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Ein Besuch am Set von „Drunter & Drüber“: Der Himmel über Wien

Unlängst fiel die letzte Klappe bei der grandios besetzten österreichischen Friedhofs-Komödie „Drunter & Drüber“, die für Prime Video entsteht und im Frühjahr 2025 zu sehen sein soll. Wir waren am Set in Wien, Sundowner mit dem großartigen Nicholas Ofczarek inklusive.

Am Set von Drunter und Drüber
„Drunter & Drüber” spielt im Wiener Bestattermilieu (v.l.): Autorin Judith Westermann, Regisseur Christopher Schier, Nicholas Ofczarek, Julia Jentsch, Produzentin Constanze Schumann, Kameramann Andreas Berger, Produzent Thomas W. Kiennast (Credit: Amazon Prime Video)

Es lebe der Zentralfriedhof und alle seine Toten!

Groß war die Freude, als die Einladung erfolgte für einen Setbesuch bei „Drunter & Drüber“, einer neuen, achtteiligen Prime-Video-Serie der Wiener Rundfilm (Constanze Schumann & Thomas W. Kiennast), die im Jahr zuvor mit der Horrorcomedy „Beasts Like Us“ bereits für den Streamer tätig war (die erste österreichische Serie von Prime). Jetzt also bereits Serie zwei! Und was für eine vielversprechende Produktion – allein aufgrund des Ensembles! Als morbide, skurrile, schwarzhumorige Komödie wird sie angekündigt, 8 x 25 Minuten, mit – Achtung! – dem „Pass“-Dreamteam Nicholas Ofczarek und Julia Jentsch in den Hauptrollen. Eine Serie, die den Friedhof als Schauplatz hat, aus der Feder von HFF-München-Alumna Judith Westermann, die die Idee ursprünglich aus einem traurigen Anlass heraus gebar, aber dem Tod nicht mit Trauer begegnen wollte, sondern mit einem gewissen morbiden Humor. 

Und der wie die Faust aufs Auge nach Österreich, nach Wien passt. „Der Friedhof ist doch ein ganz schöner Verwaltungsapparat. Und was arbeiten dort eigentlich für Menschen?“, fragte sich Westermann. Mit Produzentin Constanze Schumann stand die Autorin schon länger in Kontakt, ganz ursprünglich für ein anderes Projekt, das sich zerschlagen hatte. Mit ihrer Komödie auf dem Friedhof klappte es dann. FISA+ und Filmfonds Wien förderten, Prime Video fand’s auch prima, Kiennast-Spezl Christopher Schier ebenfalls und setzte sich mit großer Freude auf den Regiestuhl. „Pass 3“-Reunion galore. Die Drehorte in Wien waren schnell gefunden, der Hernalser Friedhof hält für den fiktiven Friedhof Donnersbach her, Innenmotive fanden sich auf dem Otto-Wagner-Areal. Für eine grüne Produktion doppelt gut: alle Motive in einer Stadt, nahe Wege, auch für die Darstellenden, von denen viele eh in Wien leben. Leiwand! 

Der Eintritt ist für Lebende heut‘ ausnahmslos verboten

Auch wenn nicht der Zentralfriedhof zum Einsatz kommt bei „Drunter & Drüber“, das Lied von Ambros trifft einfach zu gut den Schmäh des Projekts, das mich auf das Otto-Wagner-Areal auf der Baumgartner Höhe 1 führte. Dort schlug das Team gerade die Zelte auf für drei Motive: das Krematorium, das Friedhofsbüro und die Leichenhalle. Nicht nur auf dem Zentralfriedhof braucht „von den Gäst‘ ka einziger a Eintrittskartn“. Gleiches gilt für das Otto-Wagner-Areal. 

