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Marijana Stoisits: „Meilensteine sind die unscheinbaren Dinge“

Die Vienna Film Commission feierte 15-jähriges Jubiläum. Geschäftsführerin Marijana Stoisits blickt zurück, spricht über den Dreh-Boom und verrät ihre Lieblingsplätze in Wien.

Marijana Soisits baute die Vienna Film Commission von Gründung an auf; dieses Frühjahr feierte sie mit der Branche das 15-jährige Jubiläum im Wien Museum (Credit: Katharina Schiffl)

Die Vienna Film Commission hat im Frühling ihr 15-jähriges Jubiläum gefeiert. Was macht Sie besonders stolz, wenn Sie zurückblicken?

Marijana Soisits: Ich bin stolz darauf, die Vienna Film Commission zu einer Institution geformt zu haben, von der jeder weiß, dass es sie gibt, dass man sich an sie wenden kann, dass sie einen unterstützen wird und von der man weiß, dass hier sehr viel Knowhow abgreifbar ist, dessen man sich bedienen kann, um reibungslose Dreharbeiten zu gewährleisten. Als sich die Stadt Wien vor 15 Jahren entschlossen hat, die Vienna Film Commission zu gründen, hatten die Politik nur eine ungefähre Ahnung, davon was eine solche Anlaufstelle alles leisten sollte. Ich habe mit meinem privaten Laptop, meinem privaten Handy einen kleinen Schreibtisch bei einem unseren Finanzierungspartner gestellt bekommen. Für mich war es also optimal, dass ich die Institution nach meinen Vorstellungen formen konnte. Das hat sich sehr bewährt. Was wir machen, wird von der heimischen und auch der internationalen Branche sehr geschätzt. Bevor ich die Aufgabe übernommen habe, die Vienna Film Commission aufzubauen, war ich in der Privatwirtschaft tätig, war viele Jahre bei „Spiegel TV“ in Hamburg und in Wien. Mit der österreichischen Branche hatte ich so gut wie keine Berührungspunkte, ebenso wenig mit der Wiener Stadtregierung. Das waren daher alles neue Felder für mich und ich habe mich oft gefragt, ob sich die Politik wohl in meine Arbeit einmischen würde. Das Schöne ist: Sie hat das nie getan! Die Stadt hat mir immer freie Hand gelassen und mir vertraut. Und von Seiten der Branche ist es so, dass es definitiv keine österreichische Produktionsfirma gibt, die wir nicht schon mehrfach in ihrer Arbeit unterstützt hätten.

Was sind Ihre persönlichen Meilensteine?

Marijana Soisits: Meilensteine sind für mich oft die ganz kleinen, unscheinbaren Dinge, Drehgenehmigungen, um die man gekämpft hat, die vollkommen aussichtlos schienen und schließlich doch realisiert werden konnten. Ein Beispiel aus jüngerer Vergangenheit war der Dreh von Adrian Goigingers „Rickerl“ auf dem Wienerberg. Das war recht kompliziert wegen hoher Auflagen des Umweltschutzamts. Oder Dreharbeiten auf einem unterirdischen Verschubbahnhof der ÖBB. Es ist schlicht eine Freude, wenn man es trotz aller Widrigkeiten hingekriegt. Erstaunlicherweise kriegen gerade österreichische Produzent:innen oft gar nicht mit, was wir im Verborgenen, hinter den Kulissen alles Aufführen und in die Wege leiten, damit eine Dreh möglich wird. Unsere direkten Ansprechpartner:innen sind die jeweiligen Aufnahmeleiter:innen oder Locationmanager. Anders ist es bei den internationalen Produktionen: Da kriegen die Produzenten erstaunlicherweise immer alles mit und sind dementsprechend voller Wertschätzung gegenüber unserer Arbeit.

Ihr Job verlangt sicherlich viel diplomatisches Fingerspitzengefühl, oder?

Marijana Soisits: Absolut! Ich bin eigentlich im diplomatischen Dienst …

Was lieben Sie an Ihrem Beruf am meisten?

Marijana Soisits: Die Herausforderungen! Sonst wäre ich an dieser Stelle auch vollkommen falsch. Ich bin eine sehr kommunikative Person, mag mich mit Menschen austauschen, mit Menschen kommunizieren, mag gerne Menschen miteinander verbinden. Ich war immer und bin eine sehr politische Person, nicht im parteipolitischen Sinne, aber mein Job ist tatsächlich im weitesten Sinne ein sehr politischer. Darüber hinaus sollte man auf jeden Fall resilient, resistent, krisenfest und vor allem angstfrei sein. 

Beim Rückblick auf 15 Jahre Vienna Film Commission konnten Sie verkünden, dass sich das Drehaufkommen in Wien nach den Pandemiejahren endgültig konsolidiert hat. Die Zahlen bei der Vienna Film Commission gingen im Bereich Anträge im Vergleich 2023 vs. 2022 um knapp fünf Prozent nach oben. Stößt man eigentlich auch irgendwann an Kapazitätsgrenzen? 

Marijana Soisits: Ich denke, dass eine Steigerung noch möglich ist, bis sich die Zahlen einpendeln werden. Die Einführung von FISA+ und ÖFI+ Anfang 2023 hat einfach noch einmal einen starken Run auf den Standort Wien ausgelöst. Bei den Möglichkeiten ausreichend Crewmitglieder zu finden, sind wir allerdings schon sehr an der Decke angelangt. Nachwuchsarbeit für alle Departments ein massives Gebot der Stunde. Die Vollbeschäftigung in der Branche ist einerseits großartig, andererseits auch kritisch, wenn man so am Belastungslimit arbeitet. Wenn die deutsche Branche mit ihrem eigenen Incentive nachzieht, wird sich das natürlich auch auf die Lage Österreich auswirken.

