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Sharon Mindot & Verena Kurz: „Die kenianische Filmszene ist ausgesprochen lebendig”

Marie Steinmann, Tom Tykwer und Sarika Lakhani unterstützen seit vielen Jahren Filmschaffende in Kenia. Unlängst wurde ein neues Programm gestartet: MOVING PICTURES, ein Distributions- und Social-Impact-Incubator zwischen den Ländern Kenia, Nigeria, Ruanda und Deutschland. Wir haben bei Sharon Mindot, Projektkoordinatorin, und Verena Kurz, Projektmanagerin, nachgefragt.

Sharon Mindot & Verena Kurz (Credit: privat)

Nach einem Ausbildungsprojekt und einem Masterclass-Programm folgt nun MOVING PICTURES. Was ist die Intention? Inwiefern sind die Programme verzahnt?

Sharon Mindot & Verena Kurz: In den letzten 15 Jahren hat sich die kenianische Filmindustrie enorm entwickelt, mit bemerkenswerten Inhalten, die produziert werden. Doch die Verwertung dieser Inhalte stellt die lokalen Produzent*innen und Distributor*innen vor große Herausforderungen. Daher ist es eine natürliche Entwicklung, dass wir im Rahmen unserer Initiative den Fokus von der reinen Förderung und Produktion unabhängiger Filminhalte nun auf die Distribution legen. Es ist ausgesprochen mühsam und mitunter unmöglich, auf herkömmliche Weise international – und auf dem afrikanischen Markt – Fuß zu fassen und ein Publikum zu erreichen, wenn jede Akteur*in für sich allein agiert. Diese Lücke wollen wir mit MOVING PICTURES schließen.

Wie ist der Ablauf von MOVING PICTURES? 

Sharon Mindot & Verena Kurz: Die Bewerbung zur Teilnahme am MOVING PICTURES Incubator ist bis zum 30. Juli möglich. Wir suchen kreative Köpfe – Verleiher*innen, Kinobetreiber*innen, Produzent*innen, Social Impact Producer*innen, Marketing- und PR-Agenturen, die sich mit Kolleg*innen vom afrikanischen Kontinent vernetzen möchten, um gemeinsam innovative Projekte zu entwickeln. Ziel ist es, den unabhängigen afrikanischen Film in Kenia, Ruanda, Nigeria und Deutschland sichtbar zu machen, ein Publikum zu finden und das Medium Film als mächtiges Instrument für sozialen Wandel zu nutzen. Die afrikanischen Teilnehmer*innen können sich mit einer bereits bestehenden Projektidee bewerben. Deutsche Bewerber*innen, unabhängig davon, ob sie bereits auf dem afrikanischen Kontinent agieren oder nicht, können sich diesen Projekten anschließen, sind aber auch als Impulsgeber*innen, Ideenfinder*innen und Vorantreiber*innen sehr willkommen Im Dezember dieses Jahres findet in Nairobi ein Pitch statt, bei dem die entwickelten Projekte vorgestellt werden und sich um Seed-Funding zur Umsetzung bewerben können.

„Wir wollen sicherstellen, dass afrikanische Filmemacher*innen wirtschaftlich erfolgreich sein können.”

Über die unabhängige Produktionsfirma One Fine Day Films entstanden bis 2020 sieben Filme. 2020 wurde die NGO Some Fine Day Pix gegründet. Inwiefern greifen diese Angebote ineinander? Was konnte für Filmschaffende in Kenia bereits bewegt werden? Wie sieht das weitere Engagement aus?

Sharon Mindot & Verena Kurz: Sowohl One Fine Day Films als auch Some Fine Day Pix haben sich in den letzten 15 Jahren der Stärkung des kenianischen Independent-Kinos sowie einer robusten Filmindustrie verschrieben. Zunächst lag der Fokus auf der Förderung talentierter Filmemacher*innen, der Herstellung wettbewerbsfähiger Filme und der lokalen sowie internationalen Vernetzung. Nun zielt MOVING PICTURES darauf ab, die Produkte dieser talentierten Filmschaffenden nachhaltig einem globalen Publikum zugänglich zu machen. Dabei setzen wir auf effektive Distributionsstrategien, die über herkömmliche Wege hinausgehen. Unser Ziel ist es, sicherzustellen, dass afrikanische Filmemacher*innen wirtschaftlich erfolgreich sein können und gleichzeitig das globale Kino mit ihren einzigartigen, berührenden und manchmal auch provokativen Perspektiven und Erzählungen bereichern.

