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Oliver Kalkofe: „Kino ist die Masterclass“

Als Onkel Chamberlain spukt Oliver Kalkofe durch den entzückenden Animationsfilm „Elli – Ungeheuer geheim“, der am 27. Juni bei Wild Bunch startet. Über die Freude, Charaktere mit seiner Stimme zu Leben zu erwecken und seine Liebe zum Kino erzählt er hier.

Oliver Kalkofe in Action (Credit: Steffen Jänicke TV Spielfilm)

Worauf legen Sie Wert, wenn Sie als Sprecher bei einem Animationsfilm arbeiten?

Oliver Kalkofe: Es muss eine Rolle sein, die mir Spaß macht. Da hatte ich bislang immer Glück. Inzwischen kann ich vor allem in viele unterschiedliche Projekte eintauchen. Am Anfang meiner Karriere als Synchronsprecher gab man mir immer dicke Tiere in Sequels. Ich war der dicke Bär Nummer zwei in „Doctor Dolittle 2“, später habe ich mich hochgearbeitet zu „Garfield 2“. Das war schon lustig, weil ich mich hin und wieder fragte: Was steckt da dahinter? Wieso kriege ich nur diese Angebote? Mittlerweile ist das nicht mehr so. Die Palette ist wirklich breitgefächert. Dass ich in „Elli – ungeheuer geheim“ mit Onkel Chamberlain ein altes, aristokratisches Gespenst sprechen darf, ist echt klasse. Auch eine Herausforderung. Man weiß anfangs oft selbst nicht, ob das klappt, ob es funktioniert, wie man sich das vorstellt. Wenn man dann merkt, ja doch, das wird was – freue ich mich umso mehr.

Was hat Ihnen an „Elli – Ungeheuer geheim“ gefallen? Was war Ihnen wichtig?

Oliver Kalkofe: Es gibt zwei Dinge, die mir gefallen haben. Vom reinen Unterhaltungsfaktor her fand ich super, dass die Story mit Gespenstern zu tun hatte. Ich war schon als Kind absolut fasziniert von allem Gruseligen. Ich fand Monster und Gespenster schon immer mega. Meine Lieblingsfamilie war die Addams Family. Godzilla war mein Lieblingsschauspieler, ich liebe Frankenstein und Dracula. Mit elf Jahren habe ich zum ersten Mal „Dracula“ mit Christopher Lee gesehen, spätabends im Fernsehen. Ich hatte SOOOO Angst. Das mit den Vampiren, das hab‘ ich geglaubt. Ich habe unser großes Holzkreuz von der Wand und zum Einschlafen in die Arme genommen. Das war aber nicht so praktisch, es hätte herunterfallen können. Was dann? Also habe ich mir sicherheitshalber noch mit Kugelschreiber Kreuze auf den Hals gemalt. Das fand ich sehr clever von mir. So bin ich auch nicht gebissen worden. 

Und das zweite?

Oliver Kalkofe: Das zweite, was mir gefallen hat, ist die Geschichte selbst. Ich finde es schön, wenn Filme für Kids eine Botschaft haben. Hier lautet sie: Du musst deinen Platz im Leben finden, nicht etwas machen, was andere Dir sagen, finde Deinen richtigen Weg und finde Deine Freunde und Deine Familie. Das ist nicht vorgegeben. Das sind die Menschen, die Dir helfen, die Dir wichtig sind, bei denen Du Dich wohlfühlst. Das ist eine schöne Message. 

(Credit: Dreamin‘ Dolphin Film/ Zooper Film/Productions CarpeDiem (V) Inc./Traumhaus Studios)

Wie stark war es Ihnen möglich sich einzubringen? Wie sehr kann man Oliver Kalkofe sein? Wie sehr muss man in der Figur verschwinden?

Oliver Kalkofe: Es ist eine Mischung aus beiden. Wenn man als bekannter Akteur der Branche als Synchronsprecher engagiert wird, sollen die Leute einen natürlich auch ein stückweit wiedererkennen. Gleichzeitig reicht es nicht, einfach zu sprechen, wie Oliver Kalkofe spricht. Das wäre ja langweilig. Ich habe Spaß daran zu spielen. Da muss man einen Zwischenweg finden. Onkel Chamberlain zu Leben zu erwecken, war reizvoll, weil es keine feste Vorlage gab. Wenn man bei fremdsprachigen Filmen synchron macht, egal ob Real- oder Animationsfilm, muss man immer versuchen, dem Originalsprecher gerecht zu werden, seine eigene Stimme in dessen Richtung führen. Bei „Elli – Ungeheuer geheim“ waren wir frei. Es gab zwar ein Layout und eine Idee. Die konnten wir dann aber selbst mit Leben füllen. Das war besonders toll.

„Die Leute suchen schöne, originale Geschichten, die gut umgesetzt sind.”

