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MOIN-Chef Helge Albers: „Wir setzen gerne Impulse“

Helge Albers, Chef der MOIN Filmförderung, freut sich, dass er mit seiner langjährigen, von ihm sehr geschätzten Kollegin Malika Rabahallah nun über das Filmfest Hamburg in Kontakt steht. Über ihre Handschrift als Festivalleiterin, den starken Aufschlag von MOIN-geförderten Filmen beim 32. Filmfest, das Industry-Programm und MOIN als Innovationstreiber spricht er hier.

Helge Albers (Credit: Jasper Ehrich)

Welche Bedeutung hat das Filmfest HH generell für MOIN und wird sich diese Beziehung vielleicht jetzt noch intensivieren, wo mit Malika Rabahallah nun eine Leitung im Lead ist, die eine langjährige Vergangenheit bei MOIN hat…

Helge Albers: Seit ich in Hamburg bin, nehme ich das Filmfest in einer ständigen Aufwärtsspirale wahr. Albert Wiederspiel hat schon daran gearbeitet, den Industry-Teil aufzuwerten und genau das ist auch erklärtes Programm von Malika Rabahallah. Ich bin mir sicher, dass sich dieses Engagement auszahlen wird. Wir haben ein enges Verhältnis zum Filmfest, unserer Tochterfirma, und natürlich einen engen Draht zu Malika. Unsere gemeinsame Vergangenheit ist aus meiner Sicht ein Gewinn für alle Beteiligten. Involviert sind wir auf vielen verschiedenen Ebenen, auf der Öffentlichkeitsarbeitsebene, der Industryebene wie auch auf der Filmebene. Wir freuen uns sehr, wenn Filme, die mit Unterstützung von MOIN entstanden sind, auch hier zu sehen sind und dem Hamburger Publikum zugänglich gemacht werden können. Filmfest Hamburg ist wie jedes Stadtfestival auch ein Publikumsfestival. Man muss in der kuratorischen Auswahl immer die goldene Mitte finden zwischen dem anspruchsvollen filmischen und einem publikumstauglichen Aufschlag. Der Mix ist Malika Rabahallah und ihrem tollen Programmteam extrem gut gelungen. 

Malika Rabahallah ist es auch ein großes Anliegen, den Aspekt des Publikumsfestivals noch zu forcieren, das Festival stärker in die Stadt zu tragen, des gibt sogar den Tag des freien Eintritts am 3. Oktober. Glauben Sie, dass wenn sich das Festival stärker in die Stadt spiegelt, dass das ein Rückkoppelungseffekt in Richtung MOIN haben kann?

Helge Albers: Alles, was das Thema Film in die Stadtgesellschaft trägt, ist gut für uns und hat immer einen Rückkoppelungseffekt. Für uns ist es enorm wichtig, dass die Stadtgesellschaft der Filmbranche und ihren teils raumgreifenden Dreharbeiten freundlich und aufgeschlossen gegenübersteht. Deshalb finde ich es toll und richtig, dass Malika Rabahallah noch mehr in Richtung Publikum geht. Der 3. Oktober mit dem Tag des freien Eintritts ist das Flagship-Objekt des Filmfests, eine super Idee. Großartig ist, dass diese von der Hamburger Kulturbehörde mitgetragen wurde. Aber es gibt auch weitere Angebote wie das Filmfest ums Eck oder das Binnenalsterfilmfest, das vorgelagert stattfindet und wie ein Warm-up fürs Filmfest ist. Auch damit trägt sich das Filmfest als Marke stark in die Stadt hinein. Diese bereits etablierten Angebote funktionieren alle gut, was die in den letzten Jahren erheblich gewachsenen Zuschauerzahlen spiegeln. Ich bin mir sicher, dass die Zahlen auch dieses Jahr wieder steigen werden. 

