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Bestbesucht heißt längst nicht bestbewertet

Der größte Kinohit 2023 erhielt vom Publikum eine unterdurchschnittliche Note – zumindest von jenem, das von der GfK für die Analyse der 50 Top-Filme befragt wurde. Letztere zeigt auch, wie entscheidend soziale Medien für das Phänomen „Barbenheimer“ waren – auch wenn diese in ihrer Bedeutung ansonsten längst noch nicht an die mit Abstand wichtigste Aufmerksamkeitsquelle heranreichen.

„Barbie“ schwamm 2023 gemeinsam mit „Oppenheimer“ auf der ganz großen Erfolgswelle. (Credit: Jaap Buitendijk/Warner Bros. Entertainment)

„Barbenheimer“ war ein Phänomen, das selbst viele Branchenangehörige erst relativ spät kommen sahen – zumindest in der Ausprägung, die es letztlich annahm. Der meist- und der viertmeistbesuchte Titel des vergangenen Jahres („Avatar: The Way of Water“ setzte sich alleine mit den Besuchen aus 2023 auf den zweiten Rang, dahinter folgte „Der Super Mario Bros. Film“) befeuerten sich gegenseitig – wovon schon eine Statistik Zeugnis ablegt, die die FFA anlässlich der KINO 2024 präsentiert hatte: 39 Prozent der „Barbie“-Besucher waren auch in „Oppenheimer“, 55 Prozent der „Oppenheimer“-Besucher in „Barbie“. Eine Schnittmenge, die umso erstaunlicher ist, als 72 Prozent des „Barbie“-Publikums weiblich war – bei „Oppenheimer“ überwogen hingegen die Männer mit 57 Prozent. Generell gab es bei den Topfilmen 2023 mehr Frauen im Publikum: Sie führten mit 52 Prozent um vier Prozentpunkte vor den Männern.

Der Trailer im Kino ist und bleibt die wichtigste Aufmerksamkeitsquelle

Bevor sich das „Barbenheimer“-Phänomen in die Kinosäle bewegte (Hut und Sakko etwa mögen nicht gerade die aufwändigste Kostümierung sein, dennoch hätte ich noch Wochen vor Start nicht unbedingt erwartet, derlei Fan-Bekundung gleich mehrfach im Kinosaal zu erleben; Anm.d.Red.), hatte es sich zunächst auf sozialen Medien entwickelt und verbreitet – und das zeigt sich nicht zuletzt beim Blick auf die Analyse der „Sources of Awareness“ für die beiden Filme, die Teil der unlängst vorgelegten FFA-Studie „Top 50 Filmtitel 2023“ sind.

Zur kompletten Studie

Dazu erst einmal grundsätzlich: Im Ranking der „Sources of Awareness“, also der Aufmerksamkeitsquellen für neue Kinostarts, finden sich soziale Medien auf dem dritten Platz – im Schnitt entfiel auf sie ein Anteil von 13 Prozent. Gegenüber der Vorjahresauswertung (die sich angesichts des noch von der Pandemie geprägten Kinojahres 2022 nur auf 40 Titel bezog) ist dieser Wert um zwei Prozentpunkte gestiegen. Minimal nach unten (um einen Prozentpunkt) ging es wiederum für die trotzdem nach wie vor mit Abstand wichtigste Aufmerksamkeitsquelle: Den Trailer im Kino, auf den bei den Topfilmen 2023 ein Anteil von 26 Prozent entfiel. Nicht umsonst gilt: Erfolg schafft Erfolg – denn Trailer auf der Leinwand werden natürlich umso häufiger gesehen, je mehr Menschen den Weg vor die Leinwände finden. Was, das ist leider die Kehrseite der Medaille, ein umso größeres Problem schafft, wenn längere „Durchhaltephasen“ auftreten. Auf dem zweiten Rang liegt – schon ein gutes Stück abgeschlagen – der Tipp aus dem Freundeskreis mit 16 Prozent.

