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Tim Trachte zu „Un/Dressed“: „Der Sex ist die Attraktion“

Das gab es schon lange nicht mehr: Am 20. September startet mit „Un/Dressed“ ein deutscher Erotikthriller bei Prime Video, eine Produktion der W&B Television. Wir sprachen mit Regisseur Tim Trachte („Dem Horizont so nah“) über seinen Ansatz, die Vorbilder und seinen Star Lena Meckel.

Tim Trachte, Regisseur von „Un/Dressed“ (Credit: Tim Trachte)

Ein deutscher Erotikthriller… Das hat man nicht alle Tage… Wie haben Sie auf das Angebot reagiert?

Tim Trachte: Ich fand es gleich spannend. Das Angebot kam von einer Firma, die einen der besten Namen im Geschäft hat und mit ihrem Namen für hohe Qualität steht. Und es stand auch immer fest, dass es kein anzüglicher Film werden sollte, sondern ein erotischer Thriller für ein Mainstreampublikum. Natürlich war es ein gezielter Versuch, eine Lücke zu füllen. Meine ästhetischen Referenzen waren primär Filme aus der Blütezeit der Erotikthriller, Filme wie „Basic Instinct“, „9 ½ Wochen“ oder „Eine verhängnisvolle Affäre“, die damals Blockbuster waren, Tagesgespräch. Meine Hauptüberlegung war, wie ein Erotikthriller heute aussehen müsste, dass ich dahinterstehen kann. 

Dabei ist die Erotik in Ihrem Film mehr eine Dreingabe zum Thrillerplot. 

Tim Trachte: In „Un/Dressed“ ist der Sex, ob nun verboten und gefährlich oder nicht, nicht der Motor der Handlung. Es vermischt sich zwar, weil sich herausstellt, dass beide Männer in dieser Dreiecksbeziehung etwas mit den Intrigen und Machenschaften im Hintergrund zu tun haben. Wir nutzen die Erotik eher, um auch etwas über die Figuren zu erzählen, sie zu definieren. Sex ist keine Quelle der Gefahr, anders als in den Hollywoodthrillern damals, als außerehelicher Sex immer gleich bestraft wurde, eine sehr konservative Haltung also: Bleib brav zu Hause, sonst musst du mit dem Leben bezahlen. Wir haben einen anderen Ansatz. 

Wie sind Sie vorgegangen, um einen anderen Erotikthriller zu machen?

Tim Trachte: Natürlich kann man nicht einen Erotikthriller ankündigen und dann keine Sexszenen zeigen. Der Sex ist die Attraktion, wie in einem Actionfilm die Actionsequenzen die Attraktion sind. Ähnlich habe ich das dann auch betrachtet: In der Serie „Drift“, die ich vor ein paar Jahren gemacht habe, war es eben auch so, dass die Stunts die Handlung angereichert haben. Es ist am Set dann ein sehr technischer Vorgang, für den man sich einen guten Stuntkoordinator dazuholt, mit dem man eng arbeitet, um die entsprechenden Szenen bestmöglich umzusetzen. Liebesszenen, auch intimerer Natur, waren mir nicht fremd, ich hatte das schon in „Dem Horizont so nah“ inszeniert. Und ich war auch entspannt, weil ich wusste, dass wir mit einer Intimitätskoordinatorin arbeiten würden, selbstverständlich immer alles genau durchgesprochen und geplant war und die Schauspieler immer wussten, was wir machen würden, was und wie gedreht werden würde, wieviel von sich sie zeigen würden. 

Die Intimitätskoordinatorin ersetzte in diesem Fall also quasi den Stuntkoordinator.

Tim Trachte: Sozusagen. Wir hatten bei „Un/Dressed“ eine Intimacy-Koordinatorin aus Litauen, die bereits große, internationale Projekte betreut hat. Zufälligerweise hatte sie schon mit Jannik Schümann zusammengearbeitet, den ich von unserer Arbeit an „Dem Horizont so nah“ natürlich gut kenne und der mir bestätigen konnte, dass sie sehr gut in dem ist, was sie tut. Ich habe es als Aufgabe angesehen, mich dem zu widmen, immer mit der Maßgabe, dass die Erotik, der Sex eine besondere Attraktion unseres Films sein würde. Mir war es wichtig, positive, filmische Szenen zu drehen, die man sich gerne ansieht, die eine Stimmung transportieren und den Film unterstützen, insbesondere die Figuren, die man auf diese Weise noch einmal anders kennenlernt. Entscheidend war für mich vor und hinter der Kamera der respektvolle Umgang miteinander. Anfangs war ich natürlich etwas nervös und angespannt. Ein theoretisches Konzept ist das eine, seine Umsetzung das andere. Aber als ich gemerkt habe, dass es allen Beteiligten wichtig war, professionell zu sein und gut miteinander zu arbeiten, war es meine Aufgabe alsbald primär, die Energie und Konzentration am Set aufrecht zu halten. 

Tim Trachtes „Un/Dressed“ mit Malik Blumenthal und Lena Meckel (Credit: Prime Video)

Sie haben auch sehr gute und interessante Schauspieler gewinnen können?

Tim Trachte: Natürlich steht und fällt ein Film wie „Un/Dressed“ mit seinem Cast. Mir war es wichtig, mit guten und professionellen Schauspieler:innen zu arbeiten, die ihre Rollen bestmöglich verkörpern. Unser Film hat eine Überhöhung, einen Thrillerplot, und die Sexszenen haben eine Aufgabe in der Handlung. Wir wollen das Publikum nicht vor den Kopf stoßen, nicht schockieren oder skandalisieren. Es geht auch nicht um seelische Abgründe und Untiefen. Es ist ein geradliniger Unterhaltungsfilm, der sein Publikum abholen will. Um das herstellen zu können, muss man mit Leuten arbeiten, die das Handwerk beherrschen. Mit Malik Blumenthal und Gerrit Klein, oder auch Brigitte Karner, konnten wir dem mehr als gerecht werden. Ganz besondersbegeistert war ich auch von Lena Meckel in der Hauptrolle, mit der man wunderbar arbeiten konnte, die genau wusste, worum es bei dem Film und ihrer Figur ging. Schon beim Casting war klar, dass sie das gewisse Etwas hatte, das für die Rolle wichtig war. Für mich war sie eine tolle Entdeckung. 

Lassen wir die Sexszenen mal beiseite: Was ist für Sie als Regisseur die bleibende Erinnerung an „Un/Dressed“?

Tim Trachte: Das kann ich klar beantworten. Das war der Dreh in Tallinn. „Un/Dressed“ spielt zwar in Hamburg, aber die nötigen Außenaufnahmen wurden vom B-Team gedreht, der Film selbst wurde komplett in Tallinn gedreht. Für mich war es magisch. Ich war noch nie zuvor in Estland und war begeistert. Tallinn ist zwar keine besonders große Stadt, hat für mich aber die perfekte Mischung mit einer wunderschönen Altstadt, gleichzeitig aber einer faszinierenden Offenheit für das Moderne, was sich auch in der atemberaubenden Architektur widerspiegelt – und einem tollen und sehr aktiven Nachtleben und mit angenehmen Menschen mit einer sehr freien und testosteronfreien Denke. Für mich kam noch dazu, dass Christopher Nolan hier „Tenet“ gedreht hat und ich nicht nur immer wieder an den Drehplätzen vorbeikam, sondern wir auch vereinzelt an Locations gedreht haben, wo auch die Dreharbeiten von „Tenet“ stattgefunden hatten. Das war schon toll. 

Das Gespräch führte Thomas Schultze.