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20 Jahre Animation aus Leidenschaft

Mit ihrer Ulysses Films zählt Emely Christians zu den bekanntesten und erfolgreichsten Animationsfilmproduzent:innen in Deutschland. Ein Blick auf ihre Karriere und den Aufbau der Firma, die dieses Jahr 20-jähriges Bestehen feiert. 

Emely Christians (Credit: Ulysses)

Mit ihrer Ulysses Filmproduktion feiert Emely Christians dieses Jahr 20-jähriges Jubiläum. Anlass genug, einen Blick auf die Geschichte und den Erfolgslauf der in Hamburg beheimateten unabhängigen Produktionsfirma zu werfen. Animationsfilme für den internationalen Markt sind der USP von Ulysses, aus Deutschland heraus angeschoben, mit verschiedenen, wechselnden Partnern umgesetzt. Immer das große Familienpublikum im Blick. Die erfolgreichste Reihe in Deutschland sowie weltweit ist die „Niko“-Trilogie, deren dritter Teil Ende des Jahres in die Kinos kommt und am 28. September beim Filmfest Hamburg außer Konkurrenz Weltpremiere feiert. „Wir freuen uns riesig, weil wir dort auch ‚Niko 1 & 2‘ zeigen durften“, so Christians, die Ulysses 2004 gegründet hat, obwohl sie ursprünglich nichts mit dem Filmgeschäft zu tun hatte, BWL mit Schwerpunkt Medienrecht an der Uni in Hamburg studierte und zunächst eine Karriere bei Werbe- und Bildagenturen einschlug. Bis sie 2004 die Welt des Animationsfilms gepackt hat und Ulysses Filmproduktion gründete. Längst zählt das Hamburger Unternehmen zu einem der führenden unabhängigen Spezialisten in Sachen kindgerechter, warmherziger Animationsfilmproduktion. Technisch können sich die Filme durchaus mit den großen Hollywoodblockbustern messen (wenn auch die Budgets in Europa zwischen zehn und zwölf Mio Euro lange nicht in Pixar-Höhe schweben). Und im Verbund mit unterschiedlichen europäischen Koproduzenten aus Ländern wie Belgien, Norwegen, Finnland, Dänemark, Irland, UK oder Luxemburg entstehen Filme, die die Kinozuschauer:innen von morgen und ihre Familien auf der ganzen Welt unterhalten. Filme, die über kleine Rentiere erzählen, die Fabeln über das Erwachsenwerden sind, Filme, in denen Sintflut und Arche als Coming-of-Age-Geschichte aus der Perspektive der Tiere aufgegriffen werden („Ooops 1&2“) oder Filme über listige, geschäftstüchtige Kater, die es faustdick hinter den Ohren haben (wie eine der jüngsten Produktionen „Maurice der Kater“ nach Terry Pratchetts vielgeliebten Roman).

Zahlen und Fakten: 20 Jahre Ulysses

• 1.275 Minuten Kinofilm produziert, das sind 1.836.000 einzelne Frames.

• Ulysses hat an Filmen mit einem Gesamtbudget von 110.570.712 Euro gearbeitet, davon haben wir40.415.605 Euro aus Deutschland heraus finanziert und in Arbeit umgesetzt.

• „Maurice der Kater“ wurde in Kinos in 72 Ländern gezeigt, insgesamt hat sich der Film in über 130 Länder verkauft. US Kinostart mit über 2.000 Kopien und Einladung zum Sundance Festival

• Erfolgreichste Reihe in Deutschland und weltweit ist die „Niko“-Trilogie, dicht gefolgt von „Ooops 1+2

„Wir haben uns von Anfang an auf internationale Koproduktionen spezialisiert. Das ist kein notwendiges Übel, das machen wir gerne“, so Christians. Das Tolle daran sei, so die Produzentin weiter, dass man so viele fantastische Menschen kennenlernen darf. „Beim Animationsfilm sind die Produktionszeiträume recht lang, wir entwickeln wie alle anderen auch die Skripte, gehen anschließend ein oder zwei Jahre in die Finanzierung. Und dann folgt eine über 24 Monate andauernde Produktionszeit, wo wir jeden Tag zusammenarbeiten. Das schweißt sehr zusammen. Dabei sind in 20 Jahren enge Bande entstanden.“ Ein zweiter Aspekt, der ihr bei ihrem Job gefällt, ist, dass kein Projekt dem anderen gleicht. „Es ist nie Standard, jede Geschichte ist anders, jedes Design, auch wenn es natürlich unsere Handschrift trägt. Es ist immer wieder neu. Diese Konstellationen sind toll.“ 

„Ich bin kein großer Fan vom gemeinsamen Entwickeln mit mehreren Partnern.”

