich durfte ihm meine Ideen unterbreiten und er machte Anmerkungen und hatte selbst noch einmal Ideen und Vorschläge, was man anstellen könnte. Niemand kennt die Figuren besser als er. Der Trick besteht darin, die Geschichten auszubauen ohne ihre Essenz zu verraten. Wenn Carl meine Ideen nicht gut gefunden hätte, hätte ich sie in den Mülleimer geschmissen. Ich vertraue ihm voll und ganz.

Was war sein bester Ratschlag?

Bill Lawrence: Carl hat wiederholt zu mir gesagt: Du darfst nie vergessen, dass es nichts gibt, was zu verrückt sein könnte, wenn es um Florida geht. Nichts steht in seinen Büchern, was er nicht selbst beobachtet, gehört oder erlebt hat. Sein Talent ist es, diese kleinen Schnipsel Leben zu sammeln und zu arrangieren und Teil einer größeren Erzählung werden zu lassen. Er hat mir Kladden von Notizbüchern gezeigt, in denen er Beobachtungen aufgeschrieben oder verrückte Geschichten aus der Zeitung ausgeschnitten und eingeklebt hat. Als Autor denkt man sich oft: Nein, das kann ich nicht bringen, das nimmt mir niemand ab, das ist zu übertrieben oder verrückt. Und Carl schüttelt dann nur den Kopf und sagt: Nein, mein Freund, das ist es nicht. 

Wenn man die Serie gesehen hat, kann man sich Andrew Yance nicht mehr in Gestalt von Vince Vaughn vorstellen. Hinterher ist es einfach, wenn man alles richtig gemacht hat. Was haben Sie in ihm gesehen, dass er für Sie die Idealbesetzung war?

Bill Lawrence: Er ist einfach ein Meister in der Sache, die ich am meisten schätze: Komödie, die aus beiläufigen Dialogen entsteht. Sein Timing ist perfekt, er liefert ab. Immer genau so, dass es stimmt, und immer mit einem ganz eigenen Dreh. Für einen Autor gibt es kein größeres Geschenk, als die Stimme seines Hauptdarstellers im Kopf zu hören, während man sein Drehbuch schreibt. Und man weiß genau, wie es klingen muss, und man weiß genau, dass der Schauspieler seinen Dialog als Geschenk empfinden und etwas noch Tolleres daraus machen wird, als man sich in seinen kühnsten Träumen vorstellen kann. Natürlich kam Vince erst später dazu, und ich konnte dann das Drehbuch anpassen. Aber als ich angefangen habe mit der Adaption, da schrieb ich ans Studio: Wenn ich eine Zeitmaschine hätte, dann wäre James Garner mein Andrew Yancy. Ihn hatte ich immer im Kopf, als ich den Roman las. Ein Jedermann und doch charismatisch, körperlich in der Lage, auf sich aufzupassen, aber nicht bedrohlich, Amerikas Gast. Aber ich denke, das ist Vince Vaughns Stärke: Mittlerweile kann ich mir auch niemand anderen mehr als Andrew Yancy vorstellen. Er muss sich nicht verstellen. Er ist Andrew Yancy. 

Nach „Ted Lasso“ und „Shrinking“ ist „Bad Monkey“ die dritte Serie, die Sie mit und für Apple machen. Was hebt sie von den Sendern und den anderen Plattformen ab?

Bill Lawrence: Wissen Sie was… Nichts. 😊 Diese Scheißer sind alle gleich! 😊😊 Scherz. Sie sind toll. Es ist ohne jede Frage eine der besten kreativen Partnerschaften meines Lebens. Einer der Gründe, warum „Bad Monkey“ existieren konnte, ist meine bisherige Zusammenarbeit mit Apple, ist „Ted Lasso“ und „Shrinking“. Weil beide Serien sehr erfolgreich waren und gut ankamen, konnte ich sie anrufen und sagen: Hört mal, es gibt da ein Traumprojekt, das ich gerne umsetzen würde. Und die Antwort, dass man ihrerseits die Arbeit mit mir sehr schätzen würde. Deshalb hatte man ein offenes Ohr. Das gibt es nicht oft in Hollywood. Ich bin lange genug im Geschäft, um zu wissen, dass es genau das ist: ein Geschäft. Aber natürlich betrachte ich „Bad Monkey“ nicht als verrückten Freifahrtschein. Ich halte den Stoff für eigenwillig und ungewöhnlich, aber auch für unwiderstehlich. Wehe, das Publikum sieht das anders.

Das Gespräch führte Thomas Schultze.