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Elisabeth Wenk vom Goldenen Spatz: „Ein Festival ist ein Erlebnis“

Elisabeth Wenk, seit 2023 künstlerische Leiterin des Deutschen Kinder Medien Festivals Goldener Spatz in Thüringen, über Aufgabe und Verantwortung und das Schwimmen im politischen Spannungsfeld, wenn es um Fördergelder geht.

Elisabeth Wenk hat am 1. Februar 2023 die Leitung des Deutschen Kinder Medien Festivals Goldener Spatz übernommen; für die Stiftung war die studierte Kulturwissenschaftlerin bereits seit 2019 tätig, unter anderem als Leiterin des medienpädagogischen Programms (Credit: Alem Kolbus)

Festival-Fakten

• Der 32. Goldene Spatz findet vom 2. bis 8. Juni in Gera und Erfurt statt
• Im Programm stehen insgesamt 112 Veranstaltungen
• Im Wettbewerb Kino-TV gehen 35 Filme und Fernsehbeiträge ins Rennen um die Trophäen
• Im Wettbewerb Digital stehen sechs nominierte Erzählangebote
• Feierlichkeiten stehen an zu 45 Jahren Festivalgeschichte, zum 125. Geburtstag von Erich Kästner und zu 65 Jahren „Sandmännchen“
• Auf das Fachpublikum wartet vom 4. bis 7. Juni das FORUM Goldener Spatz
• Über die Preisträger:innen bestimmen traditionell Kinderjurys
• Zur Festival-Website

Beim Goldenen Spatz gibt es viel zu feiern dieses Jahr, zum Beispiel der 45. Geburtstag. Wie schafft es die traditionsreiche Veranstaltung, die sich an die junge Generation wendet, immer am Puls der Zeit zu bleiben? 

Elisabeth Wenk: Das ist eine gute Frage. Wir sind ein Einreichungsfestival, haben damit per se immer die aktuellen Stoffe, die uns automatisch am Puls der Zeit halten – inhaltlich gesehen. Kindermedien werden für ein spezielles Publikum gemacht und funktionieren dann immer gut, wenn sie die Interessen und Perspektiven des jungen Publikums verstehen. Natürlich versuchen wir bei der Auswahl, diese Perspektive selbst einzunehmen, spüren Trends, Themen nach, die interessant sind, um relevant zu bleiben für die Zielgruppe. Gleichzeitig hat sich das Medienkonsumverhalten verändert. Wir sind kein reines Film- und Fernseh-Festival mehr, sondern haben seit vielen Jahren den Wettbewerb Digital als starke Säule mit dabei, der den Bereich digital storytelling umfasst. 

Wie schaffen Sie es aber, bei der Festival-Gestaltung nah an der Zielgruppe zu bleiben?

Elisabeth Wenk: Bei der Festival Experience versuchen wir, möglichst immersiv zu sein, bunt, einladend, niedrigschwellig. Wir schaffen Möglichkeiten der Interaktion, laden Filmgäste ein, die auch fürs junge Publikum interessant sind. Im medienpädagogischen Bereich bemühen wir uns um aktive, zeitgemäße Medienarbeit. Ein Festival ist ein Erlebnis. Natürlich sind wir ein großes Festival, mit einer langen Tradition, sind vor allem nicht nur ein Publikumsfestival, sondern auch ein Branchenfestival. Da stellt sich immer die Frage, wie ich die Historie, die DNA des Festivals mitnehme, wie ich sie weitertrage, ohne verstaubt zu sein, ohne nostalgisch nur den Blick nach hinten zu richten, sondern nach vorn in die Zukunft. Es geht um das Mitdenken der Transformation der eigenen Institution aus der Geschichte heraus. 

„Den Wert von hochwertiger Kindermedienkultur hervorheben“

Elisabeth Wenk

Die diesjährige Ausgabe ist Ihre zweite als Festivalleiterin. Was ist Ihre Handschrift, was liegt Ihnen besonders am Herzen?

Elisabeth Wenk: Ich bin Kulturwissenschaftlerin. Deswegen ist es mir wichtig, wenn wir über Kultur und Kulturvermittlung sprechen, den Wert von hochwertiger Kindermedienkultur hervorzuheben. Darüber nachzudenken, welchen Einfluss Kultur und insbesondere die Medien auf das Leben von Kindern und von uns allen haben kann, gerade in Zeiten politischer Spannungen. Dass man anhand von Filmen und Games ernste Themen besprechen, Hoffnung und Vorbilder geben kann. Darin sehe ich die Stärke kultureller Erzeugnisse. Festival ist für mich eine konzentrierte Form der Kulturvermittlung. Gleichzeitig bin ich auch sehr an der Filmbranche interessiert, möchte den Industry-Bereich weiter ausbauen und verstetigen. Gerade hier in Thüringen, das sich als Kindermedienland versteht, möchte ich zeigen, dass wir als größtes Filmfestival im eigenen Bundesland sowie als größtes Festival seiner Art im deutschsprachigen Raum die Plattform Nummer eins sind, wo sich die Branche trifft, vernetzt.