„Ich finde es toll und richtig, dass Malika Rabahallah noch mehr in Richtung Publikum geht.“

Blicken wir ins Filmprogramm: Die MOIN ist beim 32. Filmfest Hamburg mit starken 21 Titeln vertreten…

Helge Albers: Dabei laufen unsere geförderten Filme in fast allen Sektionen, was für die Breite an Projekten spricht, die wir bei der MOIN Filmförderung unterstützen. Es sind extrem unterschiedliche Projekte, von großen deutschen Produktionen wie „Der Buchspazierer“ bis hin zu kantigen Filmen wie „Der Fleck“ von Willy Hans, der in Locarno Weltpremiere feierte. Dazu kommen internationale Koproduktionen, allen voran „Die Saat des heiligen Feigenbaums“ von Mohammad Rasoulof oder auch „The Outrun“ von Nora Fingscheidt, der ein ganz großartiger Film ist. Auch Highend-Serien, die wir seit einigen Jahren fördern, sind dabei – unter anderem mit „The Next Level“ von Letterbox ernten wir nun die „Schwarzen Früchte“, wie passenderweise ein Serienprojekt von Studio Zentral und Network Movie heißt. Und die Michel-Sektion mit vier MOIN-geförderten Produktionen möchte ich nicht unerwähnt lassen – „Weihnachten der Tiere“ ist zum Beispiel ein sehr charmantes Werk für die allerjüngsten Kinofans.

Mit welchen Programmen ist MOIN dieses Jahr im Industry-Bereich vertreten? Welche Themen stehen an?

Helge Albers: Spannend werden sicher die ersten Ergebnisse der OMNI-Pilotphase, die die Filmuni Babelsberg präsentieren wird, zumal OMNI ab 2025 in der deutschen Branche in den Regelbetrieb gehen wird. Die Partner, die bereits an Bord sind, werden vor Ort sein und unser Kultursenator Dr. Carsten Brosda wird das Ganze kulturpolitisch in einer Keynote einordnen. Wir freuen uns sehr über OMNI, weil wirder deutschen Film- und Medienbranche ein Angebot machen können, das eine Problemlage löst und ein Thema abräumt, was bisher so nicht abräumbar war, nämlich: Wie können wir DSGVO-konform, leichtfüßig, freiwillig und sehr einfach Daten erheben im gesamten Diversitätsspektrum in der deutschen Film- und Fernsehbranche? Unser klassisches filmpolitisches Panel bei Filmfest Hamburg, „All You Need Is Law“, fügt sich thematisch an OMNI an mit den Themen Diversität und Inklusion. Traditionell veranstalten wir dieses Panel mit den drei Hamburger Medienrechtskanzleien Graef, Unverzagt und von Have Fey. Der Titel lautet dieses Jahr „70x diverser – Die Filmreform im Fokus“, wir nehmen die Novellierung der Filmförderreform ins Visier mit einem speziellen Blick auf Diversität und den Diversitätsbeirat, der neu im FFG verankert ist.

Die Explorer Konferenz nicht zu vergessen…

Helge Albers: Die Explorer Konferenz ist mittlerweile ein etablierter Treffpunkt der gesamten deutschen Produktionsbranche beim Filmfest Hamburg. Auch mit der diesjährigen Ausgabe schauen wir fünf Jahre in die Zukunft und versuchen die Branche zu inspirieren. Ein weiteres bewährtes Angebot ist unser Gesprächsformat in Kooperation mit der Deutschen Filmakademie. Hier ist dieses Mal Christian Schwochow zu Gast. Gerade angesichts der politischen Lage im Osten war es uns ein Anliegen, einen etwas fokussierteren Blick auf Filmschaffen im Osten zu legen mit jemandem, der aus den ehemals Neuen Bundesländern kommt und einen „Ostblick“ mitbringt in seinem Schaffen. Ich schätze Christian Schwochows Filme sehr und bin gespannt darauf, was ich Neues lernen kann von ihm. Das Gespräch findet am 3. Oktober, am Tag der Deutschen Einheit statt. Hat also den passenden Rahmen.

Helge Albers bei der Explorer Konferenz 2022 (Credit: Explorer Konferenz/Maximilian Probst)

In Hamburg ist nicht nur durch eine neue Festivalleitung viel in Bewegung, auch durch die Arbeit der MOIN werden immer wieder neue Impulse gesetzt. Über OMNI sprachen wir bereits. Die Drehbuchförderung wurde auch auf neue Beine gestellt. Gibt es Rückmeldungen, wie wird es angenommen?