Emely Christians

Im deutschsprachigen Markt ist Ulysses Filmproduktion bei den kommerziellsten Animationsfilmproduzent:innen angesiedelt. Die erwähnte Handschrift ist immer Projektgetrieben, „liebevoll ausgedacht, immer bezogen auf den jeweiligen Stoff“, so Emely Christians. Die Designer:innen nähern sich oft über Formen. „Wir erschaffen unseren Cast ja jedes Mal selbst. Da fragen wir uns: Wie können die Figuren aussehen, was passt zur Geschichte? Es geht darum, dem Projekt gerecht zu werden. An unserem Maurice zum Beispiel haben wir sehr lange gefeilt, bis er aussieht, wie er aussieht. Wir arbeiten hier mit vielen Leuten aus Hamburg, aber auch aus ganz Deutschland zusammen.“ Am liebsten werden Projekte erst einmal inhouse entwickelt, noch ohne Koproduzenten. Erst ab einem gewissen Zeitpunkt machen sich Christians und ihr Team dann auf die Suche nach geeigneten Partnern. „Ich bin kein großer Fan vom gemeinsamen Entwickeln mit mehreren Partnern. Das ist, wie wenn man im Kunstunterricht mit mehreren ein Bild malen soll… Schwierig.“ 

„Maurice der Kater” (Ulysses Films)

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Der Einstieg in die Branche erfolgte damals mit „Niko – Ein Rentier hebt ab“. „Das war unser erster großer Film. Ich erinnere mich gut, dass uns viele tatsächlich für verrückt hielten, ein Projekt dieser Größenordnung aus Europa heraus machen zu wollen“, so Christians. Gegründet wurde Ulysses damals als deutsche Koproduktionsfirma der irischen Magma Films, die es aber schon lange nicht mehr gibt. Die „Verbandelung“ dauerte nur ein Jahr, seit 2005 ist Ulysses komplett unabhängig mit zwei Gesellschaftern an Bord. „Das Unternehmen gehört ansonsten mir“, so Christians. Sie erinnert sich, als ihr damals das Drehbuch von Marteinn Thorisson und Hannu Tuomainen zu „Niko 1“ in die Hände fiel: „Da wusste ich sofort, dass das ein wunderbarer Film werden würde.“ Gesagt, getan. Mit „Niko 1“ stellte Ulysses den ersten DFFF-Antrag im Bereich Animation. „Das kam uns genau zupass.“ Fast zeitgleich mit Ulysses gründete Christians Schwester Jana Bohl das Animationsstudio Studio Rakete, um fortan eng zusammenarbeiten zu können. „Wir sitzen auch im gleichen Haus, was praktisch ist. Gesellschaftsrechtlich sind wir aber komplett unabhängig“, so Emely Christians. „Seitdem haben wir uns im Bereich Animationsfilm bewiesen und darauf geachtet, mit Entwicklungen und neuen Produktionen im Flow zu bleiben. Denn ohne Produktionen ist eine Produktionsfirma nichts“, so die Ulysses-Chefin schmunzelnd. Die Struktur bei Ulysses ist auch nach 20 Jahren noch schlank, gerade einmal fünf feste Mitarbeiter:innen gibt es. „Das funktioniert gut, weil wir beim visuellen Teil große Unterstützung von Studio Rakete bekommen und externe Leute je nach Aufwand dazubuchen können“, so Emely Christians.

„Hamburg ist ein guter Standort für Animation.”

