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REVIEW STREAMING: „Zorro“ mit Superstar Jean Dujardin

Das potenziell größte Highlight des diesjährigen Unifrance Rendez-Vous in Le Havre wartete am letzten Tag auf die Einkäufer und Pressevertreter: eine „Zorro“-Serie mit dem Oscargewinner Jean Dujardin in der Hauptrolle von Paramount+ und France Télévisions.

Zorro
Jean Dujardin (r.) ist „Zorro“ (Credit: Christophe Brachet/Paramount+/FTV/Le Collectif 64/Bien Sûr Productions)

CREDITS:
Produktion: Paramount+, France Télévisions, Le Collectif 64 – Marc Dujardin, Bien Sûr Productions – Julien Seul, Panache Productions – André Logie, Gaëtan David, RTL-Tvi, Wallimage; Buch: Benjamin Charbit, Noé Debré, Emmanuel Poulain-Arnaud; Regie: Jean-Baptiste Saurel, Emilie Noblet; Cast: Jean Dujardin, Audrey Dana, Salvatore Ficarra, André Dussolier, Eric Elmosnino, Grégory Gadebois; Episoden: 8; Deutscher Paramount+-Start: wahrscheinlich Dezember 2024

REVIEW:
Nahezu jeder Mensch auf diesem Erdball kennt den „Zorro“-Mythos um den schwarzgekleideten Maskierten, den Kampf für die Gerechtigkeit, die Degenkünste und das ikonisch eingeritzte „Z“ auf seinen Gegnern. Aber der letzte popkulturelle Einschlag mit dieser Figur geht wahrscheinlich zurück bis in die 1990er-Jahre, als „Die Maske des Zorro“ mit Antonio Banderas in die Kinos kam und zumindest wieder sein Budget einspielte.

Die Idee, aus diesem weltbekannten Mythos eine aufwendige Mantel- und Degen-Serie mit dem 52-jährigen französischen Oscargewinner Jean Dujardin („The Artist“) in der Hauptrolle zu machen, scheint naheliegend zu sein, weil er als Superagent in den in Deutschland leider immer noch sträflich vernachlässigten „OSS 117“-Filmen schon zeigte, wie er selbstironisch, aber mit Charme eine so überlebensgroße Genrerolle mit Actionmomenten spielen kann.

Mögen zwar die meisten mit dem Zorro-Mythos etwas assoziieren können, wissen die wenigsten aber, dass Johnston McCulleys Originalgeschichte im Kalifornien des 19. Jahrhunderts während der spanischen Kolonialherrschaft spielt. Zorro ist im echten Leben ohne Maske der wohlhabende Landedelmann Don Diego de la Vega, womit auch die französische Serie von Paramount+ und France Télévisions einsetzt. Dujardin spielt Don Diego als gealterten Rächer der Armen, der seine Maske und seinen Degen seit mehr als 20 Jahre schon in den Schrank gehängt hat.

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Zorro im normalen Leben, wenn er keine Maske trägt (Credit: Christophe Brachet/ Paramount+/ FTV/ Le Collectif 64/ Bien Sûr Productions)

Don Diego steht zudem unter der Fuchtel seines übermächtigen Bürgermeister-Vaters von Los Angeles, das aber noch mehr einem Kuhdorf als einer Großstadt gleicht. Dujardin spielt also einen erwachsenen Sohn, der nicht die Talente des Vaters als politischer Nachfolger geerbt hat, bei Reden Unsicherheiten zeigt, zwar ein großer Denker, aber kein echter Pragmatiker ist. Allerdings verstirbt der Vater in der ersten der beiden als Weltpremiere in Le Havre beim Unifrance Rendez-Vous gezeigten Episoden und Dujardins Don Diego muss fortan die Bürgermeistergeschäfte mehr schlecht als recht in die Hand nehmen.

Die französischen Creators Benjamin Charbit („The Beast“) und der frische Deadline TV Disruptor Award Preisträger Noé Debré („Parlament“) versuchen sich dabei an einem Spagat: Einerseits erzählen sie die „Zorro“-Geschichte mit einem Augenzwinkern, wenn die schwarze, enganliegende Kleidung beim etwas in die Jahre gekommenen Helden zwickt oder Soldaten regelrecht um das aufgeschlitzte „Z“ auf ihrer Brust mit den Augen betteln, weil es einfach zum Mythos dazugehört.

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Bösewicht (l.) und Held vereint (Credit: Christophe Brachet/ Paramount+/ FTV/ Le Collectif 64/ Bien Sûr Productions)

Andererseits nimmt in den ersten beiden Episoden die Beziehung zwischen Zorro und seiner Ehefrau Gabriella de la Vega (Audrey Dana) viel Platz ein. Als Paar sind sie noch kinderlos, was Gabriella in Frauenkreise zum Gespött der Stadt werden lässt. So richtig viel Feuer findet sich zwischen den beiden im Schlafzimmer nicht mehr wieder. Aber durch die Wiederbelebung des Zorro-Mythos und dass Dujardins Figur nochmal zur Klinge greift, um neue Schurken dem Erdboden gleich zu machen, hilft Ehemann und Ehefrau im besagten Liebesleben. Sie weiß nicht, dass ihr Ehemann und Zorro ein und dieselbe Person sind, wird aber in einer brenzligen Situation vom maskierten Rächer gerettet und entwickelt fortan einen gewissen Fetisch für Masken. Etwas plump symbolisiert und mit dem Holzhammer motivisch weitererzählt ist auch der Kinderwunsch der Frau, als sie einen armen Jungen bei sich aufnimmt.

Der „Zorro“-Serie von Paramount+ und France Télévisions, die übrigens Jeans Bruder Marc Dujardin (Le Collectif 64) mitproduzierte, fehlt auf diese Weise die reine Leichtigkeit einer parodistischen Comedy wie zum Beispiel bei den „OSS 117″-Filmen. So vollkommen überzeugend sind die dramatischeren Beziehungsmomente aber auch nicht. Eventuell fügt sich das aber noch in den weiteren sechs vierzigminütigen Episoden. Das Format ist eigentlich immer dann am besten, wenn es um den gealterten, außer Form gekommenen Rächer mit Maske in Aktion geht, der den Degen schwingt, dabei die Action mit Humor spaßig umgesetzt ist und auch mit dem Mythos augenzwinkernd gespielt wird.

Die potenziellen Grundlagen mit einem stummen, aber erfindungsreichen Gehilfen und einem in den ersten Episoden aufgebauten Bösewicht, der sich mit Sklaven-Kräften ein Casino in Los Angeles aufbaut, sind gelegt. Die beste Sequenz ist eine Actionszenerie, in der Zorro einen Jungen aus der Haft befreit, noch eine Handvoll Wachen vermöbelt und dann rechtzeitig zum Ende des vorgelesenen Briefes einer weiteren Wache wieder zurück ist, die sich in bester Freud-Manier alle Probleme und nicht verarbeiteten Zorror-Momente aus der alten Zeit vom Herzen geschrieben hat. Die Musik ist stimmig westernhaft, es gibt ein Pfeifthema und Dujardin greift sogar selbst zur Gitarre.

Die Figur Zorro ist eigentlich eine US-amerikanische Erfindung, gilt aber als mexikanischer Held und wurde hier von einem französischen Filmteam in französischer Sprache in einem sehr anderen Los Angeles umgesetzt, als man es gewöhnt ist. In Deutschland soll das Format noch in diesem Jahr zu Paramount+ kommen, wobei das nach dem Monat Dezember klang. In Frankreich startet die Serie noch diese Woche beim selben Streamer durch und kommt später zu France Télévisions.

Michael Müller