Helge Albers: Wir bei MOIN setzen gerne Impulse, und ich sehe es als Aufgabe einer Förderung, ein Stück weit auch Wagnisse einzugehen. Als Zwischenstand zu NEST kann ich sagen, dass es sehr viele positive Rückmeldungen gibt. Vieles von dem, was wir uns zum Ziel gesetzt haben, hat sich bewahrheitet. Die Verschränkung von Förderung und Communitybuilding – also der Austausch unter Kreativen im Bereich Drehbuch – hat mit dem NEST eine völlig neue Qualität erreicht. In den NEST Spaces, die wir vor Ort in Schleswig-Holstein quasi live bauen, kommt man gemeinsam in Arbeit, dadurch entstehen völlig andere Verbindungen. Das Schöne ist, dass wir mit NEST einen Weg gefunden haben, wie sich Kreative gegenseitig verstärken können, sich gegenseitig neue Perspektiven eröffnen. Zu erleben, wie andere anders denken und das für sein eigenes Projekt nutzbar zu machen, hat eine große Kraft. Und mit unserer Toolbox-Förderung können wir sehr detailliert schauen, welches Projekt was braucht, welche Leistungen über die Schreibarbeit hinaus notwendig sind, um gut zu entwickeln. Denn der Konkurrenzdruck um Produktionsfinanzierung und öffentliche Fördermittel wird sich in Zukunft eher verschärfen. Unsere Rolle dabei ist, die Projekte konkurrenzfähig zu machen, damit sie in einer wirklich gut ausentwickelten Form in die Finanzierung gehen können. Das wird notwendiger werden denn je. Mit NEST haben wir diesen Prozess angestoßen. Jetzt arbeiten wir daran, dass ab 2025 die Förderentscheidungen von den NEST-Alumni getroffen werden können. Wir als MOIN bilden ab dann nur noch den Rahmen, die Arena. Es sind viele neue Ebenen, die wir uns erarbeiten müssen. Aber allein die Antragszahlen spiegeln uns, dass es einen großen Wunsch in der Branche gibt, andere Wegen im Bereich Development zu gehen. Im ersten NEST-Durchlauf hatten wir rund 140 Bewerbungen auf 10 Plätze. Auch in der aktuellen Runde sind wir ähnlich aufgestellt. Das bestärkt uns enorm in unserem Vorgehen.

„Die Verschränkung von Förderung und Communitybuilding hat mit dem NEST eine völlig neue Qualität erreicht.“

Mohammad Rasoulofs „Die Saat des heiligen Feigenbaums“ ist der diesjährige deutsche Oscarvorschlag. Das hat hohe Wellen geschlagen. Rasoulof ist sehr eng mit Hamburg verbunden. Sie kennen ihn auch sehr gut. Wie ist Ihre Haltung dazu, dass er unser deutscher Oscarvorschlag ist?

Helge Albers: Ich freue mich darüber, dass der Film der deutsche Oscarkandidat ist und finde, dass er sehr gut ausgewählt wurde. Worüber reden wir überhaupt? Es handelt sich zunächst einmal um eine Preiskategorie, die von der AMPAS ausgeschrieben wurde und die nach bestimmten Regularien verläuft. Es ist nicht das erste Mal, dass als „Best International Feature“ ein Film eingereicht wurde, der nicht im eigenen Land, in der nicht in der eigenen Sprache gedreht wurde, der nicht von einem Regisseur umgesetzt wurde, der aus diesem Land kommt. Das ist kein Novum. Der zweite Punkt ist: Ich finde es nobel und richtig und es macht mich stolz, dass wir in einem Land leben, das die Größe hat, einen Film zu entsenden, der ohne Zweifel chancenreich ist, weil er einen mit seiner schieren Wucht einfach umhaut. Wir alle kennen die Oscarauswahlprozesse. Die kann man nicht ignorieren, wenn man dort Erfolg haben möchte. Wenn wir das alles in Betracht ziehen, war es die exakt richtige Entscheidung, „Die Saat des heiligen Feigenbaums“ auszuwählen. Damit senden wir auch eine starke Botschaft für Deutschland. Der Film tritt schließlich für ein ganzes Land an, für ein Land, das weltoffen ist, das Menschen eine Möglichkeit bietet zu arbeiten und zu leben, ohne politisch verfolgt zu werden für ihre Arbeit. Für mich stimmt alles an der Vorauswahl dieses Filmes.

Das Gespräch führten Barbara Schuster & Thomas Schultze