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Die Macher von „Back to Black”: „Die Musik ist der Star“

Morgen kommt „Back to Black” in die deutschen Kinos. SPOT ergriff die Gelegenheit, sich mit Regisseurin Sam Taylor-Johnson und Produzentin Alison Owen über Amy Winehouse und ihren filmischen Ansatz zu unterhalten.

„Back to Black“ erzählt die Geschichte von Amy Winehouse aus ihrer Sicht (Credit: Studiocanal)

Wenn man Sie auf Amy Winehouse anspricht, was ist das Erste, woran Sie denken müssen?

Sam Taylor-Johnson: Ich denke, als erstes schießt einem ihre unglaubliche Musik, ihre wunderbare Stimme durch den Kopf. Aber dann hat man gleich einen zweiten Gedanken, und der hat leider mit ihrem tragischen Leben und frühen Tod zu tun. Wie sie ihr Drama in der Öffentlichkeit vor den Kameras der allgegenwärtigen Paparazzi auslebte, war es dann doch so, als könnte man ihren Untergang Schritt für Schritt mitverfolgen, in Realzeit. 

Haben Sie Amy Winehouse jemals kennengelernt?

Sam Taylor-Johnson: Ich habe sie nicht kennengelernt, ich habe sie niemals getroffen. Ich habe sie aber einmal singen sehen, in einem winzigen Jazzclub in Soho London, bei Ronnie Scott’s. Das war ganz zu Beginn ihrer Karriere, keiner wusste, wer sie war. Es war ein Abend der „New Voices“, also neuen Stimmen, gewidmet war. Sie war jung, sehr schüchtern, gab einen Song zum Besten und ging dann wieder. Da habe ich sie gesehen. Natürlich ohne zu ahnen, dass dieses schüchterne Mädchen einmal die wichtigste Sängerin ihrer Generation werden würde.

Alison Owen und Sam Taylor-Johnson sind die treibenden Kräfte hinter „Back to Black“ (Credit: Studiocanal)

Wie sind Sie dann mit der Geschichte warm geworden?

Sam Taylor-Johnson: Alison Owen hatte die Idee und schlug mir den Stoff vor. Ganz simpel, wirklich. Ohne sie hätte es den Film nicht gegeben.

Alison Owen: Meine Tochter war gut mit Amy Winehouse bekannt, deshalb habe ich sie ein paar Mal getroffen. Es machte mich zornig, dass der Fokus nach ihrem Tod nur auf der Tragödie lag, auf ihrer Sucht, auf ihrem Absturz. Amy Winehouse war, das stand damals auch schon fest, sehr viel mehr als das, was sie zerstört hat. Es fällt auf, dass bei Frauen, die jung sterben, die Tragödie oft wie ein Fetisch behandelt wird. Das war bei Janis Joplin so und bei Amy auch. Was für gewaltige Talente und besondere Persönlichkeiten sie waren, die sich in einer von Männern dominierten Branche behaupten mussten, wird völlig unter den Teppich gekehrt. Ich wollte das korrigieren. Ich fühlte eine Verantwortung, mich schützend vor sie zu stellen. Also hatte ich die Idee für einen Film, der nichts beschönigen sollte, aber vor allem eine Feier sein sollte, der Amy feiert, ihr Talent, ihre Leidenschaft. 

Und Sam Taylor-Johnson hatten Sie da auch schon im Blick als Regisseurin?

Alison Owen: Für mich lag das auf der Hand. Sie war die erste, die ich gefragt habe. Und weil sie gleich Ja gesagt hat, war das dann auch nicht verhandelbar.

Sam Taylor-Johnson: Ich hatte allerdings eine Bedingung: Ich musste freie Hand haben. Es sollte niemand geben, bei dem ich um Erlaubnis fragen oder etwas absegnen musste. 

Alison Owen: Das wiederum empfinde ich als selbstverständlich. Wir haben immer an einem Strang gezogen. Sam war für die künstlerische Seite zuständig, ich für die produzentische. Der erste und entscheidende Job nach ihrer Zusage war es, mich an Universal und Sony zu wenden und die Rechte an der Musik zu sichern. Und damit auch an den Texten. Die Texte sind der Schlüssel zu Amy Winehouse. Das war Pflicht, damit Sam tatsächlich die freie Hand haben konnte, wie sie es gewünscht hatte. Wenn man die Musik und die Texte nicht hat, muss man gar nicht weitermachen. 

Freie Hand ist leicht gesagt. Aber wie sah der Austausch mit der Familie aus?

Sam Taylor-Johnson: Wir mussten uns keine Erlaubnis abholen. Den Kontakt habe ich dennoch gesucht. Das war eine Frage des Respekts, finde ich. Man darf nie vergessen, dass wir es hier mit zwei Eltern zu tun haben, die immer noch in Trauer sind. Die Traurigkeit ist immens, und damit sind noch Myriaden weiterer Emotionen und Gefühle verbunden. Ich wollte mich mit ihnen treffen und ihnen erzählen, was ich vorhatte. Mehr noch aber wollte ich zuhören. Ich wollte ihre Geschichten hören, auf diese Weise mehr noch über Amy erfahren, ein besseres Gefühl für sie bekommen.

Was war Ihre Idee für den Film, was war der kreative Funke?