„Oh, Baumgartner Höh‘, na servus“, sagt der Taxifahrer. „Wissen’s was es bedeutet, wenn ein Wiener zu dir sagt: Du g’hörst auf’d Baumgartner Höh‘?“ „Äh, nein“… Ein extrem schwül-heißer Tag, endlich am Bahnhof Wien-Maidling. Der Zug hatte mal wieder Verspätung. Deshalb schnell ins Taxi. An Schönbrunn vorbei, den Berg hinauf zum geschichtsträchtigen Steinhof, wie man auch sagt. Berühmt-berüchtigt, eingeweiht 1907 als Nerven- und Heilanstalt (jetzt fällt der Groschen, danke Herr Taxifahrer), ein weltweit bedeutendes und großflächig zwischen imposanten Kiefernwäldern angelegtes Jugendstil-Ensemble, dessen charakteristische Pavillon-Bauten in einer parkähnlichen Hanglage angeordnet sind mit der Gold-gekuppelten Kirche zum Heiligen Leopold (auch Kirche am Steinhof) als krönendes Highlight, düstere Zeiten während des Nationalsozialismus inklusive. 

Heut san alle wieder lustig, heut‘ lebt alles auf

Seit längerer Zeit ist das beeindruckende Areal verwaist. Die Gebäude in Rohziegelbauweise wunderschön erhalten. Viele Fenster mit Eisenstäben vergittert. Klar. Ehemalige Irrenanstalt. Ob hier wohl noch der ein oder andere „irre Geist“ durch den alten Baumbestand schwebt? Die Wiener Filmbranche nutzt das Areal auf alle Fälle gerne für Dreharbeiten. Zuletzt quartierte sich dort MR Film mit der vierten Staffel „Vienna Blood“ ein. David Schalko drehte Teile seiner Serie „M – Eine Stadt sucht einen Mörder“, wie mir Schauspielerin Johanna Orsini erzählte. Sie spielt auch mit in „Drunter & Drüber“ (und war auch bei „M“ dabei!) – „die Friedhofsgeigerin Olga. Wie wunderbar! Ich habe Musik studiert, spiele Geige. Jetzt endlich gibt es eine Rolle, bei der ich sie wirklich einsetzen darf!“, so Orsini strahlend. 

„Humor in Verbindung mit Tod ist zutiefst österreichisch.”

Thomas W. Kiennast, Produzent Rundfilm

Keine irren Geister empfangen mich, sondern gutgelaunte Teammitglieder, wie Orsini eben. Beim Catering gibt es erst einmal einen guten Kaffee. Dazu setzt sich das Produzentenduo Constanze Schumann und Thomas W. Kiennast. Kiennast führt seit vielen Jahren die erfolgreiche Werbe- und Eventfilmproduktion Das Rund, vor ein paar Jahren kam die für fiktionale Inhalte zuständige Rundfilm dazu, mit Constanze Schumann als Partnerin. ‚Drunter & Drüber‘ passt perfekt hierher“, so Schumann. „Speziell der Wiener ist bekannt für seinen morbiden Humor. Wir gehen mit dem Tod anders um als die Deutschen“, so die Produzentin. Das findet auch Kiennast: „Humor in Verbindung mit Tod ist zutiefst österreichisch.“ Man stelle sich nur mal vor, so der Produzent weiter, dass die Wiener eine Art Flaschenpost, eine Röhre zwischen der Stadt und dem Zentralfriedhof geplant hatten, wo die Särge mit Luftdruck zum Friedhof hätten geschossen werden sollen, weil die Kutschfahrten zu lange dauerten. „Entwicklungen dieser Art können nur gedeihen, wenn man eine gewisse Art von Humor mitbringt“, lacht Kiennast. Schumann hat noch ein Beispiel: „Im Wienerischen ist der Ausdruck für Leichenbestatter Pompfüneberer. Das klingt ja irgendwie auch verniedlichend, nett. Und wenn man sich mal anschaut, was es im Fan-Shop des Zentralfriedhof gibt, von Luftmatratzen in Form eines Sarges hin zu Schürzen mit Sprüchen wie ,Ich nasche bis zur Asche‘… hat das einfach einen Schmäh.“

Spazierfahrt über den Friedhof: Julia Jentsch und Nicholas Ofczarek in „Drunter & Drüber” (Credit: Prime Video)

