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REVIEW KINO: „Weekend in Taipei“

Hartgesottene Hochglanzaction mit Luc-Besson-Gütesiegel über einen DEA-Agenten, der mehrere Rechnungen, emotional wie beruflich, in Taipei offen hat.

CREDITS: 
O-Titel: Weekend in Taipei; Land/Jahr: Frankreich 2024; Laufzeit: 98 Minuten; Drehbuch: George Huang, Luc Besson; Regie: George Huang; Besetzung: Luke Evans, Gwei Lun-Mei, Sung Kang, Patrick Lee, Wyatt Yang; Verleih: Leonine Studios; Start: 17. Oktober 2024

REVIEW:
Seit den Dreharbeiten zu seinem Action-Hit „Lucy“ 2013 in Taiwan soll sich Luc Besson vorgenommen haben, für ein weiteres Projekt in die Hauptstadt Taipeh zurückzukehren. Deren spektakuläre Kulisse spielt nun tatsächlich die Titelrolle in seiner neuen Produktion „Weekend in Taipei“: Das Skript wurde dem Schauplatz quasi auf den Leib geschrieben, von Besson und George Huang, der zuletzt vor allem als Autor für TV-Projekte tätig war, und der nach seinem Debütfilm „Unter Haien in Hollywood“ (1994) und dem Rom-Com-Flop „No Night Stand“ (2017) erstmals wieder auf dem Regiestuhl Platz genommen hat. Der Film wurde mit einer komplett taiwanesischen Crew realisiert, vor der Kamera gibt es ein Wiedersehen mit zwei Stars des „Fast & Furios“-Franchise, Luke Evans und Sung Kang. Die weibliche Hauptfigur, verkörpert von der taiwanesischen Schauspielerin Gwei Lun-Mei, könnte demselben High-Speed-Universum oder auch der von Besson produzierten „Transporter“-Reihe entsprungen sein: Joey ist die Spitzenfahrerin eines Verbrechersyndikats, mittlerweile Ehefrau von Kartellboss Kwang (Sung Kang), dem das Handwerk gelegt werden soll – die Polizei will ihn wegen des Verstoßes gegen Fischereigesetze dingfest machen. Während Kwang zu Beginn des Films vor Gericht steht, starrt Joey im Audrey-Hepburn-Look sehnsüchtig in Schaufenster, „Moon River“ läuft im Hintergrund, doch ihr Blick gilt keinem Tiffany-Diamanten, sondern einem roten Ferrari, mit dem sie gleich darauf eine „Gran Turismo“-würdige Probefahrt unternimmt. Joey ist frustriert von ihrem Leben als Gangsterbraut, während ihr smarter Teenager-Sohn Raymond (Wyatt Young) wegen der Ökobilanz von Kwang Industries schlecht auf seinen Stiefvater zu sprechen ist. Er möchte am liebsten in die Fußstapfen seines leiblichen, angeblich verstorbenen Dads treten, von dem seine Mutter behauptet, er habe als Patissier gearbeitet. 

Luke Evans in „Weekend in Taipei“ (Credit: Leonine)

Derweil ermittelt DEA-Agent John Lawlor (Luke Evans) in Minneapolis undercover als Chef in einem chinesischen Restaurant, das im Verdacht steht, mit Kwangs Kartell zusammenzuarbeiten. Der Einsatz endet in einer der aufwendigsten Küchenschlachtszenen, die man je gesehen hat, wobei jedes Messer, jede Pfanne und ein Crème-Brûlée-Brenner als Waffe herhalten müssen, bis das gesamte Inventar in Flammen aufgeht und anschließend unter Wasser gesetzt wird. John kann immerhin einen Goldfisch retten, eine in Thunfischkonserven versteckte Drogenlieferung sicherstellen und damit für weltweite Schlagzeilen sorgen. Im Zuge dessen wird er von einem geheimen Informanten aus Taipeh kontaktiert, der ihm Beweismaterial gegen Kwang anbietet, woraufhin er auf eigene Faust an seinem freien Wochenende nach Taiwan fliegt. Dort hat er bereits 15 Jahre zuvor gegen das organisierte Verbrechen gekämpft und sich dabei in Joey verliebt, die schon damals zwischen Kwang und John wählen musste. Wie es das Schicksal will, läuft John nach der in großem Stil eskalierten Übergabe seiner früheren Liebe und deren Sohn in die Arme. Womit der Film überraschend schnell zur Sache kommt, die ihm noch mehr am Herzen liegt als Twin-Turbo-Motoren: eine Dreiecksgeschichte, in der ein romantischer Polizist das weibliche Mitglied einer Gang befreien will, was spätestens dann mehr als deutlich gemacht wird, wenn Luke Evans und Sung Kang in einem Kinosaal vor der Leinwand aufeinander losgehen, auf der die Schlussszene von Zhang Yimous Action-Romanze „House of Flying Daggers“ zu sehen ist. 

„Weekend in Taipei“ hält in jeder Hinsicht, was Luc Besson verspricht. Die Schauplätze wechseln so schnell wie die waghalsigen Kameraeinstellungen, sehr oft hat die moderne Hochglanzästhetik die Anmutung eines Imagefilms für die taiwanesische Tourismusindustrie. Der Schnitt ist messerscharf wie der Ton, der Soundtrack stilsicher vom chinesischen „Paint It Black“-Thema des Titelsongs bis zu Johnny Cashs „Ring of Fire“. Es wird ein enormes Arsenal von Waffen, grimmig tätowierten Gangstern und Sidekicks verpulvert, und es werden sehr viele Dumplings gegessen. Kein Running Gag über chinesisches Essen wird ausgelassen, das Drehbuch hält das Tempo, das jeder Ferrari, Porsche und Buggy-Rennwagen vorgibt. Der zeitgemäßen Figurenzeichnung tragen die ebenso rasant geschnittenen Rückblenden in der Mitte des Films Rechnung, in denen aus wechselnden Perspektiven erzählt wird, was sich vor 15 Jahren wirklich zugetragen hat, was allein schon Stoff für ein Prequel hergeben würde. Weil selbst der Bösewicht ein Herz hat, und weil sich zwischen dem emotionalem DEA-Agenten John, der coolen Joey und dem cleveren Kid Raymond eine charmante Familiendynamik entwickelt, glänzt die Produktion überraschenderweise auch dann, wenn gerade kein Hotelinventar oder Luxusauto zerstört wird. Luke Evans sieht man gerne dabei zu, wie er jede Autoverfolgungsszene zu Fuß bewältigt, während sich Gwei Lun-Mei nicht einen Moment das Steuer aus der Hand nehmen lässt. Bis das Drehbuch ganz am Schluss in eine Sackgasse einbiegt und der Actionthriller selbst für eine romantische Komödie dann doch etwas zu cheesy endet. 

Corinna Götz