Sam Taylor-Johnson: Für mich geht alles immer wieder zurück zur Musik. Ihre Stimme. Ihre Texte. Als ich mich mit unserem Autor Matt Greenhalgh traf, sagte ich ihm: Hör dir die Musik an, das ist unser Film. Alles, was wir über die Amy unseres Films wissen müssen, teilt sich durch ihre Lieder und Texte mit. Mir war es wichtig, einen Film zu machen, der sich auf Amys Seite stellt, indem wir durch sie erzählen, mit ihrem Blick, ihren Gefühlen. Ihre Worte waren unser Fixstern. Wenn man ihnen folgte, war man in ihrem Kopf. Das war unsere treibende Kraft. Das Album „Back to Black“ ist fast so etwas wie ein Rahmen für den Film, die Songs erzählen so viel über sie, ihre Liebesgeschichte, ihre Zweifel, ihre Verzweiflung. 

Das sieht man dem Film an: Die Songs werden nicht einfach abgespielt, sondern unterfüttern die Erzählung, dienen als Übergang, sorgen für Zusammenhänge.

Sam Taylor-Johnson: Jeder Song erzählt die Geschichte ein bisschen weiter. Wir haben sie entsprechend nicht als Monolithen betrachtet, sondern als lebende, atmende Entitäten, eine Verlängerung von Amys Persönlichkeit. Anders als zum Beispiel „Rocket Man“ ist „Back to Black“ kein Musical. Die Songs sind mehr wie eine Erzählung aus dem Off, ein Voice-Over. Da steckt viel Arbeit drin. Natürlich auch von Marisa, die immer live singt. Aber auch von dem Produktionsteam, das vor der Aufgabe stand, immer die richtige Soundstimmung für die jeweilige Version und Szenerie zu finden. 

Sam Taylor-Johnson formte den Film gemeinsam mit Autor Matt Greenhalgh (Credit: Studiocanal)

War es denn ein Projekt, das sich leicht auf die Beine stellen ließ?

Alison Owen: Studiocanal war früh als Partner an Bord und hat uns immer den Rücken gestärkt. Das hilft enorm. Davor hatte ich aber schon den Kontakt zu Universal Music gesucht, wegen der Musik. Wie gesagt, es wäre töricht gewesen, einen Film über Amy Winehouse zu machen und nicht Zugang zu ihrer Musik zu haben. Weil Universal Music und Studiocanal eng miteinander verbandelt sind, hat mir Universal den Kontakt verschafft. Sie fanden, dass ich die richtige Produzentin und Studiocanal der richtige Partner sei. Bei Studiocanal war es dann so, als würde man offene Türen einrennen. Wenn es denn eine Herausforderung gab, dann lag sie darin, Studiocanal davon zu überzeugen, dass wir eine unbekannte Schauspielerin in der Hauptrolle besetzen wollten. Das ist immer eine Hürde. Besonders wenn man einen Film machen will, der über ein doch recht üppiges Budget verfügen musste.

Das man dann in der Regel im Handel mit einem großen Namen in der Hauptrolle bekommt…

Alison Owen: Und genau das wollten wir nicht machen! Uns war klar, mit einer Schauspielerin arbeiten zu wollen, der man völlig unvoreingenommen gegenübersteht. Man sollte nicht gleich eine Meinung von ihr haben. Das hatte einen entscheidenden kreativen Hintergrund. Wir wollten mit jemandem arbeiten, dem man dabei zusieht, wie er im Verlauf des Films zu einer Ikone heranreift, anstatt schon eine Ikone zu sein, bevor die erste Klappe fällt. Uns war klar, dass wir die Quadratur des Kreises wollten. Aber wir haben darauf bestanden. Und vielleicht waren unsere Argumente auch gut und einleuchtend, weil wir es bekommen haben. 

Sam Taylor-Johnson: Wir hatten einen schicken Soundbite vorbereitet: Die Musik ist der Star! Das war unser Pitch. Marisa hat uns dann Lügen gestraft. Sie war einfach umwerfend. Man kommt vielleicht wegen der Musik, aber wenn man geht, dann geht man und bekommt Marisa nicht mehr aus dem Kopf!

Wollten Sie denn von Anfang an, dass sie selber singt?

Sam Taylor-Johnson: Um Himmels Willen, nein! Ich dachte nicht, dass sie das kann. Oder besser gesagt: dass es irgendjemand kann. Ich habe sie besetzt, weil sie eine tolle Schauspielerin ist und ich mir niemand mehr in der Rolle vorstellen konnte als sie, nachdem ich sie gesehen hatte. Das war mir wichtig. Weil ich ja wusste, dass ich die Musik ohnehin habe. Das war mein Sicherheitsnetz. Dann sagte sie, als sei es das Selbstverständlichste auf der Welt, dass sie angefangen habe, Stimmunterricht zu nehmen, damit sie die Songs vor der Kamera singen kann. Da ging mir erst ein Licht auf, dass das möglich sein könnte. 

Was wollen Sie mit Ihrem Film erzielen, was ist der Mehrgewinn für den Zuschauer?

Sam Taylor-Johnson: Ich will das Bild geraderücken. Amy Winehouse ist im öffentlichen Auge einfach nur eine tragische Gestalt, eine traurige Figur. Asif Kapadias Doku hat das auf eine sehr starke Weise unterstrichen. Ich will weg davon. Ich will den Fokus auf die Brillanz ihrer Musik legen und daran erinnern, dass sie ihr Innerstes in ihren Liedern veräußert hat, dass sie ihre Seele durch ihre Musik hat sprechen lassen. Auf diese Weise hoffe ich, ihr ihr Leben zurückzugeben, sie nicht mehr die schrille Alte sein zu lassen, die nicht geradeaus gehen und kurz vor dem Zusammenbruch steht, sondern eine große, Künstlerin, eine stolze Frau, ein verletzlicher Mensch. 

Das Gespräch führte Thomas Schultze.