Im Mausoleum spielt a Band, die hat an Wahnsinnshammer drauf

In der Workplace-Komödie, die ab Frühjahr 2025 bei Prime zu sehen sein soll, spielt Nicholas Ofczarek eine Figur namens Heli Wondratschek, den Vize-Friedhofsleiter des Friedhofs Donnersbach. Sein größter Traum, die Leitung zu übernehmen, ist zum Greifen nah, als sein Chef von einer morschen Grabstatue erschlagen wird. Das übergeordnete Groß-Grünamt setzt ihm allerdings die von Julia Jentsch gespielte Ursula Fink vor. Plötzlich muss sich Heli mit jemandem auseinandersetzen, der keine Ahnung hat, seine Nemesis ist. Sie steht ihm im Weg, seinen Thron zu besteigen. Das muss bekämpft werden. Doch als klar wird, dass der Friedhof wegen Unrentabilität geschlossen werden soll, müssen sie überlegen, ob sie nicht an einem Strang ziehen und die Feindschaften, jawohl, begraben wollen. Diese Fehde ist eingebettet in diverse Bestattungen und die Geschichten der anderen Friedhofsmitarbeiter, von denen jeder sein eigenes Päckchen zu tragen hat. Beim Friedhofs-Personal geht es nämlich auch ganz schön drunter und drüber: Neben Heli Wondratschek und Ursula Fink gibt es die bereits erwähnte Friedhofsgeigerin, den Steinmetz Werner, die Krematoriumsbeauftragte Adriana, die sich in die Bestatterin Elli verguckt, und die Frau des Steinmetzes, Cornelia, die gleichzeitig die Trauerrednerin ist und ein Techtelmechtel mit dem Vize hat. Neben Johanna Orsini werden diese Rollen von Harald Windisch, Ulrike C. Tscharre, Sarah Viktoria Frick und Susanne Wuest gespielt. 

„Ich habe es als sehr Besonders empfunden, dass man mit dem gleichen Spielpartner wieder besetzt wird.”

Julia Jentsch

Die Besetzung von Julia Jentsch als weibliche Hauptrolle brachte Thomas W. Kiennast ins Spiel, nachdem er am Set von „Der Pass 3“ miterlebte, was für ein Schmäh zwischen Ofczarek und ihr in den Drehpausen ablief. „Bei Komödie denkt man vielleicht nicht auf Anhieb an Julia Jentsch. Ich wusste aber, dass sie das kann, gerade im Zusammenspiel mit Nikki. Sie haben so eine gute Chemie zusammen. Das kann man nicht erst am Set herstellen“, sagt Kiennast. Jentsch freute sich, als sie das Angebot bekam: „Endlich mal was ganz anderes, nach den vielen gruseligen Mordfällen. Ich habe schon lange nach etwas Leichterem, Schrägem, Humorvollem in einer Erzählung gesucht. Das hat sich bei ‚Drunter & Drüber‘ erfüllt.“ Über ihre Rolle der Ursula Fink sagt sie: „Heli ist ja sehr streng, er ist der König des Friedhofs, kennt jeden Paragraph des Gesetzes auswendig. Ursula ist nicht gesetzestreu und hat vor allem keine Ahnung vom Friedhofsgeschäft. Das sorgt für Konflikte.“ Dass sie erneut mit Ofczarek vor die Kamera durfte, war ihr eine große Ehre: „Ich habe es als sehr Besonders empfunden, dass man mit dem gleichen Spielpartner wieder besetzt wird. Das habe ich noch nie erlebt. Dann auch noch in einem anderen Genre. Es ist ein totales Geschenk, wenn man auf eine vertraute Zusammenarbeit aufbauen kann und sich in zwei völlig neuen Charakteren auf neue Entdeckungsreise begibt.“ 

Wunderbare Schauspielerinnen: Susanne Wuest und Sarah Viktoria Frick gehören auch zum Friedhofspersonal; Wüst spielt eine Bestatterin, Frick die Leiterin des Krematoriums (Credit: Prime Video)

