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REVIEW TV: „Kati – Ein Kür, die bleibt“

Packendes Drama über Eistanzlegende Kati Witt, die es 1993 noch einmal wissen will und sich mit ihrer alten Trainerin Jutta Müller auf die Olympischen Winterspiele in Lillehammer vorbereitet.

CREDITS: 
Land / Jahr: Deutschland 2024; Laufzeit: 93 Minuten; Regie: Michaela Kezele; Drehbuch: Andrea Stoll; Produktion: Monika Raebel; Redaktion: Katharina Görtz, Beate Bramstedt; Producer: Vanessa Faber, Richard Lamprecht; Besetzung: Lavinia Nowak, Dagmar Manzel, Felix von Bredow, Jörg Steinberg, Angela Hobrig, Sylvester Groth; Sender: ZDF; Ausstrahlungstermin: 3. Oktober 2024; ab 26. September 2024 vorab in der ZDFmediathek

REVIEW:
Eiskunstlauf-Legende Katharina Witt steht im Mittelpunkt des ZDF-Eventfilms „Kati – Eine Kür, die bleibt“, der von Odeon Fiction produziert wurde. Die Geschichte beleuchtet dabei nicht etwa als Sportlerinnen-Biopic die Karriere oder das Leben der zweimaligen Olympiasiegerin, sondern konzentriert sich auf ein einzelnes Jahr: 1993, als Katharina Witt bereits lange aus dem Profi-Sport raus war, in Las Vegas mit einer eigenen Show gut Geld verdiente, sich dann aber noch mal entschied, es allen zu zeigen und sich mit Hilfe ihrer Trainerin Jutta Müller für die Olympischen Winterspiele in Lillehammer 1994 zu qualifizieren. 

Lavinia Nowak und Dagmar Manzel in „Kati – Eine Kür, die bleibt“ (Credit: ZDF/Stanislav Honzík)

Eingebettet in den zeitgeschichtlichen Hintergrund der Wende und ihrer Folgen zeigt die Geschichte die innere Zerrissenheit zweier ostdeutscher Frauen aus verschiedenen Generationen. Die eine, die nach der Wiedervereinigung fallen gelassen wurde wie eine heiße Kartoffel (Jutta Müller) und aus der Eislauf-Union ausgeschlossen wurde. Die andere (Kati Witt), der vorgehalten wurde, ohnehin immer nur auf ihre Schokoladenseite gefallen zu sein und überhaupt, die Erfolge als DDR-Sportlerin nichts mehr wert waren, den „blauen Arsch und die blutig getanzten Füße“ keinen interessierten. Und beide damit konfrontiert sind, ihren Platz in einer neuen Heimat zu finden. 

Dabei legt „Kati – Eine Kür, die bleibt“ großen Wert auf Authentizität. Das Spiel von Lavinia Nowak als Kati Witt beeindruckt. Sie sieht der realen Sportlerin nicht nur sehr ähnlich, die versierte Theaterschauspielerin (Volkstheater Wien) hat auch Gang, Bewegungen, Dialekt der zweimaligen Olympiasiegerin und viermaligen Weltmeisterin verinnerlicht. Neben der Arbeit mit Archivmaterial, in dem die echte Kati Witt zu sehen ist, ging Lavinia Nowak auch selbst aufs Eis, nur kompliziertere Sprünge wurden gedoubelt, großartig gefilmt von Kameramann Holly Fink, einem Partner in Crime von David Dietl. Die großartige Dagmar Manzel als Jutta Müller steht Nowak um nichts nach. Die Härte in ihrem Gesicht passt nicht nur zur gestrengen Trainerin, bei der Drill und Disziplin über allem stehen, sondern spiegelt auch die Verletztheit, mit der Wiedervereinigung aufs Abstellgleis geschoben worden zu sein. 

Lavinia Nowak als Katharina Witt in „Kati – Eine Kür, die bleibt“ (Credit: ZDF/Stanislav Honzík)

Regisseurin Mimi Kezele („Tatort Münster – Magic Mom“), die das Drehbuch von Andrea Stoll inszenierte, ist nah an ihren Protagonistinnen, zeichnet diesen Pas-de-Deux zwischen Witt und Müller, die sich fünf Jahre nicht mehr gesehen haben und für die Vorbereitung auf Olympia 94 zu einem letzten gemeinsamen Kampf antreten, mit feinem Gespür für Zwischentöne. Denn neben dem Sportaspekt steht immer der Geschichtsaspekt. Die Einsicht in ihre 27 Ordner umfassende Stasi-Akte öffnet Witt die Augen hinsichtlich des absurden Ausmaßes der Bespitzelung durch die SED, hilft ihr bei ihrer Suche nach ihrem Platz im „neuen“ Deutschland. Auch der Krieg in Sarajevo klingt an und bewegt Witt dazu, ihre Kür in Lillehammer allen Menschen in Sarajevo zu widmen. Das ist die viel wichtigere Botschaft. Klar, ohne Fleiß kein Preis auf dem Eis. Aber „Kati – Eine Kür, die bleibt“ ist vor allem ein ganz feines, ungemein gelungenes Ausloten von Identitäten aus weiblicher ostdeutscher Perspektive.

Barbara Schuster