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ndF-Chef Matthias Walther: „Es braucht Mut für Veränderungen”

Der ndF-Geschäftsführer Matthias Walther blickt zum Start der neuen Sat.1-Daily „Die Spreewaldklinik“ auch auf weitere aktuelle Projekte des Produktions-Powerhouse: von „Tschappel“ über Veronica Ferres bei den „Mordsschwestern“ bis zu mehr internationalen Koproduktionen.

Matthias Walther mit ndF-Formaten
ndF-Geschäftsführer Matthias Walther mit den Formaten „Die Spreewaldklinik“, „Mordsschwestern“, „Aktenzeichen XY“ und „Tschappel“ (Credit: Sat1, ZDF)

Am heutigen Freitag startet die neue Daily „Die Spreewaldklinik“ mit Sina-Valeska Jung in der Hauptrolle auf der Streaming-Plattform Joyn. Am Donnerstag geht es auch linear um 19 Uhr in Sat.1 los. Ein guter Anlass, um sich mit ndF-Geschäftsführer Matthias Walther auch weiteren verheißungsvollen Produktionen zu widmen und über die Marktverschiebungen zu fachsimpeln.

Die ndF hat eine ruhmreiche Vergangenheit mit Sat.1, wenn man zum Beispiel an die Erfolge mit „Der Bergdoktor“ in den 1990er-Jahren zurückdenkt. Knüpfen Sie daran jetzt wieder mit der am Vorabend startenden „Die Spreewaldklinik“ an?

Matthias Walther: Ja, mit „Der Bergdoktor“ fing in den 90ern die Zusammenarbeit mit Sat.1 an und war wahrlich sehr erfolgreich. Dass sich Sat.1 und ProSieben wieder mehr für die Fiction öffnen, ist für die ganze Branche eine gute Nachricht. Wir freuen uns sehr, dass wir auf diesem neuen Sendeplatz montags bis freitags um 19 Uhr nun an den Start gehen dürfen. Mit der Serie „Die Landarztpraxis“ ist Sat.1 ein großer Erfolg gelungen, sowohl linear als auch auf Joyn. Daher war die Ergänzung dieses Sendeplatztes mit einer Klinikserie konsequent. „Die Spreewaldklinik“ ist emotional, toll besetzt und bedient mit der wunderschönen Landschaft, die unsere Zuschauer entdecken dürfen, auch damit die Sehnsüchte nach Trost, Hoffnung und Heimat. Zudem können wir komplett on Location produzieren und dem Ganzen einen sehr wertigen Look geben. Insofern sind wir bester Dinge.

Nach den ersten 80 Episoden „Die Landarztpraxis“ folgte bei Sat.1 zuerst „Das Küstenrevier“, was wenig bis gar nicht bei der aufgebauten Zielgruppe funktionierte. Wohl auch, weil mit Till Demtrøder ein Protagonist im Mittelpunkt stand. „Die Spreewaldklinik“ ist dagegen klar auf ein weibliches Publikum angelegt.

Matthias Walther: Ich denke, dass beim „Küstenrevier“ Till Demtrøderals männliche Hauptfigur nicht das Problem war. Eher das Genre Krimi, welches auf dem Sendeplatz offenbar nicht die Resonanz fand, die man sich wünschte. Es ist schwierig, in solch einem Daily-Format das Krimi-Genre einzubringen und täglich neue Fälle zu haben.

Wer verantwortet Ihre „Spreewaldklinik“ kreativ?

Matthias Walther: Das Projekt ist eine Kreation unseres Produzenten Johannes Pollmann, der die großartige Grundidee hatte, wie man eine bewegende Geschichte um eine junge Frau erzählt, die früh Mutter wurde und das Kind damals wider Willen abgeben musste. Die fantastische Sina-Valeska Jung spielt unsere Protagonistin. Sie stößt in ihrem neuen Arbeitsumfeld auf ihre Tochter, ohne ihr erzählen zu können, wer sie ist, weil sie ansonsten deren Familie zerstören würde. Ein großes Dilemma, welches sich auch kongenial in den weiteren, toll Besetzen Rollen widerspiegelt.

Die Spreewaldklinik
Sina-Valeska Jung (l.) und Isabel Hinz in „Die Spreewaldklinik“ (Credit: Sat.1)

Falls Ihre Daily verlängert würde, könnte es eine Herausforderung werden, dieses Geheimnis aufrecht zu erhalten.

Matthias Walther: Die Frage ist natürlich, wie und wann man das Ganze verrät. Wichtig dabei ist vor allem, welche Konsequenzen für die handelnden Figuren daraus erwachsen.

Sie haben schon betont, wie wichtig ProSiebenSat.1 inzwischen die Abrufzahlen bei Joyn für solch eine Daily sind. Konzipiert man ein Format anders, wenn man weiß, dass ein essenzieller Teil non-linear schauen wird?