Volltreffer also für Kiennasts Idee, Jentsch zu besetzen, nachdem Burgmime Ofczarek zugesagt hatte. Ebenso ein Volltreffer sind die Drehorte, Otto-Wagner-Areal und Hernalser Friedhof. „Am Otto-Wagner-Areal ist viel passiert, man spürt es in den Mauern. Deshalb verhält sich die Stadt vielleicht auch zögerlich in der Weiternutzung. Filmteams kommen gerne zum Drehen. Es ist ein historischer Boden“, erklärt Kiennast, der bei „Drunter & Drüber“ nicht selbst Hand anlegt, wie damals bei „Der Pass 3“, wo er sich die Regie mit Schier teilte und außerdem für die Bildgestaltung verantwortlich zeichnete. Bei „Drunter & Drüber“ fungiert er einzig als Produzent. Insgesamt stehen 40 Drehtage auf dem Plan. Die letzte Klappe fiel am 10. Juli. Zwar ist der Wiener Zentralfriedhof sicher der bekannteste aller Wiener Friedhöfe, der zweitgrößte Friedhof Europas sogar, Ruhestätte etlicher Promis wie Udo Jürgens, Falco, Beethoven, Mozart, Curd Jürgens oder Hans Moser („Der Moser singt’s Fiakerlied und die Schrammeln spüln an Walzer“), Rundfilm wich für den Dreh allerdings auf den Hernalser Friedhof aus, der auch nicht gerade klein ist, stattliche 22.000 Grabstellen hat und dessen Verwaltung sich extrem kooperativ verhielt. „Der Hernalser Friedhof hat uns am besten gefallen. Wir haben dort viele Tage gedreht, und sie haben uns unglaublich viel machen lassen. Die Verwaltung hat für uns Beerdigungen gestoppt und Gräber ausgehoben“, erzählt Constanze Schumann. Es wurden Gräber überschwemmt und, wie gesagt, sogar ein eigenes Grab ausgehoben, drei Meter tief, weil dort eine Kampfszene stattfindet: Ofczareks Heli und Windischs Steinmetz kriegen sich in die Haare und tragen ihren Zwist eben an ihrer Arbeitsstätte aus, in der Grube drunten. „Das war mein absolutes Highlight“, so Regisseur Christopher Schier. 

„Die Verwaltung des Hernalser Friedhofs hat für uns Beerdigungen gestoppt und Gräber ausgehoben.”

Constanze Schumann, Produzentin Rundfilm

Wir gehen zum Krematorium, das die Produktion in einem der alten Pavillons eingebaut hat. Särge stehen herum, eine Auswahl an Urnen, eine Art automatische Einfuhrvorrichtung. Obwohl es Kulissen sind, entsteht ein mulmiges Gefühl. Die Szene, die gedreht wird, zeigt eine Leiche im Sarg, die mit rot-gelbem Steckerl-Wassereis gekühlt wird. „Die Kühlung ist ausgefallen. Was tun? Elli, Adriana und Cornelia beschließen kurzerhand, Speiseeis zu holen“, flüstert mir Schier zu. Raschel raschel, das Eis wird auf dem Toten, der nach dem Take natürlich wieder aus dem Sarg gestiegen ist (😊), zurechtgelegt. Cut. Bei der Beerdigung riecht es dann arg nach Himbeereis aus dem Sarg und sorgt für große Irritation bei den Trauernden, wie mir erzählt wird. Susanne Wuest, die die Bestatterin Elli spielt, findet den humorvollen Umgang mit Tod prinzipiell extrem gut. „Bei ‚Drunter & Drüber‘ mag ich besonders, wie menschlich die Figuren sind und wie schwarz der Humor ist. Großartig!“ Dem stimmt Kollegin Sarah Viktoria Frick zu. Sie spielt Krematoriumstechnikerin Adriana: „Ich liebe es, wenn nicht nach Schema F gearbeitet wird. Wenn es die Möglichkeit gibt, der Intuition zu folgen und etwas Unkonventionelles auszuprobieren. So entsteht das Besondere. Das gefällt mir.“ Und für Ulrike C. Tscharre ist es in erster Linie ein Traum, Teil eines „so tollen Ensembles“ zu sein. Sie gibt zu: „Ich bin großer Fan von Nicholas Ofczarek und mir ist es leider schon passiert, im Take, dass ich so gebannt war, was er da so spielt, dass ich meinen Einsatz verpasst habe.“

Machtkampf auf dem Friedhof: Julia Jentsch und Nicholas Ofczarek (Credit: Prime Video)