„Elli – ungeheuer geheim“ ist eine deutsch-kanadische Korproduktion. Die Animation in Deutschland hat Quantensprünge gemacht in den letzten Jahren, sind filmisch das beste Exportgut, das wir haben. Wie sehen Sie selbst den Animationsfilm aus Deutschland im Vergleich zur übermächtigen amerikanischen Konkurrenz (Disney, Pixar, Illumination, DreamWorks), bei denen Sie ja durchaus auch als Sprecher aktiv sind?

Oliver Kalkofe: Man sollte erst einmal ein bisschen Bescheidenheit lernen und sich nicht immer mit den Allergrößten vergleichen. Das, was Hollywood vorsetzt, sei es bei den genannten Animationschmieden oder auch bei Marvel, können wir hier nicht nachmachen, allein aus budgetären Gründen nicht. Das ist aber auch nicht nötig. Wir alle haben früher Filme und Serien gesehen, die wesentlich schlechter animiert und oder auch schlecht gespielt waren, Filme, in denen klar war, dass die Leute danebenschießen oder kein Blut floss. Das haben wir hingenommen. An den alten Folgen von „Raumschiff Enterprise“ habe ich heute genauso viel Spaß wie an einem total geil gemachten Science-Fiction-Film – weil ich mich auf die Welt und die Geschichte einlasse. Deswegen ist toll, was alles funktioniert. Man muss nicht den riesigsten Massenhit haben. Auch kleine Erfolge können große Erfolge sein. In der deutschen Filmbranche hat sich viel entwickelt, auch im Animationsfilmbereich. Die Produktionen können sich mehr als sehen lassen. Wir können durchaus stolz und zufrieden sein. Außerdem ist es schön, wenn es gelingt, Geschichten zu erzählen, die andere nicht haben. „Elli – Ungeheuer geheim“ ist auch eine Geschichte, die in Deutschland entstanden ist, nach Klaus Baumgarts erfolgreichem Kinderbuch. Das ist genau das, was die Leute suchen: schöne, originale Geschichten, die gut umgesetzt sind.

Was gefällt Ihnen grundsätzlich an der Arbeit?

Oliver Kalkofe: Die Bandbreite. Ich mache so viel verschiedene Sachen, dass ich mich über alles freue. Das eine ist eine Abwechslung vom anderen. Ich bin ja nicht jeden Tag im Synchronstudio. Das wäre mir vielleicht auch zu eintönig. Aber wenn ich da bin, freue ich mich, ist es aufregend. Gerade Synchronarbeit bereitet mir große Freude, weil ich meine Anfänge im Radio mit Comedy hatte, wo man nur mit der Stimme arbeitet. Synchron- oder Sprechaufträge sind deshalb immer wie eine kleine Reise in meine Vergangenheit. Mit der Stimme Charaktere erschaffen oder mit der Stimme bestimmte Stimmungen hinzubekommen, finde ich reizvoll. Sei es bei Filmen, bei Hörspielen oder Hörbüchern. Außerdem liebe ich es, hinter der Kamera zu arbeiten, weil da egal ist, wie man aussieht, was man anhat. Man kann sich zumindest mit der einen Hälfte seiner selbst entspannen. Bei der Arbeit vor der Kamera geht das nicht. Da muss man sowohl in ganzen Sätzen sprechen, als auch darauf achten, dass einem das Hemd nicht aus der Hose hängt.

Einmal mehr wird der Abgesang aufs Kino angestimmt. Wie ist Ihre Haltung? Wie wichtig ist Ihnen selbst das Kino? Was denken Sie muss getan werden, um das Kino attraktiver und vitaler erscheinen zu lassen?

Oliver Kalkofe: Kino ist superwichtig. Wir müssen aufhören mit diesen Abgesängen, egal ob vom Kino, vom Fernsehen oder Streaming. Für alle ist es nicht leicht, jeder hat Schwierigkeiten. Ein Leben ohne Kino wäre furchtbar. Genauso furchtbar wäre es ohne Theater, ohne Radio. Wir brauchen all diese Medien. Dabei ist es gar nicht wichtig, wer davon das erfolgreichste ist. Auch wäre es Quatsch zu sagen, dass es nur das eine geben darf. Wir brauchen Vielfalt! Das Kino ist für Film einfach unersetzlich. Das kann kein Streamingerlebnis zuhause ausgleichen. In einem Raum zu sitzen und sich auf eine Leinwand zu konzentrieren, komplett in eine Welt einzutauchen, diese Welt mitzuerleben, sich rein zu träumen, das geht nicht beim Fernsehen. Da labert man, isst was, geht raus, kommt wieder rein. Vor dem Fernseher ist man nie so konzentriert und nie so wirklich gefesselt wie im Kino. Das Kinoerlebnis ist ein fantastisch. 

Wie oft gehen Sie denn ins Kino?