Kulturveranstaltungen wie der Goldene Spatz können nur mit öffentlichen Geldern überleben. Sind in Thüringen Einflüsse der AfD zu spüren? 

Elisabeth Wenk: In Thüringen haben wir aktuell noch eine sehr gute politische Situation. Sowohl die von der Linken wie die davor von der CDU geführte Regierung steht hinter unserem Festival. Mit Blick in die Zukunft hoffe ich, dass es bei diesen demokratischen Verhältnissen bleibt. Sie sind essenziell für den Weiterbestand der vielfältigen Kinder- und Medienkultur. Natürlich sind wir im Spannungsfeld, wenn es um Fördergelder geht. Das bereitet allen Kulturschaffenden hier Sorgen, auch in angrenzenden Bundesländern, in denen die AfD stark ist. Kultur ist immer auch politisch. Wenn man unser Programm anschaut mit Filmen, in denen es um Homosexualität geht, Transidentitäten, Migration und Flucht, Kriegserfahrung… das sind alles politische Themen, die viel diskutiert werden. Kinderfilme sind wie eine Lupe in unsere Gesellschaft hinein, vergrößern die aktuellen Themen, weil sie versuchen, für Kinder möglichst klar zu erklären. Solche Themen gefallen manchen in der Politik nicht. Ich sehe es als unsere Aufgabe, ein vielfältiges Programm zu machen. Die Welt ist auch vielfältig. 

Ein Blick ins diesjährige Programm: Welche Highlights gibt es?

Elisabeth Wenk: Der Goldene Spatz ist kein reines Arthouse-Festival, sondern auch ein mainstreamiges Festival. Ich bin große Cineastin, wenn ich auf der Kinoleinwand so unfassbare Landschaften sehe wie in „Checker Tobi und die Reise zu den fliegenden Flüssen“, bin ich davon berührt, weil ich das Handwerk, die Vision dahinter sehe. Genauso begeistert bin ich von Veit Helmers „Akiko – der fliegende Affe“, der verrückteste Kinderfilm, den ich jemals gesehen habe. Ich finde toll, wenn man sieht, wie jemand bereit ist, andere Wege zu gehen, auch schwierige Themen kindergerecht zu erklären. Das macht auch unser Eröffnungsfilm, „Grüße vom Mars“, in dem das Thema Autismus sensibel, klar und nahbar erklärt und gezeigt wird. Mir gefällt, wenn das Medium Kinderfilm so ernst genommen wird. Außerdem haben wir dieses Jahr auffallend viele Filme mit starken Mädchenfiguren. Das ist uns bei der Auswahl irgendwann aufgefallen, dass wir uns gefragt haben, wo denn die ganzen Jungs auf einmal abgeblieben sind? Es ist ein sehr emanzipatorischer Filmkanon dieses Jahr. Wir haben auch ein tolles Kurzfilmprogramm mit vielen Perlen und einen spannenden Jugendfilmwettbewerb. Oft verhandeln die Filme die Themen Krieg und Flucht, Fragen nach Identität und Demokratiebildung.

„WOW! Nachricht aus dem All“ wird noch mal beim Goldenen Spatz gezeigt (Credit: SamFilm, Constantin, Marc Reimann)

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Welches Land in Europa ist „en vogue“, wenn es um Kinderfilme geht?

Elisabeth Wenk: Es gibt Länder, die einen anderen Anspruch an Kinderfilm haben. In Deutschland haben wir einen sehr marktwirtschaftlichen Anspruch an Kinderfilm. Die Niederlande sind zum Beispiel anders gepolt. Dort gibt es eine sehr starke Kinderfilmbranche, die spannende „Arthouse“-Filme hervorbringt. Auch Dänemark, Schweden und Norwegen machen tolle „Arthouse“-Kinderfilme. Dänemark hat in der nationalen Filmförderung einen Förderquotienten für Kinderfilme in Höhe von 25 Prozent, das heißt, 25 Prozent der Fördergelder müssen an Inhalte fürs junge Publikum gehen. Dadurch gibt es viel mehr Kinderfilme. Im Animationsbereich sind Belgien, Irland und Frankreich sehr stark.

Auf welchen Kinderfilmfestivals lassen Sie sich inspirieren?

Elisabeth Wenk: Ich liebe CineKid in Amsterdam. Das ist das größte Kinderfilmfestival der Welt, bei dem man stets einen guten Einblick in die ganze Welt erhält. Auch zur Berlinale fahre ich, um mir möglichst viele Filme aus der Reihe Generation anzuschauen, und das dox! in Duisburg kuratiert erstklassige Dokumentarfilme fürs junge Publikum. Auch in Polen und Tschechien gibt es tolle Kinderfilmfestivals. Privat gehe ich aber auch gerne auf Festivals für Erwachsene.  

Das Gespräch führte Barbara Schuster