Draußt is kalt und drunt is warm, nur manchmal a bisserl feucht

Etwas höher die Anhöhe hinauf in Richtung St. Leopold mit seiner goldenen Kuppel wird das Friedhofsbüro gedreht, ebenfalls in einem der Jugendstil-Pavillons von Otto Wagner. Windisch wird vor dem Dreh weiß bemehlt: „Als Steinmetz flexe ich Steine, bin also ständig weiß im Gesicht und in den Haaren. Außerdem ist mein Werner nah am Wasser gebaut, was bei einem Job am Friedhof jetzt gar nicht so ungewöhnlich ist. Das Bild des weißen Gesichts mit einer Träne hat auch etwas Clowneskes“, erzählt der Tiroler Schauspieler, der unlängst unter anderem in „Im Netz der Camorra“ zu sehen war. Die Dreharbeiten stimmen ihn demütig. „Wir sind die meiste Zeit ja auf dem Friedhof in Hernals. Man spaziert da durch und entdeckt so viele Menschenleben, die mal hier auf der Erde waren, Dynastien… Das gehört dazu. Einerseits das Leben, andererseits der Tod. Es geht nur mit beidem.“

„Man schaut Menschen einfach gern beim Scheitern zu.”

Christopher Schier, Regisseur
Zombiealarm? Nein, einfach nur der ganz normale Wahnsinn auf dem Friedhof (Credit: Prime Video)

Das sieht auch Regisseur Schier so. „Das Besondere an dem Stoff ist tatsächlich das Drama dahinter. Es geht um Menschen, die um etwas Kämpfen. Da ist es egal, ob es ein dramatischer Stoff ist oder eine Komödie. Man darf nur seine Figuren nicht verraten. Es geht bei einer Komödie ja nicht darum, dass man einen Witz hat, sondern dass man den Zuschauer abholt, dass er sieht, aha, der Figur geht es noch schlechter als mir. Das ist lustig. Josef Hader macht das seit vielen Jahre so fantastisch. Man schaut Menschen einfach gerne beim Scheitern zu“, so Schier. Bei „Drunter & Drüber“ hat alles gepasst. „Es gibt Stoffe, die einen reizen. Das ist bei ‚Drunter & Drüber‘ der Fall. Filmemachen ist Lebenszeit. Ich finde nichts schlimmer, als etwas zu machen, worin man nichts sieht. Dass Nicholas Ofczarek und Julia Jentsch als Hauptdarstellende dabei sind, war am Anfang gar nicht klar. Nikki war als erster an Bord. Wir kennen uns von ‚Die Ibiza-Affäre‘, dann vom ‚Pass‘. Es ist ein Vertrauensverhältnis da. Dann kam Julia dazu. Das ist Gefahr und Chance zugleich. Denn man baut bei einer neuen Serie auf nichts Vorhandenes auf, die Figuren müssen quasi neu angezogen werden. Man muss sich fragen: wo kommen die Figuren her, was ist ihr Problem?“ 

Schier liebt die Ausgangssituation mit diesem Helmut Wondratschek, der immer versucht, alles richtig zu machen, korrekt ist in seiner Grundstruktur und nach dem Tod des Chefs wie selbstverständlich davon ausgeht, dass er befördert wird. Doch ur zach (Achtung, das ist österreichisch!) – es wird ihm jemand vorgesetzt, die keine Ahnung hat vom Geschäft und nur Chaos anrichtet und selbst wiederum nicht weiß, dass sie den Job nur erhielt, weil der Friedhof eigentlich geschlossen werden soll. „Ein zentrales Element für mich ist die Tatsache, dass keine der Figuren Familie hat, sie sind alle allein. Eigentlich kommen sie erst am Ende drauf, dass sie füreinander Familie sind und zusammenhalten müssen, wenn sie ihren Friedhof retten wollen. Dieses etwas gemeinsam Schaffen kommt in unserer Gesellschaft viel zu kurz“, erzählt Schier. Für Kiennast und Schumann ist Schier genau der richtige Mann für den Regie-Job: „Ich kenne Christopher gut und weiß, was er auf dem Kasten hat, gerade, was den feinen Humor, die feine Klinge betrifft. Bis auf die ‚Ibiza-Affäre‘ konnte er sein Talent für Komödie noch nicht unter Beweis stellen. Für uns war er die erste Wahl“, erzählt Thomas W. Kiennast.