Stellen Sie mit der Einführung des neuen Anreizmodells auch Veränderungen bei den angefragten Drehorten fest?

Marijana Soisits: Seit ÖFI+, FISA+ und dem Vienna Film Incentive werden tatsächlich viel mehr Motive in der Stadt nachgefragt, auch solche, die früher kaum Beachtung gefunden haben. In den ersten zehn Jahren unseres Bestehens war es so, dass Filmproduktionen nach Wien gekommen sind aufgrund der klassischen Dinge, die man mit der Stadt Wien verbindet: Bauten aus dem Barock oder der Gründerzeit, das historische, imperiale Ambiente, kurz gesagt, das Sissi-Wien. Die Netflix-Produktion „Extraction 2“ hatte dann erstmals zum Beispiel die Donauplatte als Drehort. Das war ganz außerordentlich, weil es etwas von Wien zeigt, dass man im Ausland eher nicht von Wien kennt.

Stichwort Vienna Film Incentive. Der wurde 2022 für zwei Jahre und mit zwei Millionen Euro eingeführt, um einen Anreiz für internationale Filmprojekte zu schaffen. Ist denn die Verlängerung schon in trockenen Tüchern?

Marijana Soisits: Wir sind bereits in der Verlängerung und ich bin sicher, dass es dieses Angebot auch weiterhin geben wird. Das Vienna Film Incentive ist im Unterschied zu FISA+ mit maximal 400.000 Euro pro Produktion gedeckelt und zielt ausschließlich auf internationale Produktionen mit Wiener Serviceproduktion ab.

Das ist trotzdem eine ganze Menge Geld. 

Marijana Soisits: Absolut. Zumal man das Bundesfilmincentive FISA+ und unser regionales Angebot miteinander kombinieren kann.

Unterm Jahr sind Sie viel damit beschäftigt, amerikanische oder überhaupt internationale Produzenten auf Locationtouren durch Wien zu führen. Wie wichtig sind diese persönlichen Kontakte?

Marijana Soisits: Sehr wichtig! Die persönlichen Kontakte, die man gerade bei Locationtouren aufbauen kann, sind Gold wert und machen vor allem auch großen Spaß. Man lernt sehr viele, sehr unterschiedliche Charaktere kennen. Zum Beispiel den Produzenten Jake Myers, der 2014 mit „Mission: Impossible“ nach Wien kam. Der Kontakt ist geblieben, und sein gutes Erlebnis mit Wien als Filmstandort führte ihn unlängst mit einem neuen Film von Guy Ritchie zurück zu uns. Der wurde fünf Tage in der Nationalbibliothek, am Hochstrahlbrunnen am Schwarzenbergplatz und in der Hofburg gedreht, und das Ganze mit einem unfassbaren Aufwand.

Sicherlich gehört bei Ihren Locationtouren mit den internationalen Produzenten auch Schnitzel, Sachertorte und Apfelstrudel zum Programm. Jetzt möchte ich gerne aber mal etwas über Ihr privates Wien erfahren. Fangen wir mit den Bezirken an: Welcher ist Ihr Lieblingsbezirk? 

Marijana Soisits: Der 3.!

Warum?

Marijana Soisits: Weil ich da wohne, gleich beim Stadtpark und weil auch mein Büro da ist, wenn auch in einer ganz anderen Ecke im ehemaligen Schlachthofviertel. Der Dritte ist ein wunderbarer Bezirk mit einer sehr großen Vielfalt. Von der Kuppe des Oberen Belvedere hat man einen fantastischen Blick über die Wiener Innenstadt bis hin zum Wiener Wald am Horizont. Daneben liegt das Botschaftsviertel, und zum Stadtpark ist es auch nicht weit. Im dritten Bezirk gibt einen sehr gutbürgerlichen Teil, aber auch riesige Gemeindebauten bis hin zu kompletten neuen Stadtvierteln mit moderner Bebauung. Außerdem ist der Bezirk auch nicht komplett flach, sondern hügelig, was ich sehr gerne mag.

Haben Sie einen Lieblingsort in Wien?

Marijana Soisits: Ich mag den Hochstrahlbrunnen am Schwarzenbergplatz. Der wurde damals errichtet, als die erste Hochquellwasserleitung für die Stadt Wien gelegt wurde. Das Wiener Trinkwasser kommt ja direkt aus den Alpen. Ich mag es, wenn man im Sommer an dem Brunnen vorbeiradelt und immer eine kühle Brise abbekommt. Als meine Kinder noch klein waren und wir auf dem Weg zum Kindergarten beim Brunnen vorbeigekommen sind, mussten wir dort regelmäßig anhalten.

Sicher haben Sie auch ein Lieblings-Caféhaus. Welches ist Ihres?

Marijana Soisits: Ich treffe mich gerne im Café Engländer in der Postgasse, vor allem zum Business-Lunch. Es geht immer schnell und ist zentral gelegen. 

Welches ist Ihr Lieblingsausflugsziel um Wien herum?

Marijana Soisits: Ich finde den ganzen Wienerwald wunderbar. Ich liebe es, durch die Weinberge zu Fuß zum Cobenzl raufzugehen, die haben ein feines Restaurant und man sitzt mit fantastischem Blick über die Stadt. Für die Faulen fährt auch ein Bus direkt hoch. Diese einladenden Ausblicke über die Stadt gibt es mittlerweile an mehreren Stellen im Wienerwald. Und dann gibt es natürlich die vielen Heurigen, wo man mitten in den Weingärten sitzen kann.  50 Prozent der Wiener Stadtfläche sind Grünflächen. Wien zu verkaufen, ist einfach eine schöne Sache, denn es gibt kaum eine schönere und lebenswertere Stadt.

Barbara Schuster