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VENEDIG-Snapspot Tag 1: Come va, Venezia!

Eine Stunde noch, dann beginnt die 81. Mostra in Venedig. Hier lesen Sie einen ersten Stimmungsbericht vom Lido. Über alles weitere Wissenswerte werden wir Sie auf dem Laufenden halten. Und checken Sie unbedingt auch unser Instagram!

Tim Burton und Michael Keaton kommen in Venedig an für die Weltpremiere von „Beetlejuice Beetlejuice“ (Credit: Imago / Starface)

Die Eröffnung der 81. Mostra ist so nah, man kann sie bereits schmecken. In nur einer Stunde beginnt die Eröffnungszeremonie, im Anschluss folgt die Weltpremiere von „Beetlejuice Beetlejuice“, Tim Burtons erster Kinofilm seit fünf Jahren. Für die Presse gab es die Fortsetzung der kultisch verehrten Gruselkomödie „Lottergeist Beetlejuice“ bereits heute morgen zu sehen, aber ein bisschen, bis zu Beginn der Weltpremiere, werden Sie aufgrund der strengen Embargos noch warten müssen mit der Besprechung. Lassen Sie mich bis dahin so viel sagen, dass man danach beschwingt in den glühend heißen Tag trat. Und man sofort mit Kollegen freundschaftlich debattieren konnte, ob es denn nun eine Verbesserung ist, dass in diesem Jahr erstmals wieder seit Beginn der Corona-Pandemie keine Platzreservierungen für die Pressevorführungen mehr nötig sind. Soll heißen: Man muss sich zwar weit vorab online für die Screenings registrieren (aktuell konnte man sich schon für die Filme aller Festivaltage bis 5. September anmelden), aber es ist in diesem Jahr nicht nötig, sich mühselig einen Platz zu reservieren. Was im Umkehrschluss aber auch wieder heißt, dass man nicht erst fünf Minuten vor Filmstart in den Saal marschieren und dann den Platz seiner Wahl belegen kann. Und das bedeutet: Wenn man denn Wunschplätze hat, muss man frühzeitig anstehen. Oder man bekommt halt das, was übrigbleibt. (FYI: Ich mag die Variante mit dem Anstehen – für mich ist das Filmfestival pur)

Aber klar, das sind Luxusprobleme angesichts der Situation, mit der sich viele Kollegen konfrontiert sehen, die die nicht ganz preiswerte Reise nach Venedig auf sich genommen haben und abhängig davon sind, vor Ort so viele Interviews wie möglich zu führen. Schon seit Tagen rührt sich in diversen Festivaljournalistengruppen Widerstand, weil eine Situation, die sich seit Jahren zunehmend verschärft, in diesem Jahr auf den Lido zu einem Zustand führt, dass viele Kollegen ihre Arbeit im Grunde nicht mehr verrichten können. Viele der größeren Titel im Wettbewerb können zwar nach der Saure-Gurken-Zeit vor einem Jahr, als eine Reihe größerer Titel aufgrund der Hollywoodstreiks ohne Stars auf dem Roten Teppich auskommen mussten, wieder aus dem Vollen schöpfen, haben die wichtigsten Filmemacher und Schauspieler parat für die Weltpremieren vor dem Sala Grande. Aber was haben die Journalisten davon, wenn sie danach bestenfalls Pressekonferenzen geben, aber überhaupt nicht mehr für Interviews zur Verfügung stehen?

Der neue Biennale-President Pietrangelo Buttafuoco und Venedig-Filmfestival-Chef Alberto Barbera am Eröffnungstag der 81. Mostra (Credit: Imago / Avalon.red)

Bei der heutigen Auftaktpressekonferenz (lesen Sie hier) wurde Festivalchef Alberto Barbera mit der wachsenden Wut und Verzweiflung der Journalisten konfrontiert, musste aber auch abwinken, weil er in seiner Funktion nichts ausrichten könne: Er lädt die Filme ein und organisiert das Festival. Was die jeweiligen Studios, Verleiher oder World-Sales dann aber an Marketingmaßnahmen unternehmen, liegt nicht in seinem Verantwortungsbereich. Da hat er gewiss Recht. Es bleibt aber festzuhalten, dass die zunehmenden Sparmaßnahmen und rigiden Einschränkungen, denen sich Journalisten auf den großen Festivals ausgesetzt sehen, auch dazu führen werden, dass die Festivals in der Öffentlichkeit künftig weniger stark wahrgenommen werden. Es ist schön und gut, wenn sich die Jurypräsidentin Isabelle Huppert besorgt um die Zukunft des Kinos zeigt. Wenn das Kino sich aber bei Großveranstaltungen der Mostra selbst das Wasser abgräbt, forciert man die Probleme noch. 

Mal abwarten, wie sich das in den kommenden Tagen noch entwickelt. Aktuell schwitzt man in Venedig, als wollte man den schwülen Tagen von Locarno Konkurrenz machen. Und man sondiert die Lage, wie man seine Termine legt, um gleichzeitig so viele von den großen Filmen wie möglich auch ja zu sehen und miterleben zu können. Insofern ist die Stimmung gut. Wie auch nicht ganz zu Beginn eines Festivals, das die Weltpremieren vieler großer Namen des Kunstkinos verspricht? Aber man spürt schon auch eine gewisse Unzufriedenheit, die eher ungewöhnlich ist für die Mostra, die sich in den letzten Jahren mehr und mehr zum Lieblingsfilmfest entwickelt hat. Wir werden Sie jedenfalls auf dem Laufenden halten. Es geht ja gerade erst los… 

Aus Venedig berichten Barbara Schuster und Thomas Schultze.