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Jobst Knigge zur ARD History Dokumentation „Karriere im KZ“: „Die Geschichten hinter den Bildern zeigen“

Ab heute, 20. August, ist in der ARD-Mediathek die ARD History Dokumentation „Karriere im KZ – Vom Bauernsohn zum NS-Verbrecher“ zu sehen, bei der MDR, BR und Spiegel TV zusammenarbeiteten. Jobst Knigge zeichnet mit Susann Reich für Regie und Buch verantwortlich. Wir sprachen mit ihm über die besonderen Herausforderungen bei diesem Projekt.

Jobst Knigge (r.) realisiert als Regisseur zeitgeschichtliche und popkulturelle Dokumentarfilme, zuletzt mit Susann Reich (l.) die ARD History Dokumentation „Karriere im KZ”. Zu seinen Auszeichnungen gehören u.a. zwei Bayerische Fernsehpreise (Credit: Jordana Schramm)

Wann sind Sie zu dem Projekt gestoßen? Wie kamen Sie an Bord?

Jobst Knigge: Ich kenne Kay Siering von SPIEGEL TV und Anaïs Roth vom MDR aus verschiedenen Produktionen der vergangenen Jahre sehr gut. Die beiden haben mir den Film angeboten, was ich sehr gerne angenommen habe. Das ist mehr als zwei Jahre her. Im September 2022 habe ich mich dann das erste Mal in Leipzig mit Stefan Hördler und Susann Reich getroffen, die die Idee zu diesem Film hatten.  

Sie zeichnen mit Susann Reich als Autor und Regisseur verantwortlich. Ihre Filmographie weist knapp 30 dokumentarische Arbeiten aus. Was war an „Karriere im KZ – Vom Bauernsohn zum NS-Verbrecher“ besonders?

Jobst Knigge: Ich habe schon viele zeitgeschichtliche Filme gemacht: über den Zarenschatz und Stalins Tochter, die Aids-Krise, den Mauerfall und die Treuhand, lange Biografien über Axel Springer und Katarina Witt. Die Jahre des Nationalsozialismus waren da, wenn überhaupt, nur ein Nebenaspekt. Ich fand es besonders spannend, mich endlich diesem Thema widmen zu können und zu versuchen, der Geschichtsschreibung einen neuen Aspekt hinzuzufügen. 

Der Film begleitet Historiker Stefan Hördler bei seiner Recherchearbeit anhand des lange verschollenen Fotoalbums „SS Erinnerungen“: Der Fokus wird vor allem auf zwei junge Männer gelegt, die Karriere in der SS machten und die Rückschlüsse auf das Funktionieren des KZ-Systems geben. Was sind die neuen Erkenntnisse? Was war vormals nicht bekannt?

Jobst Knigge: Das erschreckend neue ist, wie früh sich diese KZ-Netzwerke gebildet haben. Kurt Schreiber und Wilhelm Schäfer sind schon von der Machtübernahme der Nationalsozialisten bei der SS, sie treten 1933 ihren Dienst im KZ an und machen beide eine mörderische Karriere, die mit einer kurzen Unterbrechung bis 1945 währt. Und die Bilder des Albums zeigen beeindruckend, wie scheinbar „normal“ ihr Alltag ist. Denn diese „Normalität“ hat den Massenmord erst möglich gemacht. Netzwerke, die auch nach dem Krieg weiterhin funktionierten. 

Worin lagen die Herausforderungen? 

Jobst Knigge: Es gab zwei Herausforderung. Zunächst einmal die Recherche eines Wissenschaftlers filmisch zum Leben zu erwecken. Stefan Hördler arbeitet sehr akribisch in Archiven und seinem Büro, das ist inhaltlich super spannend, es bleibt aber Aktenarbeit. Unsere Aufgabe war, diese Spannung in Bilder zu übersetzen.  Die noch viel größere Herausforderung waren die Fotos aus dem Album. Sie zeigen junge Männer in ihrem Alltag, der meist ganz harmlos, sogar fröhlich aussieht. Wir mussten es schaffen, die Geschichten hinter diesen Bildern zu zeigen: ein junger Mann, der stolz vor der Kamera posiert, aber gerade den ersten Mord im KZ begangen hat. SS-Männer abends vor einem Weihnachtsbaum, die tagsüber über Leben und Tod entscheiden. 

Wie kam Jonas Nay als Sprecher dazu? Wie haben Sie mit ihm gearbeitet?

Jobst Knigge: Historische Dokumentationen, besonders die über den Nationalsozialismus, werden meist von sonoren Herrenstimmen gesprochen. Uns war eine „junge“ Stimme wichtig, die nicht allwissend alles erklärt, sondern genauso überrascht ist wie wir es waren und wie auch der Zuschauer sein wird. Jonay Nay hat gerade eine der Hauptrollen in dem berührenden internationalen Mehrteiler „The Tattooist of Auschwitz“ gespielt. So sind wir auf ihn aufmerksam geworden. Er hat den Film schon vorher gesehen und bei der Aufnahmearbeit im Studio mit uns gemeinsam auch am Text gearbeitet. 

Es stehen Wahlen in Ostdeutschland an. Halten Sie es für wichtig, dass Ihr Film jetzt gezeigt wird?

Jobst Knigge: Das Fotoalbum zeigt sehr beeindruckend, wie früh und wie akribisch die Nationalsozialisten ihre Netzwerke aufgebaut haben. Es ist erschreckend zu sehen, wie vieles davon einem vertraut vorkommt, wie vieles heute wieder passiert. 

Die Fragen stellte Barbara Schuster

Hier geht’s direkt zum Film in direkt zur ARD-Mediathek.