Oliver Kalkofe: Ich bin traurig, dass ich es aktuell aus Zeitmangel viel zu wenig schaffe. Aber früher war Kino das Größte in meinem Leben. Ich war ein bis drei Mal wöchentlich im Kino. Auch als Kind ging es bereits jeden Sonntag in die Kinder/Jugendvorstellung. Ich habe alles geguckt, was es gab. Das hing aber auch damit zusammen, dass es in meiner Jugend wenig anderes gab. Es gab nur wenige Fernsehsender, keinen Streamingdienst… Das ist heute anders. Aber das Kino ist trotzdem nicht austauschbar. 

„Das Gemeinschaftserlebnis ist etwas, was man heute immer mehr verliert.”

Kino hat Sie also durchaus sozialisiert und geprägt.

Oliver Kalkofe: Absolut. Kino war immer die Masterclass. Fernsehen war super, Radio war schön. Es gab Abstufungen. Kino war das Tollste.

Was waren Ihre letzten Kinobesuche? Was hat Ihnen gefallen?

Oliver Kalkofe: Ist schon ein Weilchen her, aber es war „Dune: Part Two“ im Mathäser in München, und zwar auf diesen Sitzen, die sich mitbewegen, D-Box meines Wissens. Das finde ich superspannend. Alles, was noch mal eines drauf setzt auf das Kinoerlebnis! Auch bei der 3D-Welle, die ja wieder abgeebbt ist, war ich voll dabei. Das Erlebnis im D-Box-Seat war zunächst gewöhnungsbedürftig, dann aber richtig geil. Man spürt, wenn Raumschiffe auf der Leinwand fliegen, bei Actionszenen ruckelt man mit, wenn die Sandwürmer kommen, wummert der Sessel. Das macht Spaß. Ich finde die Entwicklung gut, weg vom Kino für Massen hin zu ausgetüftelteren Angeboten wie tollen Sitzen, mehr Platz, Loungebereichen, Service am Platz etc. 

Kino als Event also.

Oliver Kalkofe: Genau. In London in einem der Kinos am Picadilly Circus habe ich „Aquaman 2“ angeschaut. Man sah den Film in 3D und saß aber nicht nur in einem D-Box-Seat, sondern wurde noch von anderen Effekten überrascht. Wir wurden häufig mit Wasser besprüht, saßen im leichten Wassernebel. Und der Sessel ging bei Actionszenen richtig ab. Anschließend ging man zwar mit leichter Erkältung raus, weil Wasser in Kombination mit der heftigen Air Condition vielleicht nicht die ideale Kombi war, trotzdem fand ich das Erlebnis toll. Ich habe da eine kindliche Freude. Alles, was aufs Kinoerlebnis eben eins draufsetzt. Da bin ich immer dabei. 

Nicht abstreiten lässt sich aber, dass die Technik fürs Heimkino mittlerweile auch state of the art sein kann, wenn man das nötige Kleingeld hat…

Oliver Kalkofe: Klar. In meiner Jugend war der Unterschied zwischen Kino und „Heimkino“ viel größer. Die einzige Möglichkeit, Kinofilme nachzuholen, bestand darin, in die Videothek zu gehen und sich klobige VHS-Kassetten auszuleihen. Die waren meist abgeschrabbelt und an den spannendsten Szenen durch das häufige vor- und zurückspulen kaputt. Das Bild sah auch nicht toll aus, weil meist auf 4:3 eingedampft. Heute haben wir alle Flatscreen zuhause, man kann sich günstig mit guten Surround-Systemen eindecken und Filme in 4k-Qualität gucken. Selbst Blu-ray ist der VHS qualitativ um Meilen überlegen. Man könnte sagen, dass der Unterschied zum Kino nicht so groß ist. Aber…

… Kino kann eben trotzdem mehr.

Oliver Kalkofe: Richtig. Zum Beispiel das Gemeinschaftserlebnis. Das Gemeinschaftserlebnis ist etwas, was man heute immer mehr verliert. Ich komme gerade von einer Deutschland-Tour mit „SchleFaZ“. Wir gucken dabei mit hunderten von Leuten schlechte Filme und kommentieren sie. Dieses Erlebnis, einen beschissenen Film gemeinsam zu gucken, daran Spaß zu haben, gemeinsam zu lachen. Das ist irre. Dieses Gefühl, miteinander einen Film zu gucken, egal, ob gut oder schlecht, ist heute weniger geworden. Früher wusste man, dass man sich jeden Mittwoch über die aktuelle Folge von „Dallas“ unterhalten konnte und am Donnerstag über die aktuelle Folge von „Denver Clan“. Jeder war auf demselben Stand. Heute hat man keinen gemeinsamen Zeitpunkt mehr. Selbst wenn heute eine Serie angesagt ist, geht das nicht mehr, weil jeder in einer anderen Folge steckt. Auch im Kino ist es schwierig, weil die wenigsten Filme noch Zeit bekommen, sich zu entwickeln. Alles wird schneller.

Das Gespräch führte Barbara Schuster

„Elli – Ungeheuer geheim”