Matthias Walther: Unsere Daily zieht im Konzept generell die private Geschichte der Protagonistin oder des Protagonisten in den Vordergrund. Wir haben uns bewusst dafür entschieden, eine junge Figur mit einem starken privaten Schicksal in den Mittelpunkt zu rücken. Abgesehen davon haben wir mit 14 Rollen einen recht großen Hauptcast aufgebaut, um mit ihnen weitere starke emotionale Geschichten entwickeln zu können.

Die Privaten machen wieder mehr in der Fiction. Besteht bei Ihnen die Hoffnung auf noch weitere Projekte?  Sie haben auch schon Erfahrungen mit RTL Deutschland mit „Einsatz in den Alpen“ gesammelt.  

Matthias Walther: RTL hat im Linearen einen fiktionalen Sendeplatz mit dem Krimi-Dienstag ausgerufen. Dort funktionieren Formate wie „Dünentod“ sehr gut. Wir haben mit dem bergaffinen Format „Einsatz in den Alpen“ als 90-Minüter auf dem zu dem Zeitpunkt für Einzelstücke noch nicht so gelernten Donnerstag debütiert. Die Quote hätte besser sein müssen, um weiterzumachen. Aber die Hoffnung auf weitere Projekte gibt es durchaus. Wir sind mit der Redaktion bereits in der Entwicklung eines neuen Formates.

„Der Druck, erfolgreich zu bleiben und stetig an der Weiterentwicklung dieser Formate zu arbeiten, ist damit nicht weniger groß.“

Matthias Walther

Die meisten und erfolgreichsten Formate hat die ndF aber beim ZDF. Wie wichtig ist es, in produzentisch stürmischen Zeiten einen so verlässlichen Partner an der Seite zu haben?

Matthias Walther: Wir sind in der glücklichen Situation, mit vier Formaten im ZDF sehr erfolgreich zu laufen. Zu nennen sind da „Aktenzeichen XY“, „Der Alte“, „Die Bergretter“ und „Der Bergdoktor“. Aber es gäbe noch viel mehr zu nennen, wie beispielsweise „Mordsschwestern – Verbrechen ist Familiensache“, von denen wir gerade die dritte Staffel abgedreht haben. In der neuen Staffel haben wir zusätzlich zu unserem Schwesternduo eine Figur eingeführt, die von Veronica Ferres gespielt wird, worüber wir uns sehr freuen. Abgesehen vom ZDF sind wir aber ja auch in der ARD aktiv. Aktuell laufen die Dreharbeiten zur zwölften Staffel der Serie „Morden im Norden“ mit Sven Martinek und Ingo Naujoks, die den einst verschrienen Vorabend zu einem erfolgreichen Sendeplatz gemacht hat. Insofern ja, natürlich ist es in Zeiten wie diesen, Gold wert, verlässliche Partner an der Seite zu haben. Aber der Druck, erfolgreich zu bleiben und stetig an der Weiterentwicklung dieser Formate zu arbeiten, ist damit nicht weniger groß.

Das ZDF schichtet viel Budget in Formate, die non-linear und für eine jüngere Zielgruppe funktionieren sollen. Bei dem Paradebeispiel „Aktenzeichen XY“ ist Ihnen eine sanfte Verjüngung sehr gut gelungen.  

Matthias Walther: Es ist erfreulich, dass unsere so etablierten Formate und großen Marken linear und non-linear auch beim jungen Publikum hervorragend funktionieren. „Aktenzeichen XY… ungelöst“ ist jedoch einzigartig, weil es nicht nur unterhält, sondern auch aufklärt und eine große Aufgabe erfüllt, indem es die Ermittlungsbehörden in ihrer Arbeit unterstützt. Gut 40 Prozent der gezeigten Fälle werden im Nachgang der Sendung aufgeklärt – dieser Erfolg ist ja noch höher zu bewerten als die Rekord-Einschaltquoten in jeder Altersgruppe. In der Fiction wird es ob des überbordenden Angebots nicht leichter, jüngere Zielgruppen zu begeistern. Bei unseren Berg-Formaten läuft es aber nach wie vor sehr gut und auch bei „Der Alte“ konnten wir mit der Neu-Besetzung von Thomas Heinze, der eine frische Belebtheit und Leichtigkeit hereinbringt, nochmals gut dazu gewinnen. Gerade bei langlaufenden Serien braucht es einen stets wachen Blick auf das Format und Mut für Veränderungen. Wir sind dem ZDF sehr dankbar dafür, dass es uns für unsere Marken ein großes Vertrauen ausspricht.

Tschappel
V.l.: Sebastian Doppelbauer, Jeremias Meyer und David Ali Rashed in „Tschappel“ (Credit: ZDF/Conrad Lobst)

Wobei immer die Frage ist, wer in der Mediathek streamt, weil die Öffentlich-Rechtlichen alle Altersschichten repräsentieren wollen. Spüren Sie auch diesen Druck, dass damit eben nicht die ganz jungen Zielgruppen zu erreichen sind?    

