Login

REVIEW STREAMING: „Road House“

Topmodernes und lässig erzähltes Remake des Actionkultfilms von 1989 mit Jake Gyllenhaal als UFC-Kämpfer, der in einer Kneipe auf den Florida Keys aufräumen soll.

CREDITS:
O-Titel: Road House; FSK: ab 16 Jahren; Land/Jahr: USA 2024; Laufzeit: 122 Minuten; Regie: Doug Liman; Drehbuch: Anthony Bagarozzi & Chuck Mondry; Besetzung: Jake Gyllenhaal, Daniela Melchior, Conor McGregor, Billy Magnussen, Jessica William, Joaquim de Almeida; Plattform: Prime Video; Start: 21. März 2024

REVIEW:
Es juckt einen förmlich, das Word-Dokument dieser Besprechung mit den Worten „REVIEW KINO“ zu beginnen, denn da hätte dieser Film, Doug Limans Remake des Actionfilms „Road House“ von 1989, in dem Jake Gyllenhaal die Rolle übernahm, die seinerzeit von Patrick Swayze gespielt worden war, hingehört. Denn ein Kinofilm ist dieser neue „Road House“ durch und durch, ein Gute-Laune-Haudrauf-Film und Crowdpleaser, der einem reinläuft wie kein Hollywoodfilm seit „Top Gun Maverick“ (oder vielleicht „Hit Man“ von Richard Linklater, der in Venedig Premiere gefeiert hatte, aber erst im Sommer – ENDLICH! – in die Kinos kommt) – egal, ob die MGM-Produktion nun jemals für eine Kinoauswertung geplant war, wie der Regisseur vor der Weltpremiere beim SXSW Filmfestival apostrophiert hatte, oder immer schon einfach nur auf Prime Video landen sollte, wie unter anderem auch der Star des Films behauptete. Für die Plattform ist der Film eine Zier, für die Kinos ist es schade: Er hätte gerade an seinem Startwochenende wunderbar Seite an Seite mit „Ghostbusters: Frozen Empire“ gepasst, um für Fez vor der großen Leinwand zu sorgen, noch so ein Trip down memory lane, zurück zu einer Marke aus den Achtzigerjahren.

Mit Jake Gyllenhaal ist in „Road House“ nicht zu spaßen (Credit: Laura Radford @ Amazon Content Services LLC)

Wenngleich eingeräumt werden muss, dass der originale „Road House“ damals bei seinem Start keine großen Wellen geschlagen hatte und eher belächelt worden war, dass er versucht hatte, einem ausgerechnet Swayze als taffen Bouncer zu verkaufen, der doch immer eher Tänzer als Boxer war. In Deutschland zählte das Original jedenfalls nicht zu den 27 Besuchermillionären des Kinojahres 1989. Bestenfalls öffnete er seinem beinahe vergessenen Regisseur Rowdy Herrington Tür und Tor für ein paar okaye Arbeiten, u.a. „Fäuste“ und „Striking Distance – Aus tödlicher Nähe“, und empfahl Patrick Swayze als probate Option für einen Actionfilm, was dem Herzensbrecher aus „Dirty Dancing“ schließlich seine beste Rolle in dem weitaus überlegenen „Point Break“ von Kathryn Bigelow ermöglichte. Dass dieses B-Movie aus der zweiten Reihe mit seinem auf den heutigen Stand der Dinge gebrachten Westernplot wie aus „Mein großer Freund Shane“ oder „Der Fremde ohne Namen“ sich schließlich doch für ein Remake empfahl, mag dem Umstand geschuldet sein, dass es sich im Lauf der Jahre auf DVD und im Streaming einen gewissen Kultstatus gesichert hat: Dialogzitate und Memes pflastern das Internet.