Emely Christians

Die Partner, die sich Ulysses je nach Projekt an Bord holt, stammen meist aus Europa. In der Vergangenheit arbeitete man viel mit Skandinavien zusammen. Einmal hatte die Hamburger Firma auch Kanada ins Boot geholt. „Europäische Partner passen meist besser zu unseren Geschichten. Man muss ja die gleiche Geschichte erzählen wollen, nicht, dass am Ende irgendeine verwaschene Sache dabei herauskommt, hinter der man nicht stehen kann“, so Christians. Erstmals produziert Ulysses aktuell mit Spanien (Arxlight) und Österreich (arxanima), bei der Verfilmung von Kirsten Boies „Seeräubermoses“. „Das klappt ganz hervorragend“, so Christians. Das Line-up von Ulysses hat sich nach 20 Jahren schön gefüllt. „Nicht jeder Film ist mir gleich wichtig. Es gibt durchaus Projekte, für die man mehr brennt, wie etwa zuletzt ‚Maurice der Kater‘. Allein die Tatsache, dass wir die Rechte an Terry Pratchetts Roman bekommen haben, ist toll. Ich mag auch ‚Luis und die Aliens‘ sehr und unsere ‚Ooops‘-Charaktere, die mir wie gute Freunde ans Herz gewachsen sind – uns allen bei Ulysses!“ Viel Spaß macht ihr die Arbeit an „Out of Frame“, der bereits von der MOIN Filmförderung gefördert wurde und 2025 in Produktion gehen soll. „Erzählt wird die Geschichte von zwei Hunden, die sich in der Museumswelt und der Welt der Bilder zurechtfinden müssen. Ein Hund entstammt einem Gemälde und muss herausfinden, wo er hingehört. Das Schöne ist, dass hier Kunststile kindgerecht verpackt werden, ohne lehrmeisterlich vermittelt zu werden“, so Emely Christians. Förderpartner MOIN gebührt nicht nur bei „Out of Frame“ großen Dank: „Sie sind uns sehr wohl gesonnen. Schon zu Eva Huberts Zeiten sind wir immer gut gefördert worden. Die Kontinuität dieser Länderförderung, jetzt mit Helge Albers, hat es durchaus mitbewirkt, dass wir immer weitermachen und uns immer weiter verbessern konnten. Hamburg ist ein guter Standort für Animation.“

Emely Christians ist die Geschäftsführerin und Produzentin der Ulysses Filmproduktion. Sie studierte BWL. Bevor sie Geschäftsführerin der Ulysses wurde, war sie als Leiterin des Artbuyings bei einer Hamburger Werbeagentur beschäftigt und zuvor mit der Leitung der Hamburger Niederlassung einer deutschlandweit agierenden Fotoagentur betraut. (Credit: Ulysses)

Mit Blick auf den internationalen Animationsfilmemarkt kann die Produzentin auch die nächsten 20 Jahre gelassen bleiben. „Vom deutschen Markt könnten wir nicht leben. Die Auslandsverkäufe generieren die Erlöse, die unser Geschäft am Laufen halten.“ Ihre Animationsfilme traveln weltweit, „einfach, weil Animationsfilme universeller sind. Wir freuen uns außerdem sehr, dass immer noch so viele Familien und Kinder ins Kino gehen. Wir haben ja nicht nur die Verkäufe für die nachgelagerten Auswertungsstufen. Unsere Filme sind teilweise in 70 bis 75 Ländern tatsächlich auch auf der großen Leinwand zu sehen. Sehr süß ist, wie viele dankbare Zuschriften und Bilder uns aus aller Welt erreichen. Das ist das Schöne am Animationsfilm: Er ist allgemeingültig.“ Wenn sie sich etwas für die deutsche Branche wünschen dürfte, wäre das mehr Investition in die Ausbildung im Bereich Animation: „Es gibt zwar viele begabte Fachkräfte und kreative Storyboarder:innen. Aber gerade der Frauenanteil ist aufgrund des doch auch sehr Technik lastigen Berufs sehr gering. Da müsste dringend etwas getan werden“, so Christians. In der Branche engagiert sie sich im Vorstand der Deutschen Filmakademie in der Sektion Animation sowie als Schatzmeisterin der Europäischen Filmakademie. „Bei der Deutschen Filmakademie bin ich recht aktiv. Gemeinsam mit dem tollen Team um Anne Leppin bauen wir die Sektion Animation derzeit auf.“ Mit Blick in die Zukunft wünscht sich die Produzentin weiterhin Zuversicht der deutschen Marktteilnehmer:innen in den Animationsfilm. „Der Animationsfilm ist so wichtig für Kinder. Durch ihn lassen sich spielerisch Dinge erklären, die in unserem Zusammenleben bedeutend sind.“ 

Wichtig ist auch die Frage, ob Ulysses dieses Jahr noch zu einer Geburtstagsparty einlädt. Der Handelsregistereintrag der Firma stammt von Mitte Mai 2004. „Zum Jubiläum im Frühling gab es intern einen kleinen Umtrunk. Ob wir nun im Rahmen der Weltpremiere von ‚Niko 3‘ auf dem Filmfest Hamburg noch feiern, oder aber erst 2025, zusammen mit unseren engen Partnern von Studio Rakete, die dann nämlich auch 20 werden, planen wir derzeit noch“, so Christians. Wir wünschen Happy Birthday und freuen uns auf viele weitere hochwertige Animationsfilme für die ganze Familie!

Barbara Schuster