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REVIEW VENEDIG: „Beetlejuice Beetlejuice“

Späte Fortsetzung des Kultklassikers „Lottergeist Beetlejuice“ von 1988, in der sich die gesamte Familie Deetz über kurz oder lang im Jenseits wiederfindet. 

CREDITS:
Land / Jahr: USA 2024; Laufzeit: 104 Minuten; Regie: Tim Burton; Drehbuch: Alfred Gough, Miles Millar; Besetzung: Michael Keaton, Winona Ryder, Catherine O’Hara, Justin Theroux, Monica Bellucci, Arthur Conti, Jenna Ortega, Willem Dafoe; Verleih: Warner Bros.; Start: 12. September 2024

REVIEW:
Kommt herein, wenn ihr euch traut. Come in if you dare. Das sind die ersten Worte, die man hört in „Beetlejuice Beetlejuice“, dem ersten großen Kinofilm von Tim Burton seit der für ihn wohl traumatischen Erfahrung mit „Dumbo“ vor fünf Jahren. Vor allem aber der erste Film von Tim Burton, auf den man sich wieder freut, der ihm wohl wieder Spaß gemacht zu haben scheint seit langer Zeit, der sich wieder, naja, ein bisschen gefährlich und abgründig anfühlt und nicht wie eine Selbstparodie, eine Wiederholung bekannter Motive, Obsessionen und persönlicher Vorlieben. Eine Fortsetzung ist es gewiss, aber eben auch eine Rückkehr zu den Wurzeln, hin zu jener Art von innovativem und originellem Filmemachen, die ihn zum Regiesuperstar werden ließ in den späten Achtzigerjahren, als Burton aufregend war, ein Hauch frischer Luft im formelhaften Mainstreamkino der Studios.  

„Beetlejuice Beetlejuice“ mit Michael Keaton (Credit: Warner Bros. Pictures)

„Beetlejuice Beetlejuice“ beginnt mit einem Déjà Vu, dem fast identischen Kameraflug durch die Kleinstadt Winter River wie schon in „Lottergeist Beetlejuice“ von 1988, der dem ehemaligen Disney-Animator Burton den Durchbruch verschaffte nach einem ersten Achtungserfolg mit „Pee-Wees irre Abenteuer“ (75 Mio. Dollar spielte der morbide Spaß damals ein, in Deutschland kam er auf 330.000 Ticketverkäufe). Ein entfesseltes Schweben der Kamera entlang der Insignien allamerikanischer Identität, entlang der Hauptstraße, vorbei an den Häusern am Tag vor Halloween, über die Brücke, die im ersten Film Geena Davis und Alec Baldwin den Besuch im Nachleben bescherte, und hinauf zum Haus auf dem Hügel, um das sich alles drehte. Nur dass jetzt geschnitten wird auf Winona Ryder als Lydia Deetz, damals ein Teenager mit einem Hang zum Morbiden, jetzt die Moderatorin einer Gruselshow über paranormale Ereignisse, kaum einen Tag gealtert: Dass sie neben vielen anderen Wesen aus dem Limbo wiederholt immer wieder auch Beetlejuice sieht, der ihr einst nachgestellt war, 

Immer wieder werden von hierab Motive des Originals aufgegriffen, als würde man alten Bekannten guten Tag sagen und nachsehen, wie es ihnen 36 Jahre später geht. Gleichzeitig geht „Beetlejuice Bettlejuice“ innerhalb seiner Parameter auch neue Wege, führt neben Catherine O’Haras Stiefmutter von Lydia, immer noch eine in sich und ihre Performance-Art verliebte Künstlerin, nur noch exaltierter und exzentrischer und von der Schauspielerin komödiantisch absolut auf den Punkt gespielt, als wäre sie eine nahe Verwandte ihrer Moira Rose aus „Schitt’s Creek“, und selbstverständlich Michael Keatons überkandidelter Titelfigur nun auch eine Reihe neuer Figuren ein. Beispielsweise Lydias Tochter Astrid, gespielt von Jenna Ortega aus Tim Burtons Netflix-Hitserie „Wednesday“, die ihrer Mutter die Schuld gibt, nicht genug von ihrem später bei einem Badeunfall gestorbenen Vater gehabt zu haben. Beispielsweise der von Justin Theroux mit einem Maximum an Schmierigkeit gespielte Rory, der als Manager von Lydia dafür sorgt, dass der Rubel rollt, sich aber ausgerechnet hat, mehr Kasse noch machen zu können, wenn sie ihn endlich heiratet. Beispielsweise der Teenager Jeremy, Arthur Conti aus „House of the Dragon“, zu dem Astrid sofort einen Draht hat und der zu gut zu sein scheint, als wahr zu sein. 

Um diese Figuren wird sich das Drama entfalten, das über kurz oder lang alle Beteiligten in die Nachwelt führt, die schon im Original eine herrliche Spielwiese war und unverändert originell und überzeugend schräg gestaltet von Tim Burtons überbordender Fantasie und Hilfe der Designteams um Colleen Atwood und Mark Scruton zu Leben erweckt wurde. Hier kommen dann auch Monica Bellucci und Willem Dafoe zum Einsatz, sie als Verflossene von Beetlejuice, die noch ein Hühnchen mit dem Verflossenen zu rupfen hat und dafür unweigerlich über Leichen gehen muss, er als ehemaliger Schauspieler, der als Polizeibeamter im Reich der Toten Regelverstößen nachgeht. Alles ist erlaubt in dieser bizarren Welt, in der sich hübsche Einfälle wie eine Sequenz, in der Beetlejuice auf Italienisch und im Stil eines Schwarzweißfilms von Mario Bava darüber reminisziert, wie er einst als gutbeschäftigter Grabräuber seine Gattin Delores kennengelernt hatte, ablösen mit weniger genialen Ideen: Es mutet etwas exzessiv an, den kompletten Showdown zu Jimmy Webbs Popkantate „MacArthur Park“ zu choreographieren. Zwischen Best of… und Nummernrevue oszilliert der gesamte Film, der vielleicht nicht über den unbestechlichen Charme des Originals verfügt, aber doch so viel unentwegt geschehen lässt, dass man sich immer blendend unterhalten fühlt. Ob „Beetlejuice Beetlejuice“ Klassikerstatus erhalten wird, wird die Zeit zeigen. Viel wichtiger ist, dass er die Kinokassen klingeln lassen wird. Darauf kommt es an.

Thomas Schultze