Dass sich für die Neuverfilmung schließlich doch große Namen wie Doug Liman, seit seinem Debüt mit „Swingers“ konstant einer der findigeren Mainstreamregisseure Hollywoods mit Hits wie „Mr. & Mrs. Smith“ oder „Edge of Tomorrow“ (allerdings mit einem Ruf, es seinen Produzenten nicht immer leicht zu machen und gerne deren Nerven wie auch das Budget zu strapazieren), und Jake Gyllenhaal in der Hauptrolle interessierten, macht in jedem Fall schon einmal neugierig. Und tatsächlich trifft ihre Zusammenarbeit gleich den richtigen Ton, wenn die patente Kneipenbesitzerin Frankie den ehemaligen UFC-Champion Dalton nach einem Underground-MMA-Kampf anheuern will, ihr „Road House“ genanntes Roadhouse auf den Florida Keys aufzuräumen und die allabendlichen Störenfriede und Rowdys in die Schranken zu weisen. Dass Duncan erst einmal seinen Selbstmord geplant und dann wieder abgesagt haben muss, bevor er schließlich doch einwilligt, hat gute Gründe. Zum einen weiß man als Zuschauer jetzt, dass er ein schweres Päckchen aus der Vergangenheit mit sich trägt, zum anderen ist man im Bilde, dass diesem Typen mit seinem (mindestens) Eightpack und dem resignierten Blick jederzeit alles zuzutrauen ist.

Schnell geht es zur Sache in der wildesten Kneipe, seitdem die Blues Brothers in Bob‘ Country Bunker auftraten , allerdings sind die ersten Keilereien gekennzeichnet von einem trockenen Humor und dem Spirit von „Vier Fäuste für ein Hallelujah“: Gyllenhaal ist in diesen Momenten ein vorzüglicher Terrence Hill. Man wünscht sich, der Film würde diesem Ton treubleiben, ahnt aber doch schnell, dass auch dieser Hollywood-Film dem Trend zur Eskalation treubleiben und alle Gesetze der Logik und Physik schnell zum Teufel jagen wird. Ja, da geht es um einen bösen Immobilienhai, dem Frankie und das „Road House“ ein Dorn bei der Verwirklichung seiner Träume von Edel-Condos auf Glass Key sind und der vor nichts zurückschrecken wird, um sie sich zu erfüllen. Ja, irgendwann fliegen Leiber rund 30 Meter durch die Luft, um sich danach zwar vor Schmerzen zu krümmen, aber doch wieder unverdrossen aufzustehen. Und klar, dann muss ja auch noch UFC-Bad-Boy Conor McGregor seinen großen Auftritt haben, um wie ein Ein-Mann-Panzer mit einer Überdosis Red Bull eine Schneise der Verwüstung nach sich zu ziehen und Gyllenhaals Dalton richtig zu fordern. Er kann nicht schauspielern, echt nicht, aber macht seinen Job gut und überzeugend. 

Was nicht heißt, dass man nicht auch dann noch eskapistischen Spaß haben kann, wenn einem Yachten, Boote, Häuser und zumindest gefühlt eine halbe Insel um die Ohren fliegen. Für die Kampfsequenzen hat sich Liman mit seinem Kameramann Henry Braham, erprobt in optischem Overkill wider alle Realität dank Arbeiten wie „Guardians of the Galaxy Vol. 3“ oder „The Flash“, eine ganz besondere Form von subjektiver Kamera einfallen lassen, die einen als Zuschauer mitten in den Kampf setzt und jeden Hieb förmlich mitspüren lässt, vergleichbar mit den entsprechenden Szenen aus Guy Ritchies „Sherlock Holmes“. Ein amerikanischer Kollege nannte das „ConcussionCam“ und liegt absolut richtig damit. Vor allem verliert der neue „Road House“ den Human touch nicht aus den Augen. Liman füllt den Film mit sympathischen Figuren, die man sofort mag, punktet mit seinem (selbst)ironischen Humor und hat mit Daniela Melchior auch auf romantischer Seite einen starken weiblichen Lead, der sich von den vielen Machos im Film nicht beeindrucken lässt. Vor allem aber Jake Gyllenhaal trägt den Film. Man glaubt diese gebrochene Figur, ihre entspannte Schlagfertigkeit, eine souveräne Trägheit, die blitzschnell in rasende Aggression umschalten kann, ein Jack Reacher mit ungeahntem Tiefgang und sehr lässigen Sommershirts (Achtung, Style-Alert!), ein Mann, der Zen sein muss, weil er Angst vor dem eigenen Potenzial zur Raserei hat. Oder anders gesagt: Gebraucht hätte es einen neuen „Road House“ nicht. Jetzt ist es gut, dass es ihn gibt. 

Thomas Schultze