29 Prozent Awareness-Anteil für soziale Medien bei „Barbie“

Damit zurück zu „Barbenheimer“. Beide Filme haben einen ausgesprochen hohen Awareness-Anteil bei den sozialen Medien. Schon „Oppenheimer“, der im Schnitt ein deutlich älteres Publikum anzog (43 Prozent in den Zielgruppen ab 40 Jahren; bei „Barbie“ waren es 32 Prozent), kommt auf einen Anteil von 18 Prozent. Bei „Barbie“ waren es ganze 29 Prozent. Nur ein einziger der Top-50-Filme hatte hier einen höheren Anteil (31 Prozent) zu verzeichnen – und es überrascht wohl nicht, dass es eine Games-Adaption war: „Five Nights at Freddy’s“. Schon der dritthöchste Awareness-Anteil für soziale Medien lag bei „nur“ 22 Prozent – und auch wenn „Dungeons & Dragons“ der Urvater der Pen&Paper-Rollenspiele ist, handelt es sich natürlich um eine Lizenz, die in unzähligen Varianten als Videospiel umgesetzt wurde, unlängst erst in Form des Hits „Baldur’s Gate 3“.

Demgegenüber fiel die Sichtung des Trailers im Kino bei „Barbie“ und „Oppenheimer“ deutlich ab: Die Werte von 14 bzw. 20 Prozent liegen klar unter dem Schnitt. Woher das kommt? Beide Filme zogen auch Menschen an, die schon länger nicht mehr den Weg vor die Leinwände gefunden hatten. Laut GfK-Umfrage betrug der Anteil jener, die (wenigstens) seit Januar 2023 nicht mehr im Kino waren, bei „Barbie“ 29 Prozent, bei „Oppenheimer“ sogar ganze 32 Prozent. Enorme Werte – und man kann an dieser Stelle durchaus erwähnen, dass beide Titel (insbesondere „Oppenheimer“) für aktuelle Hollywood-Verhältnisse in der Produktion ausgesprochen günstig waren. So soll das Marketingbudget für „Barbie“ die Produktionskosten überstiegen haben.

Wer glaubt, der meistbesuchte Film des Jahres müsse auch besonders gute Noten vom Publikum bekommen haben, irrt unterdessen. Tatsächlich konnte sich „Barbie“ (bei einem Notenschnitt von 1,7 auf einer vierstelligen Skala) nur – wie auch eine ganze Reihe weiterer Filme – eine 1,9 sichern. Schwächer schnitten nur „M3GAN“ (2,0) und „Five Nights at Freddy’s“ (2,2) ab. „Oppenheimer“ erfuhr mit 1,5 hingegen eine überdurchschnittliche Bewertung.

Top-Bewertungen für deutsche Filme

Am besten bewertet wurden nach Angaben der FFA unterdessen drei deutsche Produktionen, bei denen (und nur dort) die Durchschnittsnote extra bis zur zweiten Nachkommastelle kommuniziert wurde: „Checker Tobi und die Reise zu den fliegenden Flüssen“ erhielt eine herausragende 1,33 bei dem mit Abstand größten Note-1-Anteil von ganzen 67 Prozent. „Wochenendrebellen“ (1,39) und „Der Räuber Hotzenplotz“ (1,41) folgen knapp dahinter. Den niedrigsten Note-1-Anteil hatte unterdessen „Magic Mike: The Last Dance“, der ursprünglich nur im Stream erscheinen sollte. Anteilig am häufigsten die schlechteste Note bekamen mit je acht Prozent für die „4“ die beiden Titel „Lassie – Ein neues Abenteuer“ und „The Marvels“ verpasst, wobei ersterer mit einem Schnitt von 1,6 insgesamt noch überdurchschnittlich gut wegkam, „The Marvels“ mit 1,8 knapp unterdurchschnittlich abschnitt. 

Während ein genauerer Blick auf die 67 Seiten umfassende Studie ausdrücklich empfohlen sei, sollen hier noch ein paar der „Highlights“ aus  der Analyse knapp skizziert werden:

Höchste Anzahl an Begleitpersonen: „Die Schule der magischen Tiere 2“ mit 2,6 bei einem Gesamtschnitt von 1,7. Klar, generationenübergreifender Familienfilm – was sich auch im hohen Durchschnittsverzehr (10,98 Euro) ausdrückt.

Höchster durchschnittlicher Eintrittspreis: „Avatar: The Way of Water“ mit 14,38 Euro bei einem Gesamtschnitt von 10,15 Euro. Extralange Überlänge, 3D, hoher Premiumanteil, gerne auch mal ein „filmbezogener Aufschlag“. Klare Sache.

Niedrigster durchschnittlicher Eintrittspreis: „Lassie – Ein neues Abenteuer“ mit 8,00 Euro. Ob vierbeiniges Publikum (ist im Union-Filmtheater in Bochum tatsächlich zugelassen) den Schnitt um die entscheidenden Cent drückte, ist nicht bekannt. 