Wer sind Ihre wichtigsten Mitstreiter:innen & Kooperationspartner:innen?

Sharon Mindot & Verena Kurz: Zunächst ist hier die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) zu nennen, die uns seit 2020 als starker Partner zur Seite steht und ermöglicht, mit verhältnismäßig wenig finanziellen Mitteln den größtmöglichen Impact zu erzielen. Der von uns realisierte MOVING PICTURES Incubator ist nur eine von vier Interventionen, die im Rahmen einer größeren Maßnahme durch die GIZ finanziert und umgesetzt wird. Ziel ist es, die Sichtbarkeit, Verwertung und den Social Impact unabhängig produzierter Filmprojekte sowie die Publikumsentwicklung in den genannten Ländern voranzubringen. Darüber hinaus konnten wir über die Jahre ein breites Netzwerk aus internationalen und lokalen Stakeholdern aufbauen, ohne deren Unterstützung und stetiges Feedback unsere Arbeit nicht möglich wäre.

Der Kurzfilm „NDOTO” entstand mit Förderung von Some Fine Day Pix (Credit: E-mage Photography)

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Wie würden Sie die Situation für Filmschaffende in Kenia beschreiben? 

Sharon Mindot & Verena Kurz: Nach wie vor schwierig, wenngleich sich die Qualität der lokalen Produktionen und die Fähigkeiten der Filmschaffenden vor Ort stark entwickelt haben. Filmemacher*innen und Auswerter*innen gleichermaßen sehen der Zukunft skeptisch als auch euphorisch entgegen. Die kenianische Filmszene ist ausgesprochen lebendig, die Stoffe, die entwickelt werden, sind relevant, wegweisend, mitunter schmerzhaft aber schön und verdienen es, einem großen Publikum zugänglich gemacht zu werden. Dennoch bleibt es schwierig, sich in einer begrenzten Vertriebs- und Finanzierungslandschaft zurechtzufinden, insbesondere außerhalb der Großstädte.

„Eine Verwertung rein afrikanischer Inhalte findet in Deutschland nahezu überhaupt nicht statt.”

Hat sich die Rolle des afrikanischen Kinos (auch im Nachwuchsbereich) verändert? Wie hat sich seine Rolle in der internationalen Wahrnehmung auf Festivals etc verändert? 

Sharon Mindot & Verena Kurz: Afrikanischer Film findet glücklicherweise vermehrt seinen Weg in die afrikanischen Kinos, dank engagierter Distributor*innen und mutiger Kinobetreiber*innen, die bereit sind, das Risiko einzugehen, den ein oder anderen Hollywood-Blockbuster ein paar Mal weniger zu zeigen. Doch auch hier gibt es noch viel Luft nach oben. Mutiger sind da internationale Filmfestivals geworden, auch wenn diese teilweise damit hadern, mit den vermeintlichen Sehgewohnheiten ihres Publikums zu brechen. Da wird beispielsweise ein in Kenia angesiedelter, jedoch durchweg europäisch produzierter Arthouse-Film als afrikanische Produktion deklariert, weil dieser dem Konzept von anspruchsvollem Kino entspricht. Eine Verwertung rein afrikanischer Inhalte findet in Deutschland nahezu überhaupt nicht statt, zumindest nicht im Kino und im Fernsehen. Die acht Spielfilme, die wir als One Fine Day Films produziert haben, haben wir gemeinsam mit unserem Weltvertrieb Rushlake Media konstant versucht, an den Markt zu bringen. Sie konnten zwar auf einigen Plattformen platziert werden, aber am Kino und Fernsehen sind wir immer gescheitert. Das ist ausgesprochen tragisch, denn wie gesagt, ist der afrikanische Film nicht nur inhaltlich relevant, sondern hat auch einen direkten Einfluss auf die Wahrnehmung von Afrika in der deutschen Bevölkerung. Auch hier möchte MOVING PICTURES ansetzen, indem wir deutsche Partner ins Boot holen, die mit uns Wege finden, das afrikanische Kino in Deutschland sichtbar zu machen und somit die eingeschränkte Wahrnehmung neu zu gestalten. Hier dürfen alle ein wenig mutiger und fortschrittlicher sein – das hat noch nie geschadet.

Die Fragen stellte Barbara Schuster

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