Login

Grüße vom Leitwolf

Die Hamburger Produktionsfirma Leitwolf Film ist im Juni mit gleich zwei Produktionen in den Kinos – „Mein Totemtier und ich” und „Grüße vom Mars” (beim Goldenen Spatz) sowie der kleinen, aber feinen Serienproduktion „Festmachen“ im Fernsehen. Grund genug, die Firma einmal vorzustellen.

„Leitwöflin“ Anette Unger (Credit: Inga Seevers)

Der Juni ist der Monat von Leitwolf Film. Die Hamburger Produktionsfirma stellt mit „Grüße vom Mars“ am 2. Juni den Eröffnungsfilm des diesjährigen Kinder und Medien Festivals Goldener Spatz und ist ab 6. Juni mit der Koproduktion „Mein Totemtier und ich“ in den deutschen Kinos vertreten. Bei beiden Filmen ist farbfilm Verleihpartner. Doch damit nicht genug: Ebenfalls im Juni, genauer gesagt am 7., kommt die Miniserie „Festmachen“ in die ARD-Mediathek und erlebt zuvor beim Filmfest Emden eine kleine Festivalpremiere. „Das fügt sich alles hervorragend“, freut sich Produzentin Anette Unger, die die Firma gemeinsam mit Sven Rudat und Rüdiger Wolf leitet. Gegründet wurde sie 2016 mit dem Ziel, hochwertige Produktionen zu schaffen, die sich durch Individualität und Mut auszeichnen – und vor allem berühren. Gearbeitet wird auch gerne im Verbund mit internationalen Partnern. „Uns liegen Geschichten am Herzen, die bereichernd sind, wertvoll und eine Botschaft transportieren, einen Impact haben“, so Unger. Die Umsetzung erfolgt mit Leidenschaft und viel dramaturgischer Expertise. 

„Grüße vom Mars“ von Sarah Winkenstette wurde unlängst beim renommierten Barnefilmfestivalen im südnorwegischen Kristiansand mit zwei Preisen ausgezeichnet: Als „Best International Feature Film“ und als „Best European Film for Children“ (durch die European Children’s Film Association). Der Film nach einem Drehbuch von Thomas Möller und Sebastian Grusnick erzählt von dem zehnjährigen Tom, der gerne zum Mars reisen will, aber erstmal die Sommerferien bei seinen Hippie-Großeltern verbringen muss. Sendepartner sind NDR, HR und Kika.

„Ich mochte schon immer die Kinderfilme aus Benelux und Skandinavien“

Anette Unger

„Mein Totemtier und ich“, eine Koproduktion mit der niederländischen Volya Film und Luxemburg (Tarantula) hat bereits eine noch erfolgreichere Festivalkarriere hinter sich. Nach seiner Weltpremiere als Eröffnungsfilm beim weltweit größten Kinderfilmfestival Cinekid in Amsterdam Anfang 2022 folgten Auftritte u.a. beim Luxembourg City Film Festival oder beim Stockholm Filmfestival Junior. 2023 folgten weitere Festivaleinladungen: im Rahmen des Filmfest Hamburg gewann der Film den Maja-Filmpreis des Michel Kinder & Jugend Filmfest, beim Schlingel in Chemnitz gab es den Europäischen Kinderfilmpreis und beim KinderFilmFest Münster reihte sich der PELLI Award, der Preis der Kinderjury, in die Preisgalerie ein. Der niederländische Drehbuchautor und Regisseur Sander Burger, geboren an der Elfenbeinküste, verbindet in „Mein Totemtier und ich“ mit wundersamer Leichtigkeit und viel Feingefühl afrikanische Mythologie, Asylpolitik und Coming of Age. 

„Wir haben Leitwolf vor nicht ganz acht Jahren mit Koproduktionen mit den Niederlanden gestartet. Ich mochte schon immer die Kinderfilme aus Benelux und Skandinavien. Sie haben eine Wärme und inhaltliche Tiefe“, erzählt Anette Unger, die deshalb auch seit vielen Jahren Stammgast bei Cinekid ist. „Dort bin ich 2019 auf ‚Totem‘ gestoßen und war begeistert von seinem relevanten Thema, wie der Film aus Kinderperspektive ein Schlaglicht wirft auf Menschen, die nicht mit einem legalen Status in Europa leben, Fragen nach Heimat und Verwurzelung stellt. Das Team von Volya Film hatte das Projekt gepitcht und glücklicherweise sind wir zusammengekommen. Ich habe aus Deutschland NDR, Kika und MOIN Filmförderung mit reingeholt. Die Finanzierung hat etwas gedauert, aber über das Ergebnis sind wir sehr glücklich. Und das Thema ist im Jahr 2024 nicht weniger relevant“, erzählt Unger weiter. 

