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Showrunnerin Jenji Kohan: „Hört mit den Dystopien auf!“

Die Showrunnerin und Drehbuchautorin Jenji Kohan feierte große Erfolge mit „Weeds“ und „Orange Is the New Black“. Jetzt hat sie in Berlin beim Serienfestival Seriesly eine Masterclass gegeben und wetterte unter anderem gegen den Trend von Dystopien.

Jenji Kohan (Credit: Seriesly Berlin)

Die nun schon seit Jahrzehnten erfolgreiche Showrunnerin Jenji Kohan, deren größte Hits bisher „Orange Is the New Black“ und „Weeds“ waren und deren neueste Netflix-Serie „The Decameron” vor Kurzem beim Streamer startete, hat am Dienstag das Serienfestival Seriesly in Berlin mit einer Masterclass in der Fotografika beehrt. Der Head of Programming Matija Dragojevic stellte höchstpersönlich die Fragen.

Die gut aufgelegte US-Drehbuchautorin hatte unterschiedliche unterhaltsame Wutreden anzubieten. Ihre witzige Kritik an der Emmy-prämierten FX-Serie „The Bear“ sei hier aus Pietätsgründen ausgespart. Aber sie sparte auch nicht bei der sich im Serienbereich ausbreitenden Untergangsstimmung. „Dystopien sind schlecht für uns. Hört mit den Dystopien auf! Es ist eine selbsterfüllende Prophezeiung. Und es ist narrativ nicht spannend.“

Es sei viel zu leicht zu sagen, dass alles den Bach runtergehe. „Ja, die Dunkelheit ist dunkel. Aber das Leben ist nicht so schlecht.“ Auf die Nachfrage, warum so viele Menschen sich aktuell von dystopischen Geschichten angezogen fühlten, sagte sie: „Wir sind wie Tiere, die auf Angst reagieren. Wir fühlen etwas. Und wir wollen fühlen. Es gibt Vieles, womit sich die Menschen heutzutage betäuben.“

Die von Head of Programming Matija Dragojevic erfragte Masterclass blickte auf Kohans gesamte Karriere. Über ihre Anfangszeit in der Branche erzählte sie zum Beispiel: „Ich wurde viel gefeuert. Die einzige Show, bei der ich länger blieb, war Tracey Ullman. Ich habe die Hierarchie nicht respektiert, weil ich sie auch noch nicht kannte.“

Der Vergleich mit dem Kuchen-Wettessen

Über das Showrunner-Prinzip in den USA bei Serienproduktionen zeigte sie sich glücklich. „Das ist der Spaß am Fernsehen, dass man König ist. Man ist der CEO des Unternehmens. Ich habe die Kontrolle und das mag ich.“ Es sei nicht nur der Schreibprozess, sondern viele weitere Aufgaben, was aber für manche auch überfordernd sein kann. „Deswegen kann es hilfreich sein, einen Partner in dem Prozess zu haben.“ Sie zitierte einen Freund zum Serienmachen. „Es ist wie Kuchen-Wettessen, bei dem der Hauptpreis ist, noch mehr Kuchen essen zu dürfen.“

Sie hält nichts davon, aktuellen Serientrends nachzulaufen. „Wenn ich mich und mein Writers Team sich von Script unterhalten fühlen, bin ich zufrieden. Wenn man Trends nachjagt, befindet man sich meiner Meinung nach auf einem untergehenden Schiff.“ Sie macht sich auch nichts aus Genre-Begrifflichkeiten. „Ich schere mich nicht um Genre-Labels. Aber es hat uns bei ‚Orange Is the New Black‘ die Awards versaut, weil sie nicht wussten, in welche Kategorien sie uns stecken sollten.“

Ihr war es auch ein Anliegen zu betonen, wie wichtig das eigene Arbeitsumfeld ist. Sie habe anfangs viel in übergriffigen Umfeldern gearbeitet. „Deswegen ging es mir bei der Arbeit immer um eine arschlochfreie Zone. So habe ich mir ein eigenes Gebäude bauen lassen. Als ich meine ersten Kinder hatte, konnte ich sie nicht mit zur Arbeit bringen und brauchte eine Nanny. Die Arbeit ist schon schwer genug. Wir sollten versuchen, ein gutes Leben zu haben.“