Am Zentralfriedhof ist Stimmung, wie seit Lebtag no net woa, weil alle Toten feiern heute seine ersten hundert Jahr

Auch bei „Drunter & Drüber“ wird gefeiert, am Ende eines langen Drehtags. „Unsere Serie spielt zwar auf dem Friedhof, hat aber eine positive Message. Es geht darum, dass wir unsere Zeit auf Erden nutzen, das Beste aus unserem Leben machen sollten“, sagt Constanze Schumann. Das Drunter spielt natürlich auch eine Rolle, wenngleich hier nicht zu viel verraten werden darf. „Das Drunter kommentiert das Geschehen wie ein Griechischer Chor“, deutet Schumann an. „Aber das Drunter bietet keine Lösung an. Eine Komödie zeichnet sich dadurch aus, dass nicht alles erklärt und auserzählt ist. Wir finden ja Dinge nicht lustig, weil es einen Schluss gibt, sondern weil wir das Momentum lustig finden. Die Welt unterhalb des Friedhofs dient nur dazu, wie die zwei Herren in der Muppet Show zu kommentieren, ohne eine Lösung anzubieten“, ergänzt Kiennast. Wichtig ist beiden, mit ihren Stoffen Neues zu leisten, innovativ zu sein. „Die Deutschen sind österreichischen Kreativen immer sehr dankbar, weil wir Dinge einfach mal gerne behaupten und hinstellen. Bei ‚Beasts Like Us‘ gab es Vampire und andere Kreaturen im Leben, bei ‚Drunter & Drüber‘ gibt es einen Friedhof mit Problemen. Bei uns hört man Produzent:innen auch mal sagen: ,Schau ma mal‘. Ein ,Schau ma mal‘ gibt es im Sprachjargon eines deutschen Produzenten eher selten. Es macht aber freier. Die Zusammenarbeit mit Prime Video zeichnet sich durch ein vertrauensvolles Miteinander aus“, so Kiennast. Also, schau ma mal. Und freuen uns auf die Premiere im Frühjahr 2025!

Constanze Schumann & Thomas W. Kiennast (Credit: privat)

Sundowner mit Nicholas Ofczarek: „Chaos an einem Ort der Stille“

Drehschluss, Feierabend. Ein Bier, eine Tschick. Zwei Plastikstühle. Vor dem Trailer. Abendsonne, ein paar lästige Stechmücken. Doch alles urleiwand. „Es gibt schlimmere Orte für ein Interview, oder?“, fragt Nicholas Ofczarek lässig. „Es gibt sicher auch schlimmere Orte zum Drehen“, sage ich. „Ja sicher. Schön hier.“ In der Tat. 

In Character: Nicholas Ofzcarek als Heli Wondratschek am Set von „Drunter & Drüber” (Credit: Prime Video)

Um was geht es in „Drunter & Drüber“?

Nicholas Ofczarek: Es geht um Chaos an einem Ort der Stille. Und um die Vermeidung von Chaos an einem Ort der Stille, weil es ein Ort der Stille ist. Es geht drunter und drüber und es geht auch um ein Drunter. Und um die Welt, die wir kennen. Es geht um die Abgründe der Menschen, der einzelnen Figuren. Und die Abgründigkeit in Situationen. Es ist weniger eine Comedy als eine Komödie, es ist vor allem eine europäische Komödie. Es ist eine ganz eigene Welt. 

In guten Komödien, worüber lacht man? 

Nicholas Ofczarek: Man lacht über die Not der Menschen, auf die wir treffen, die Verzweiflung. Das Scheitern. Die Erschütterung. Das Überschreiten von Grenzen. Darüber lacht der Mensch. Darüber muss und darf gelacht werden.

„Film ist ein Teamberuf, bei dem man über Respekt und über Professionalität so etwas wie Freiheit erzeugt.”

Nicholas Ofczarek

Sie spielen Heli Wondratschek. Wer ist dieser Heli Wondratschek?