„Mein Totemtier und ich“ (Credit: Govinda van Maele)

„Grüße vom Mars“, das zweite aktuelle Kinderfilmprojekt von Leitwolf, ist als rein deutsche Produktion entstanden, mit der Bremer Kinescope Filmproduktion als minoritärem Partner. „Dieses Projekt habe ich in der Coronazeit angestoßen, als man ein bisschen mehr Zeit für Entwicklung hatte“, erinnert sich Unger. Dank eines Incentive Fonds der MOIN Filmförderung sei es möglich gewesen, mit einem Exposé relativ unkompliziert Förderung zu bekommen. Mit dem Stoff hat das Autorenduo Thomas Möller und Sebastian Grusnick sein eigenes Kinderbuch adaptiert, Sarah Winkenstette, die 2020 mit ihrem Spielfilmdebüt „Zu weit weg“ große Aufmerksamkeit erhielt, kam als Regisseurin an Bord. „Die Geschichte birgt sehr viel Witz und Humor in sich, aber auch eine Botschaft. Der Protagonist ist ein autistischer Junge, der die Sommerferien mit den Geschwistern bei den Großeltern verbringt. Einerseits lernt er, dass er Grenzen überschreitet, andererseits lernen die anderen von ihm, dass sie durch ihn als Familie zusammenfinden, in Situationen, in denen man sich manchmal gegenübersteht wie auf fremden Planeten“, so Unger. Nach dem gelungenen Auftakt bei dem norwegischen Kinderfilmfestival freut sie sich nun, den Film vor Kindern in Gera und Erfurt beim Goldenen Spatz präsentieren zu können. Später im Jahr kommt er ins Kino. Mit den Autoren von „Grüße vom Mars“ entwickelt Anette Unger bereits ein neues Projekt, eine Adaption eines Jugendromans.

„Grüsse vom Mars” eröffnet das diesjährige Kinder und Medien Festival Goldener Spatz (Credit: Leitwolf Film)

Familien-/Kinder-/Jugendfilm ist nur ein Schwerpunkt der Hamburger Firma. Daneben hat Leitwolf auch die Debütschiene im Blick. Gerade laufen noch die Dreharbeiten von Hille Nordens „Ficken für Freiheit“, in dem es um das Thema sexueller Missbrauch in der Jugend geht. ZDF kleines Fernsehspiel ist Partner, die Bremer Kinescope koproduziert wie bereits bei „Grüße vom Mars“. Mit ihrem Drehbuch war Debütregisseurin Norden bereits für den deutschen Drehbuchpreis nominiert. Die Hauptrollen spielen Dana Herfurth („Nore“) und Luna Jordan („Dead Girls Dancing“). Gedreht wird noch bis Ende Mai in Hamburg und Umgebung.

Die Hansestadt ist für Leitwolf ein toller Standort. „Wir sind norddeutsch. Hamburg, Schleswig-Holstein und Niedersachsen ist unser Spielfeld“, so Unger. Mit der MOIN Filmförderung habe man einen tollen Partner, gerade für internationale Koproduktionen im Kinobereich, und auf die nordmedia könne man sich bei Projekten mit Fernsehbeteiligung verlassen und, im Rahmen ihrer Möglichkeiten, auch bei Kinoprojekten. „Hamburg hat viel zu bieten. Wir finden hier tolle Crewmitglieder und es kommen tolle Darsteller:innen übers Thalia und das Schauspielhaus“, findet Unger. 

„Wir achten auf eine diverse, auch weibliche Sicht auf die Projekte.“

Anette Unger

Eine andere Farbe kommt durch Fernsehproduktionen ins Leitwolf-Lineup. Für den NDR entstand gerade über das Nordlichter-Programm die Miniserie „Festmachen“. Dabei handelt es sich um eine Workplace-Dramedy über eine junge Schiffsoffizierin, die sich in einem ungeliebten Job als Festmacherin auf der Bremer Schleuse zurechtfinden muss. Für Buch und Regie zeichnet die junge Filmemacherin Hilke Rönnfeldt verantwortlich. „Auf diese Produktion mit fünf 20 Minüter sind wir sehr stolz. Entstanden ist sie mit den NDR-Redakteurinnen Philine Rosenberg und Ira Neukirchen“, so Unger.

Mit Blick in die Zukunft sieht Anette Unger die Leitwolf Film gut gerüstet. Die Firma ist Teil der Flow Media Company, die Rüdiger Wolf als Geschäftsführer und Sven Rudat als kaufmännische Leitung managen, crosmediale Marken und Formate entwickelt und sich selbst ein Medienunternehmen für die Streaming-Generation nennt. Klar gebe es auch Herausforderungen in der aktuellen Situation, „die Kosten steigen, die Budgets bleiben gleich oder sinken“, so Unger. „Wenn wir Abstriche machen müssen, schauen wir genau hin, dass das Ergebnis nicht verfälscht wird sondern immer noch dem entspricht, für was wir stehen. Wir achten auf eine diverse, auch weibliche Sicht auf die Projekte und bemühen uns um ein paritätisches System.“ Projekte, die mit viel Herzblut entstehen, seien immer mit Hürden in der Finanzierung verbunden. „Da ist es gut, wenn man ein Netzwerk hat, das man anspielen kann“, so Unger. Denn entgegen des Firmenamens (der natürlich seinen Ursprung im Nachnamen von Rüdiger Wolf hat) will Unger gemeinsam mit Produzentenkollege Sven Rudat weniger Leitwolf als Teamplayer sein.

Barbara Schuster