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Heleen Gerritsen von goEast: „Sensibilität ist gefragt“

Morgen startet das 24. goEAST – Festival des mittel- und osteuropäischen Films. Festivalchefin Heleen Gerritsen über ihren starken Wettbewerb und die nicht ganz einfache Organisation.

Heleen Gerritsen leitet das goEast seit 2017; an sieben Tagen präsentiert das Festival in Wiesbaden und weiteren Orten im Rhein-Main-Gebiet die ganze Vielfalt des mittel- und osteuropäischen Filmschaffens (Credit: Frank Meißner)

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Unter welchen Gesichtspunkten haben Sie die Ausgabe 2024 kuratiert? Was ist allgemein Ihr Anspruch an die Festival-Kuratierung?

Heleen Gerritsen: Als künstlerische Leiterin verantworte ich das Gesamtprogramm, und schaue, dass die Filme, Veranstaltungen und Gäste gut zusammenpassen. Meine Herangehensweise ist dabei eher kooperativ: ich arbeite mit vielen Gastkuratorinnen und Kuratoren zusammen, v.a. aus den Ländern Mittel- und Osteuropas. Da die politische Lage in vielen Ländern in unserer Kernregion heikel ist, und wir beim Festival viele Themen auf dem Programm haben, die kontrovers diskutiert werden können, ist Sensibilität gefragt und finde ich es sehr wichtig, sich im Vorfeld intensiv auszutauschen. Im Mittelpunkt steht oft das Symposiumsthema – darum herum bauen wir dann das restliche Rahmenprogramm. So auch in diesem Jahr, wo das Thema „Die anderen Queers. Bilder von der Peripherie Europas” auch in weiteren Programmen, wie z.B. bei den Yugoretten, weitergeführt wird.

Was sticht heraus, auf was sind Sie besonders stolz?

Heleen Gerritsen: Der Fokus auf Albanien und Kosovo war mir besonders wichtig – es wird eine große Delegation anreisen und selten gezeigte Filme werden in Wiesbaden zu sehen sein. Auch der gesamte Wettbewerb, der von einer fünfköpfigen Auswahlkommission, zu der ich auch gehöre, gestaltet wird, bietet eine fantastische Mischung aus Spiel- und Dokumentarfilm.

Gab es Schwierigkeiten bei der Organisation?

Heleen Gerritsen: Es gibt immer Schwierigkeiten bei der Organisation von goEast: historische Filmkopien, die keine Untertitel haben – diese müssen dann in Windeseile von uns erstellt werden. Visumsanträge von Filmschaffenden, die manchmal abgelehnt werden, oder gar nicht erst gestellt werden können, da die deutsche Botschaft in Armenien eine Wartezeit von 24 Wochen hat für Visuminterviews. Und in diesem Jahr gab es auch finanzielle Schwierigkeiten, die uns leider dazu gezwungen haben, zwei komplette Programmsparten zu streichen.

Welchen Stellenwert genießt Ihr Festival in Ihrer Stadt?

Heleen Gerritsen: Das Festival hat sich in Wiesbaden etabliert und wird von dem Kulturamt der Stadt enorm unterstützt. Auch haben wir über die Jahre hinweg ein treues Publikum aufgebaut, das zum Teil auch aus osteuropäischen Communities hier vor Ort besteht. Die Kooperation mit anderen Kulturinstitutionen wie das Museum Wiesbaden ist auch positiv hervorzuheben. Leider ist Wiesbaden keine Studentenstadt – dafür besuchen uns die Universitäten aus dem Umland (Frankfurt, Mainz, Gießen, usw). Insgesamt kommt etwa die Hälfte von unserem Publikum nicht direkt aus Wiesbaden.

Sie sind die fünfte Frau an der Spitze des Festivals. Ist das ein Aspekt, der bei der ursprünglichen Konzipierung des Festivals eine Rolle gespielt hat oder hat sich das einfach so ergeben?

Heleen Gerritsen: Das hat sich tatsächlich so ergeben. Vielleicht sind Männer für dieses Gehalt nicht bereit so viel zu arbeiten? Das Festival hat durch die weibliche Führung auf jeden Fall eine feministische Prägung, z. B. auch im diesjährigen “queeren” Symposium.

Worauf freuen Sie sich am meisten?

Heleen Gerritsen: Ich freue mich auf die Rheinschifffahrt Rhine, Wine & Rhymez am Samstag 27. April, wo Filmgäste auf einem Boot in ihrer Muttersprache Gedichte lesen. Ich freue mich auf die vielen Filmgespräche, und darauf den druckfrischen Katalog zum ersten Mal durchzublättern. 

Barbara Schuster