Höchster Durchschnittsverzehr pro Besuch: „Checker Tobi und die Reise zu den fliegenden Flüssen“ mit 13,81 Euro bei einem Gesamtschnitt von 7,40 Euro. Kinderfilme sind in dieser Kategorie traditionell führend, wobei „Avatar: The Way of Water“ abseits dieses Genres mit 10,56 Euro heraussticht. Klar, bei dreieinviertel Stunden darf es auch ein zweites Getränk sein.

Höchster Anteil in der Altersgruppe 60+: „Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war“ mit satten 58 Prozent bei einem Gesamtschnitt von 17 Prozent. Selbst beim Zweitplatzierten („Ein Mann namens Otto“) waren es 24 Prozentpunkte weniger. Laut FFA-Auswertung muss der kumulierte Anteil der beiden Zielgruppen bis 19 Jahre unter einem Prozent gelegen haben. Das gab es sonst nur bei „The Banshees of Inisherin“.

Höchster Anteil in der Altersgruppe bis 15 Jahren: „Die drei ??? – Erbe des Drachen“ mit 47 Prozent bei einem Gesamtschnitt von 15 Prozent. Bester Gesamtbesuch für einen majoritär deutschen Film – und das, obwohl offenbar viele „unbegleitete“ Jugendliche im Kino waren. Letzteres sicherlich auch der Grund für den für einen Familienfilm nicht gerade übermäßig hohen Durchschnittsverzehr von 9,55 Euro.

Höchster Großstadtanteil: „The Banshees of Inisherin“ mit 57 Prozent der Besuche in Orten mit wenigstens 500.000 Einwohnern (bei einem Gesamtschnitt von 21 Prozent). Gleichzeitig der mit weitem Abstand geringste Anteil (12 Prozent) in Orten bis 19.999 Einwohnern – und der einzige (!) Film mit lediglich einstelligem Anteil in Orten zwischen 20.000 und 99.999 Einwohnern. Zahlen, die ahnen lassen, was mit „Fokussierung auf die Metropolen“ gemeint ist, wenn man über die vielen großen Arthouse-Hits der letzten Monate spricht…

Höchster Anteil in Orten unter 20.000 Einwohnern: „Lassie – Ein neues Abenteuer“ mit 63 Prozent, aber sehr knapp gefolgt von „Rehragout-Rendezvous“ mit 62 und „Manta Manta – Zwoter Teil“ mit 61 Prozent. 

Höchster Publikumsanteil mit Studienabschluss: „The Banshees of Inisherin“ mit 72 Prozent bei einem Gesamtschnitt von 31 Prozent. Wer sich die (klar überlegene) OV gegönnt hat, ahnt womöglich, wieso. Mit weitem Abstand niedrigster Anteil übrigens keineswegs bei „Manta Manta – Zwoter Teil“ (da sind es 20 Prozent), sondern bei „The Nun II“ mit sieben Prozent.

Bedeutung der Wochentage: Während der Pandemie gab es durchaus die Theorie, dass der Wunsch nach mehr persönlichem Freiraum den Gesamtbesuch gleichmäßiger über die Woche verteilen könnte. Wenn das je so war, dann jedenfalls nicht dauerhaft. 2023 stand das Wochenende (Samstag und Sonntag) ebenso für 41 Prozent der Gesamtbesuche der Toptitel wie 2022, auch der Freitag blieb unverändert bei 14 Prozent. Nur der Montag war mit zehn Prozent zuletzt nicht ganz so abgeschlagen (2022: neun Prozent) – was insofern minimal überraschen könnte, als es einzelne Kinos gab, die an diesem Tag den Spielbetrieb aussetzten.

Bedeutung des Vorverkaufs: Diese blieb gegenüber 2022 anteilig unverändert: Drei Prozent der Tickets für Topfilm-Besuche wurden im Vorverkauf im Kino erworben, 30 Prozent im Netz. Verändert hat sich nur insgesamt das Verhältnis zwischen Vor-Ort- und Internet-Kauf. Zuletzt wurden am Tag des Besuchs 50 Prozent der Tickets vor Ort erworben, 16 Prozent im Internet – damit sind seit 2022 zwei Prozentpunkte von der Theke ins Netz gewandert.

Marc Mensch