Nicholas Ofczarek: Heli Wondratschek ist ein zu kurz Gekommener in der Hierarchie. Er hat die Hoffnung neuer Leiter des Friedhofs zu werden, wird aber übergangen. Als Anwalt meiner Figur sage ich: er hat recht. Er fühlt sich zu Höherem berufen. Er ist sehr bewandert in Gesetzen. Er hat Ahnung, Wissen um seinen Job. Leider ist er ein wenig zu zwanghaft und kommt deswegen bei seinen Mitarbeitern nicht gut an. Wirkt auf sie eher unsympathisch. Es wird ihm eine Kollegin vorgesetzt, die für gute Stimmung sorgt und seiner Meinung nach gar nichts kann. Aber sie ist den Kollegen lieber. Der Mann hat auch eine Entwicklung vom Zwanghaften in etwas Entspannteres, Kriminelleres. Er versucht alles richtig zu machen. Das ist relativ unsexy, wenn es auch richtig ist. Diese Verschiebungen, diese Abgründe, sollen uns ein Lachen abgewinnen. 

„Drunter & Drüber“ ist eine gewisse Reunion: Sie spielen mit Julia Jentsch, ihrer „Pass“-Partnerin, Christopher Schier und Thomas Kiennast sind hinter der Kamera, waren bereits bei „Die Ibiza-Affäre“ (Schier) und „Pass 3“ (beide) dabei. Ist es eine große Freude, mit diesen Kollegen wieder zusammenzuarbeiten?

Nicholas Ofczarek: Ja sicher, sonst würde ich es nicht tun. Es ist wirklich eine Freude, weil wir sehr um ein gewisses Niveau bemüht sind auf einer menschlichen Ebene und professionellen Ebene. Was wichtig ist in dem Beruf. Film ist ein Teamberuf, bei dem man über Respekt und über Professionalität so etwas wie Freiheit erzeugt. Dann lässt es sich einfach besser und freier arbeiten miteinander. 

Eine letzte Frage, zum Beruf des Schauspielers. Sie sind nicht nur ein sehr bekannter Filmschauspieler, sondern auch gleichermaßen im Theater erfolgreich. Als Außenstehender leuchtet es mir ein, was einem den Kick auf der Bühne gibt. Jeder Abend ist anders, man durchläuft eine Reise mit seiner Rolle, hat die Reaktion des Publikums direkt. Was gibt einem den Kick beim Film? Es ist kleinteilig, dreht asynchron, man weiß nicht, welcher Bildausschnitt, welcher Take genommen wird…

Nicholas Ofczarek: Das sind zwei völlig verschiedene Berufe. Am Theater geht es mehr um Versendung, beim Film geht es mehr um Verinnerlichung. Theater hat meist die Grundlage von Literatur, Film nicht. Es geht in beiden Berufen um das Erlangen einer gewissen Freiheit. Beide Berufe sind letztlich nicht zu erklären, weil sie beide etwas Unwägbares haben, gleichzeitig aber auch voneinander profitieren. Ich bin einer der wenigen, die beides so intensiv machen. Was gibt mir den Kick beim Film? Das Arbeiten in einem Team, es ist wie ein Zirkus, hat etwas Zirkushaftes. Es geht um den Moment und nicht um das Abliefern von Erprobten, das Verwischen der Spuren. Ich habe eigentlich noch nie Komödie im Film gemacht, und merke, dass hier andere Gesetze der Erzählung gelten. Mir macht Film fast mehr Freude als Theater. Im Moment. Wichtig ist: Raum für Projektion zu geben, dass die Phantasie wuchern darf und dass man nicht alles genau ausformuliert und das Publikum bevormundet. Das ist auch eine Entscheidung, wie man spielt. Es wird ja immer wieder versucht, Erfolg zu planen. Erfolg ist aber nicht planbar. Man kann gewisse Gesetzmäßigkeiten einhalten, aber man sollte es abgeben, an den Zuseher. Man will natürlich, dass die Angelegenheit erfolgreich ist, die Frage ist, auf welchem Niveau. Bei „Drunter & Drüber“ bemühen wir uns um Niveau. Ich bin zuversichtlich.

Barbara Schuster