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Anne Schultka, Project Manager KIDS Regio: „Es geht um den persönlichen Kontakt“

Am 27. und 28. Juni findet das 4. KIDS Regio Forum in Erfurt statt. Project Manager Anne Schultka gibt Auskunft über die Besonderheiten und Themen, die bei den geladenen Experten der Kinderfilmbranche sowie der Film- und Kulturpolitik aus 25 europäischen Ländern auf der Agenda stehen.

Anne Schultka: KIDS Regio Projekt Managerin & Leitung Fach-Forum GOLDENER SPATZ (Credit: Deutsche Kindermedienstiftung)

Unter dem Motto „Building Bridges“ steht eine neue Ausgabe des KIDS Regio Forums an. Sie sind für die Programmgestaltung der alle fünf Jahre stattfindenden Austauschplattform zur Stärkung der Kinderfilmkultur verantwortlich. Was erwartet die Expert:innen aus 25 europäischen Ländern dieses Jahr? Gibt es auch Besonderheiten, die hervorstechen?

Anne Schultka: Es gibt zwei Besonderheiten. Die eine ist, dass wir im Vergleich zu den letzten drei Editionen darauf geachtet haben, die Gruppe der Teilnehmenden zu erweitern, über die Kinderfilmbranche hinaus. Bei den letzten drei Ausgaben versammelten sich ausschließlich Expert:innen aus dem Kinderfilmbereich. 2019 haben wir gemerkt, dass es super ist, sich miteinander auszutauschen, dass wir aber viele Dinge, von denen wir uns wünschen würden, dass sie sich ändern, einfach alleine nicht hinbekommen und mehr in Kommunikation mit der weiteren Filmbranche treten und sogar auch aus der Filmbranche heraus in die Kulturbranche reingehen müssen. Wenn es zum Beispiel um Budgetverhandlungen auf Europaebene geht, verhandeln wir im ersten Schritt zusammen mit der Kultur und dann teilen wir. Wir haben einfach nicht die gleichen Ressourcen wie viele andere Gewerke und deren Verbände, die in Brüssel eine Repräsentation haben. Bei unserem parlamentarischen Frühstück in Brüssel stießen wir auf totales Interesse von Branchenvertreter:innen der weiteren Filmbranche. Und die haben wir 2024 auch eingeladen.

Und die zweite Besonderheit?

Anne Schultka: Das ist unsere Eröffnungs-Keynote, in der unter dem Titel „Keeping up with Children as an Audience“ die Ergebnisse einer paneuropäischen, qualitativen Studie zu den 7 bis 11-jährigen Zuschauer:innen vorgestellt werden, ein Projekt von KIDS Regio und Will&Agency/publikum.io.. Sie hat uns viel Kraft abgefordert, weil eine qualitative Untersuchung einfach etwas anderes ist als eine quantitative Befragung. Aber genau das macht den Reiz aus. Es gab noch nie ein vergleichbares Projekt, das zwischen die Länder schaut. Dabei haben wir versucht, Europa so aufzuteilen, dass auch die verschiedenen Kulturräume repräsentiert sind. Es sind viele Dinge, die in der Branche als Erfahrungswerte herumgeistern, die dringend angeschaut werden müssen, ob sie wirklich noch Gültigkeit besitzen. Kinder wachsen heute einfach ganz anders auf als noch vor 20 Jahren.


Welche Dinge müssen sich denn ändern, damit die Kinderfilmkultur in Europa gestärkt werden kann? Gerade in Deutschland scheint der Kinderfilm im Zuge der Förderreform nicht die Beachtung zu finden, die Sie sich wünschen würden…

Anne Schultka: Es ist eine interessante Zeit explizit mit dem Blick nach Deutschland. Ich bin Vorstandsmitglied beim Förderverein Deutscher Kinderfilm und habe an den ganzen Statements mitgeschrieben. Es war beängstigend in der Vorbereitung von KIDS Regio, dass ich von europäischen Kolleg:innen gefragt wurde, was denn bei uns in Deutschland los sei. Deutschland sei doch zusammen mit Dänemark die shining examples in Sachen Kinderfilmförderung. „Wenn die kaputt geht, womit sollen wir dann noch Lobbyarbeit in unseren Ländern betreiben?“, fragten sie mich. Ich hoffe sehr, dass wir weiterhin als shining example vorn dabei bleiben können. Neben der großen Förderreform-Frage in Deutschland wären jedoch auf europäischer Ebene zunächst als ersten Schritt kleinere Dinge wichtig zu ändern, wie in den Ausschreibungen etwa, welcher Art auch immer, sei es Filmförderung, Scriptförderung etc. Hier könnte der Satz reingeschrieben werden: „Wir freuen uns besonders über Projekte für das junge Publikum“. So einfach kann der erste Schritt sein, es müssen nicht gleich eine eigene Jury oder ein eigener Fördertopf sein, obwohl das natürlich ideal wäre. Dann gibt es in einigen Ländern in Entscheider:innenpositionen wie in Förderinstitutionen Nachholbedarf was Kompetenzen im Bereich junges Publikum angeht. Das könnte durch einen Knowledge-Aufbau geändert werden. Oder bei Eurimages könnte darauf geachtet werden, dass in ihrem Pool of Experts, aus dem sich die Jurys speisen, auch Leute dabei sind, die nachgewiesene Kinderfilmexpertise besitzen. Es gäbe zahlreiche weitere Punkte, die ich aufzählen könnte…

Inwieweit kommt man mit seinen Wünschen voran angesichts schwerfälliger Behördenapparate?