Matthias Walther: Der Druck ist da und treibt uns an. Es geht auch darum, neue Formate zu kreieren, die spezifischer in ihrer Erzählweise auf genau diese Zielgruppen zugeschnitten sind. Dann sprechen wir über Genres wie zum Beispiel die Mockumentary. Wir sind beteiligt an der jungen Firma LAX von Charlotte Groth und Maximilian Greil, die als Geschäftsführer:innen und Produzent:innen aktuell ihre erste ZDFneo-Serie drehen. In „Tschappel“, was im Schwäbischen liebevoll einen Depp bezeichnet, geht es um Ober-Tschappel Carlo, der den ersten Sommer nach der Schule mit seinen Kumpels in seinem Dorf erlebt und jede Menge Mist baut. In dem achtteiligen Format hängt die Clique gemeinsam im tiefsten Schwabenland ab. Die Verantwortlichen für Regie und Drehbuch sind Mitte/Ende Zwanzig und verbinden einen sehr zeitgeistigen Blick auf die Gesellschaft mit klassischen Elementen wie Mundart, Eskapismus und Heimat. Für die LAX ist es ein wunderbarer Anfang, gerade mit ZDFneo zu starten, weil der Sender sehr viel Vertrauen und kreativen Freiraum gibt und bei der jungen Zielgruppe sehr erfolgreich ist.

Die Comedy-Farbe wird aktuell bei ZDFneo gefördert. An einem Format wie „Doppelhaushälfte“ in der dritten Staffel sieht man, wie unwichtig die lineare Quote und wie wichtig dagegen die Mediathek geworden ist.

Matthias Walther: Die Entwicklung geht immer mehr in Richtung Streaming, worauf es ankommt, ist eine gute Mischung zu finden, die sowohl im linearen Fernsehen funktioniert als auch in den Mediatheken. Mit Bravour zeigt das beispielsweise die Netflix-Serie „Lincoln Lawyer“, die episodisch und auch horizontal erzählt. Das greift dort clever ineinander und zeigt die Möglichkeiten auf.

Es ist faszinierend, dass Sie „Lincoln Lawyer“ nennen, weil das in der Struktur fast schon wieder traditionelles Fernsehen mit abgeschlossenen Fällen ist.

Matthias Walther: Ganz genau. Wir sehen die unterschiedlichen Erzählarten aufeinander zugehen.

Wenn wir bei internationalen Projekten sind: Wäre es denn überhaupt vorstellbar, dass „Der Schwarm“ mit einer zweiten Staffel weitergehen könnte, wenn das ZDF nicht mit an Bord wäre?    

Matthias Walther: Ohne den Willen des ZDF würden wir uns das nicht vorstellen wollen. Es ist eher die Frage, welche Rolle das ZDF einnehmen will und in welcher Finanzierungsform das für beide Seiten funktionieren kann. Dass sich das ZDF in irgendeiner Form ein Auswertungsfenster für die zweite Staffel sichern würde, wenn es dazu käme, kann ich mir sehr gut vorstellen, weil die erste Staffel so unendlich erfolgreich war – gerade in der Mediathek aber auch im internationalen Sales – „Der Schwarm“ wurde bereits in 58 Länder verkauft. Wir sind aber auch in Gesprächen mit dem ZDF für eine neue Klima-Thriller Eventserie, basierend auf einem sehr erfolgreichen Roman.

„Wir forcieren unser Engagement in internationalen Koproduktionen.“

Matthias Walther

Gibt es weitere Pläne im internationalen Bereich?

Matthias Walther: Ja, wir forcieren unser Engagement in internationalen Koproduktionen. Aktuell ist da zum Beispiel die Koproduktion „Dan Sommerdahl“ mit den dänischen Kollegen von Sequoia Media für den Sonntag-22.15 Uhr-Sendeplatz im ZDF und den dänischen Sender TV2. In Dänemark läuft sie sehr erfolgreich und auch das ZDF ist hoch zufrieden, zumal die Quoten sich mit denen von „Inspector Barneby“ durchaus messen können. Wir erzählen mit dänischer Leichtigkeit in einer wunderbaren Umgebung Kriminalfälle und starke private Lines der Protagonisten. Aktuell laufen die Dreharbeiten zur sechsten Staffel, was für ein dänisches Format eine außergewöhnlich lange Laufzeit ist. Darüber hinaus sind wir gerade als Koproduzenten auf Island im Dreh einer neuen Krimiserie und sind mit anderen Projekten in fortgeschrittenen Entwicklungs- und Finanzierungs-Stadien.

Es gibt auch noch das spannende Kinoprojekt mit den Kleinen Brüdern. Wie ist dazu der aktuelle Stand?

Matthias Walther: Die Entwicklung unseres ersten Kinoprojekts gemeinsam mit Pyjama Pictures und den Kleinen Brüdern befindet sich in einer Phase, die aktuell erste Finanzierungsschritte erlaubt. Gegenwärtig planen wir mit einem Produktionsbeginn 2025/26. Über den Inhalt werde ich noch nichts verraten, aber eines kann ich versprechen: es wir eine typische Kleine Brüder Produktion mit all ihrer Radikalität im Humorbereich. 

Das Interview führte Michael Müller