Anne Schultka: Ich merke immer mehr, dass es personenabhängig ist. Je größer der Apparat ist, umso wichtiger ist es, dass man in der entsprechenden Institution jemanden sitzen hat, der versteht, worum es geht. Und der Thematik und uns zugewandt ist. Das haben wir bei Eurimages und seiner Chefin Susan Newman-Baudais gespürt. Newman-Baudais war Teilnehmerin von KIDS Regio 2009 und erzählte uns später, dass sie das toll fand und sie sehr inspiriert hat, dass sie weiß, worüber wir reden. Deswegen ist es für uns wichtig, das Forum minutiös durchzuplanen, nicht nur die Inhalte, sondern auch die Atmosphäre. Es geht auch darum, dass die Leute sich gerne daran zurückerinnern, weil man mit einem Thema auch immer das Gefühl verbindet. War das Gefühl gut, guckt man auch positiver aufs Thema und möchte stärker ins Handeln kommen. Darüber hat sich für uns eine Tür bei Eurimages geöffnet. Und darüber hat sich auch ergeben, dass die Präsidentin von Eurimages, Catherine Trautmann, schnell zugestimmt hat, beim diesjährigen KIDS Regio eine Schirmherrschaft zu übernehmen.

Auch das Europäische Parlament hat eine Schirmherrschaft. 

Anne Schultka: Das war ein sehr administrativer Prozess, der glücklicherweise geklappt hat. Was dies für uns in Brüssel bedeutet, wenn wir im Nachgang des Forums, im Oktober, wieder zu einem parlamentarischen Frühstück laden, wird sich zeigen. Im Europäischen Parlament ist es deutlich schwieriger, weil wir da noch nicht die Person sitzen haben, die bei KIDS Regio dabei war und eine Spokesperson für unseren Bereich sein könnte. Es geht wirklich um den persönlichen Kontakt, eine Politikerin, einen Politiker, die oder der das Thema versteht, Lust hat und es in ihre/seine Arbeit inkludiert.

Wenn man aber die Präsidentin von Eurimages und das Europäische Parlament für Schirmherrschaften gewinnt, hat das schon Ausstrahlung.

Anne Schultka: Das war auch eine bewusste Entscheidung. Wir hatten die drei vergangenen Ausgaben regional sehr gute Unterstützung durch den Minister aus Thüringen als Schirmherrn. Das ist auch immer noch total wichtig, weil wir angesiedelt sind am Standort und der Support der Thüringer Staatskanzlei und auch von der MDM für uns überlebenswichtig ist. Thüringen ist für uns ein wichtiges Beispiel auch auf europäischer Ebene, weil es sich vor Jahren das Label „Kindermedienland“ gegeben hat. Das ist wirklich ein Best-Practice-Modell, das sich durchaus auch andere Regionen auf die Fahnen schreiben könnten. Bei Politik muss man nicht nur an Europa und eine Nation denken – auch auf regionaler Ebene kann ganz viel passieren. KIDS Regio gehört zu Cine Regio, dem Verband der regionalen Filmförderungen, was unser Interesse noch mal in eine andere Richtung lenkt. Es ist total wichtig, Thüringen immer wieder als Beispiel voranzustellen, weil man hier sieht, was es bedeuten kann, wenn man politisch entscheidet, sich im Kindermedienbereich zu engagieren. Was dadurch auf einmal praktisch möglich ist, ist relativ einzigartig. Zumindest im Kinderfilmbereich in Europa. 

Auf was freuen Sie sich am meisten, wenn das 4. KIDS Regio Forum endlich startet? 

Anne Schultka: Mein größtes Highlight ist es, wenn die Leute endlich alle vor Ort in Erfurt sind. Ich kenne viele persönlich. Aber dadurch, dass wir den Kreis erweitert haben, kommen nun auch ganz viele, mit denen ich vorher nur telefoniert habe oder einen Videocall hatte. Man merkt ja auch im Videocall den Charakter einer Person, ob man eine Ebene miteinander hat. Und es sind wirklich viele Leute, die erstmals kommen und eine so tolle Energie in den Vorbereitungsgesprächen an den Tag gelegt haben, dass ich mich total freue, sie nun persönlich kennenzulernen und sie in unserem Kinderfilmkreis willkommen zu heißen.

Das Gespräch führte Barbara Schuster

KIDS Regio Forum